14 - Eindeutig?

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R O S E

Wir zuckten beide synchron zusammen und ich war zurück in der Realität.

Als ich bemerkte, in welcher Position wir uns noch immer befanden, schoss mir die Röte ins Gesicht und ich schaute nach unten.

"Ehm- ich sollte wohl ans Telefon gehen", sagte ich zögerlich, ließ es aber eher wie eine Frage klingen.

Ich war mir nicht ganz sicher, aber ich konnte in Lukes Augen so etwas wie Enttäuschung entdecken.

"Ja, solltest du", gab er als Antwort und stützte sich hoch, um wieder ins Senkrechte zu kommen.

Er stand auf und ließ mich somit "frei", damit ich an das mittlerweile nervende Telefon gehen konnte. Na ja, was hieß mittlerweile..?

Der Anrufer war aber auch hartnäckig.

Ich stand ebenfalls auf und lief schnell zum Telefon, das auf der Arbeitsfläche lag.

"Rose Winston", meldete ich mich und wartete bis die Person am anderen Ende der Leitung sprach.

Erst einmal hörte ich gar nichts, dann ein paar Stimmen und als ich fragte, wer da sei, ertönte endlich die Stimme.

"Guten Tag, Smith mein Name. Wir machen zur Zeit eine Studie zur Internetnutzung. Könnte ich Ihnen ein paar Fragen stellen?"

Ein paar Fragen, ja bestimmt. Das habe ich einmal gemacht und schließlich war eine halbe Stunde raus geworden.

"Tut mir Leid, ich habe keine Zeit. Ich bin gerade auf dem Sprung."

Die Frau bedankte sich trotzdem und legte anschließend auf.

Ehrlich jetzt. Wir wurden wegen einer Umfrage gestört?! Einer Umfrage?! Unfassbar...

Naja, falls er mich überhaupt küssen wollte. Vielleicht hatte er das gar nicht vorgehabt. Schließlich war ich ein Mädchen und dazu noch ich selber. Ich war kein Mädchen, bei dem die Jungen Schlange standen.

"Auf dem Sprung also..."

Ich drehte mich schnell um und erblickte Luke, der sich an die Kücheninsel gelehnt hat. Er fuhr sich durch die Haare und spielte mit seinem Piercing. Damit machte er mich verrückt. Es sah so gut aus.

"Notlüge", hob ich abwehrend und gleichzeitig schmunzelnd die Hände.

Er schnaubte grinsend. "Also, sollen wir weiter lernen?", fragte er abwartend und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Keinen Hunger mehr auf Kuchen", fragte ich neckend.

Seine Augen wurden groß.

"Ach, stimmt. Natürlich! Hatte ich wohl zwischen den anderen Sachen verdrängt."

Er zwinkerte mir zu, stieß sich von Tresen ab und lief auf die beiden Teller zu.

Ich stand einen Moment wie erstarrt da und war in Gedanken.

Zwischen den anderen Sachen verdrängt... Zwinkern... Zwinkern...

War das eine Andeutung?

Ja, das war eine Andeutung. Vielleicht sogar ein kleines Flirten. Who knows...

Er setzte sich auf einen Hocker, der vor der Kücheninsel stand und schaute mich fragend an.

Ich schüttelte leicht den Kopf, um auf andere Gedanken zu kommen und setzte mich auch schnell hin.

Doch es nützte nichts. Ich driftete immer wieder ab und fragte mich, was das gerade zu bedeuten hatte,

Aus Jungen wurde ich einfach nicht schlau und aus Luke erst recht nicht.

Hatte er versucht, mich zu küssen? War es einfach nur ein Kick? Was sollte das alles..?

Zu Anfang gibt er mir - leider verständlicherweise - einen Korb, dann war ich dabei, mich langsam damit abzufinden, dass der Junge, der mich schon lange interessierte, schwul war und auch dabei, eine Art Freundschaft aufzubauen und dann kommt sowas?! Damit alles wieder über einen Haufen geworfen werden kann?!

Damit verwirrte er mich total. Ich musterte Luke. Ehrlich gesagt, schien er mir nie der Typ zu sein, der Mädchen nur ausnutzte. Er war freundlich, liebenswert und rücksichtsvoll. Sonst hätte er mich zum Beispiel auch dreist behandelt, nachdem ich ihn das erste mal gefragt hatte. Er hätte mich eiskalt abblitzen lassen. Gut, er hatte mir einen Korb gegeben, aber er war nicht gemein. Man hatte ihm angesehen, dass er es nicht gerne getan hat. Man hatte gesehen, dass er sich unwohl gefühlt hat und auch ein wenig, dass es im Leid tat. Er war nicht so ein Draufgänger.

Ich nahm gedankenverloren das erste Stückchen meiner Torte in den Mund und kaute ruhig drauf herum.

„Die ist echt gut", sagte er und deutete mit der Gabel auf seinen Teller, „Selbstgebacken oder von der Konditorei?"

„Von meiner Oma."

„Wow, dann ist sie eine gute Bäckerin."

Ich schmunzelte. „Das werde ich ihr ausrichten."

Wir aßen auf und unterhielten uns weiter. Anschließend gingen wir nach oben, um dort weiter zu lernen. Es verlief nicht weiter spektakulär. Wir lernten weiter und gegen Ende saß das Thema.

Da es schon etwas später war, musste Luke gehen, weil er noch etwas vorhatte.

An der Tür angekommen – unschlüssig wie ich mich verhalten sollte – bedankte ich mich bei ihm. Er nahm mir Gott sei Dank die Entscheidung ab und zog mich in eine kurze Umarmung, mit der er es schaffte, mich nervös zu machen.

Ich spielte mit den Ärmeln meiner Bluse. Er lächelte mich warm an, drehte sich um und machte sich auf den Weg.

-'-

„Und er wollte dich wirklich küssen?"

Ungläubig sah mich Hailee an. Ihre Augen waren weit geöffnet und ihr Mund stand ein wenig auf. Sie konnte es nicht glauben. Ich ja auch nicht. Aber eindeutig war es nicht.

„Wie gesagt, ich weiß es nicht genau. Wieso sollte er das tun?"

„Ich war zwar nicht dabei – schade eigentlich." Sie kicherte. „Aber es hört sich ziemlich eindeutig an. So wie du es beschrieben hast, war er kurz davor, dich küssen."

„Aber wieso sollte er das tun?"

Ich raufte mir verzweifelt die Haare. Hailee war wenige Minuten nachdem Luke gegangen war, bei mir zu Hause aufgetaucht. Natürlich nicht ohne vorher anzurufen, denn wie sie gesagt hatte, wollte sie uns nicht bei „unserer Zweisamkeit stören".

„Ich weiß es auch nicht. Normalerweise würde ich ja jetzt sagen, dass er dich mag oder auf dich steht. Aber die Situation ist verzwickt."

„Was du nicht sagst."

Ich glaubte ja nicht, dass er mich nicht mochte, aber wenn er mich mochte, dann freundschaftlich und nicht mehr. Nur mögen und nicht mögen mögen. Nicht wahr?

Je länger Hailee und ich darüber redeten und je mehr wir philosophierten, desto deprimierter wurde ich. Denn mir wurde immer mehr klar, dass ihm nicht bewusst gewesen sein konnte, wie nah er mir war und was er da getan hatte. Vielleicht war es einfach nur ein Reflex gewesen?

Ein Reflex? Das glaubst doch wohl selbst nicht!

Letzen Endes kam es dazu, dass ich spät abends alleine in Bett lang, nicht schlafen konnte und währenddessen versuchte, mir einzureden, dass es mir egal sein sollte. Denn 1. war Luke schwul und 2. hatten wir uns nicht geküsst.

Ich sollte mich nicht so lange mit Sachen beschäftigen, die nicht passiert waren. Mit Sachen, die nicht beantwortbar waren.

Die Wunschdenken waren...

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Kurz - ich weiß - aber ich finde, dass es das passende Ende war. 

Was sagt ihr generell dazu?

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