15 - Soll ich?

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R O S E

Die Tropfen prasselten gegen die Fensterscheibe und ich nahm die Musik nur noch im Unterbewusstsein wahr. Ich erkannte verschwommen, wie sich ein Fußgänger durch den Wind und den Regen kämpfte, in einer Hand den Regenschirm und in der anderen eine Einkaufstüte.

Ich blickte auf mein Heft und sah einen elendig langen Text. Doch alles, was mein Gehirn wahrnahm, war ein Haufen verwirrender Buchstaben.

Mein Blick huschte immer wieder zu dem weißen Gegenstand rechts neben mir. Es lenkte mich ab, ich war hin- und hergerissen.

Ich saß hier schon eine lange Zeit und alles was ich geschafft hatte, war das Datum oben rechts ins Heft zu schreiben und den Zettel vor mich zu legen. Meine Gedanken schweiften immer wieder zu dem Jungen, für den ich mich eigentlich überhaupt nicht interessieren sollte. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Sollte ich warten bis er auf mich zukommt oder sollte ich es machen?

Das war die Frage, die die gesamte Zeit in meinem Kopf herumschwirrte. Auf die ich versuchte, eine Antwort zu finden.

Einerseits könnte ich so lange warten, schließlich wusste ich nicht, ob er überhaupt ankommen würde oder ob etwas in der Art. Andererseits wollte ich nicht so aufdringlich wirken. Außerdem sagte man doch so schön, dass es die Aufgabe des Jungen war, das Mädchen anzuschreiben, anzusprechen etc.. Ich wusste, dass es nicht stimmte. Doch auch mir kam auch einmal kurz dieser Gedanke. Ich denke, dass jeder schon einmal daran gedacht hat. Doch letzten Endes war es ein völlig überaltertes, überholtes und auch ein wenig frauenfeindliches Bild.

Schon vorhin, als ich im Café arbeiten war, war ich total durch den Wind und hatte versucht ihn so gut es ging aus meinen Gedanken zu verdrängen. Wenn – wie gesagt – auch ohne Erfolg.

Jedoch musste ich immer wieder daran denken, was Hailee und ich schon so oft gesagt hatten und wovon ich auch zu Anfang total überzeugt von war. Nämlich, dass ich nicht aufgeben sollte und alles versuchen sollte, damit Luke mich mochte.

Um ein Zwischenfazit zu ziehen wie manch einer sagen würde, ich hatte mich mit ihm angefreundet. Ich hatte ihn besser kennengelernt und feststellen müssen, dass er noch lieber, humorvoller und charmanter war, als ich erwartet und angenommen habe. Ich war sehr glücklich darüber, auch neue Freunde gefunden zu haben, aber er machte es mir nicht leichter.

Er machte es mir nicht leicht damit, wenn er Sachen wie gestern abzog, worüber ich mir den Kopf zerbrechen konnte. Er machte es mir nicht leicht, wenn er die Dinge tat, die er tat. Denn alles was er machte, faszinierte mich. Ich hatte den Drang, ihn immer zu beobachten, ihn immer anzusehen, egal wann oder wo. Selbst wenn er nur auf dem Hof stand, seinen Freunden zuhörte und währenddessen auf seiner Lippe herumkaute. Mein Blick fühlte sich angezogen und ich konnte mich dagegen sträuben so viel ich wollte, die erste Person, die ich sah, wenn ich einen Raum betrat, war Luke. Die erste Person, die ich sehen wollte. Die erste Person, nach der ich suchte. Es ging alles automatisch, als wäre er ein Magnet.

Ich wollte mich eigentlich davon freisprechen, doch ich konnte nicht mehr verleugnen, dass er etwas in mir anstellte, was mich verunsicherte. Ich wusste nicht, was es war. Doch es war anders als zu Beginn. Es war anders als zu der Zeit, in der ich ihn interessant fand, in der ich mich zuerst nicht getraut hatte, ihn anzusprechen. Dort gab es diese Intensivität nicht, dort gab es dieses Kribbeln nicht und ich dachte dort auch nicht permanent an ihn.

Meine Hand griff mechanisch nach meinem Handy und entsperrte es. Ich ging auf unseren Chat (Ja, er war vorhanden, aber wir hatten nur kurz über die Nachhilfestunde geschrieben) und meine Finger schwebten über der Tastatur.

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