1. Der Besuch der verrückten Dame ...

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Zwei Jahre ist es jetzt her, dass meine Freundin Ruby und ich unser kleines Abenteuer in dem Anime „Attack on Titan" bestritten hatten. Nun waren wir 18 Jahre, wobei Ruby seit zwei Monaten ja eigentlich schon 19 war, und somit richtige, volljährige, erwachsene, junge Frauen. Zumindest äußerlich. Unser Gehirn hat das Erwachsen sein nur halb realisiert. Wir sind nämlich noch immer so dämlich wie im zarten Alter von 16 Jahren.

Ich war mir sicher, dass wir diese Verrücktheit, die wir schon damals hatten und heute noch immer besaßen, selbst mit 90 noch nicht abgelegt haben würden.  Unter der Voraussetzung, dass wir überhaupt so lange lebten und uns nicht vorher selbst umbrachten, weil wir versehentlich stolperten, während wir gerade ein Messer zur Abwasch trugen.

In den vergangenen Jahren passierte nichts Erwähnenswertes. Was soll ich sagen ... Ruby und ich haben uns damals selbst über den Abschied therapiert, was etwa ein Monat gedauert hat. Meine Eltern dachten in der Zeit schon ich würde mich aus dem Fenster werfen, weil sie nicht wussten, warum ich ganze Zeit so traurig war. Ansonsten, ja ... Schule, lernen, Ferien, noch mehr lernen, erste Maturavorbereitungen, eine beinahe versemmelte Kochprüfung, weil ich unter Stress nicht arbeiten konnte, alle waren Corona geimpft, das Leben ging seinen gewohnten Gang und die Politiker beschimpften sich nach wie vor gegenseitig wie unfähig der andere doch war. Also, ja, nichts neues.

Zurzeit befanden wir uns in der ersten Woche der Sommerferien. Meine Eltern hatten beschlossen nun endlich die Kreuzfahrt zu machen, die sich meine Mutter seit ungefähr 10 Jahren wünschte. Sie jammerte uns nämlich schon ewig vor, dass sie gerne mal nach Norwegen, Schweden, Finnland und Island wollte. Tja, jetzt hatte sie, was sie wollte. Das bedeutete für mich, ich war jetzt eineinhalb Monat lang alleine. Da mir das zu langweilig werden würde und ich mich strikt geweigert hatte, Arbeiten zu gehen, lud ich schon am zweiten Tag alleine kurzerhand Ruby ein, diese eineinhalb Monate bei mir zu verbringen.

Sie war jetzt schon eine Woche hier und wir hatten unsere Zeit entweder mit Wii spielen, schwimmen, fernsehen oder so etwas verbracht. Wir hatten gestern auch unsere Hauptschulfreunde Liam, Karsten und Nina eingeladen zum Quatschen. Es wurde allerdings etwas später, weshalb wir erst gegen drei Uhr morgens ins Bett kamen.

Mein Schlaf war traumlos und wirklich erholsam. Oder zumindest wäre er erholsam gewesen, wenn ich nicht durchgeschüttelt worden wäre als würde jemand auf der Matratze herumhüpfen. Langsam drang die Stimme meiner braunhaarigen Freundin Ruby zu mir durch: „Toni ... Tonia ..." Kurz war Stille und ich hatte schon die trügerische Hoffnung weiterschlafen zu können. Doch diese Hoffnung zerplatzte, wie eine Seifenblase, nach der ein Hund schnappte, mit der Frage: „Tonia ... siehst du die Verrückte neben dem Bett auch?" Mit geschlossenen Augen zog ich noch die Augenbrauen zusammen. Verrückte neben dem Bett? Ich hatte doch zugesperrt.

Müde schlug ich die Augen auf und blickte auf eine leicht verschwommene braunhaarige Frau mit Brille, die sich mit den Händen auf den Knien abstützte. Hä, die kannte ich doch irgendwoher. Langsam zog mein Gehirn die Verbindungen und ich erkannte besagte Verrückte an meinem Bett.

Verschlafen murmelte: „Seit wann habe ich einen Pappaufsteller, der wie Hanji aussieht?" Auch Ruby sah zu ... ja, was war das eigentlich. Es war zu dreidimensional, um ein Pappaufsteller zu sein. Und das konnte doch unmöglich Hanji leibhaftig sein ... oder doch?

Genauso verschlafen warf Ruby die Feststellung in den Raum: „Ich ... Ich glaube, das ist Hanji." Sofort kam eine Reaktion von ... Hanji: „Hallöchen, ihr Süßen. Lange nicht mehr gesehen, was?"  Ruby sprang mit dem Aufschrei „Hanji" auf die Knie. Ich hingegen schrie erschrocken: „Der Pappaufsteller spricht!", und zuckte zurück. Dabei rammte ich natürlich mein an der Wand hängendes Nachtkästchen, dass ich voll gegen den Kopf bekam.

Schmerzhaft stöhnend rieb ich mir den schmerzenden Kopf. Ruby hing Hanji am Hals und beide grinsten mich überbreit an. Ich rutschte zu der Bettkante und kniff die Augen zusammen, weil ich nicht so ganz glauben konnte, dass das wirklich Hanji war. Außerdem tanzten mir seit meinem Zusammenstoß mit dem Holzkästchen schwarze Punkte vor den Augen.

Skeptisch tippte ich einmal auf ihren Oberarm, der in der altbekannten Lederjacke steckte. Das wiederholte ich noch viermal, bis Hanji meinte: „Glaub es oder glaub es nicht, aber ich bin es wirklich." Ich sah ihr in die Augen und begann ebenfalls zu grinsen.

Ich sprang regelrecht vom Bett und schmiss, so wie Ruby, auch meine Arme um unsere alte Bekannte. Allerdings klammerte ich mich mehr an Hanji fest, weil meine Sicht bei dieser ruckartigen Bewegung total verschwamm und mir schwindelig wurde. Als ich leicht nach hinten kippte, wurde ich von meiner Freundin und Hanji gepackt und im Stand gehalten. Meine Sicht klärte sich wieder und ich meinte: „Alles gut, ich stehe."

Grinsend stellte die Brillenträgerin fest: „Ihr habt euch kein Stück verändert." Sie betrachtete uns kurz und fügte noch hinzu: „Aber ihr seid ein Stück gewachsen, oder?" Ruby und ich sahen uns an und meine Freundin ließ verlauten: „Nicht dass ich wüsste." Im selben Momente nuschelte ich vor mich hin: „Keine Ahnung, ich hab' mich seit 8 Jahren nicht mehr gemessen." Hanji begann schallend zu lachen. Na, was auch sonst.

Als sie sich wieder eingekriegt hatte, meinte sie: „Zieht euch an, ich bin nicht alleine gekommen." Und schon war sie wieder aus dem Zimmer verschwunden. Verdattert sahen Ruby und ich uns an. Während Ruby sich gemächlich anzog, begann bei mir erst einmal die Information in mein übermüdetes Gehirn zu sickern. Als Ruby beinahe fertig war, hechtete ich mit der entsetzten Feststellung „Meine NCIS-Folgen!" auch schließlich zu meiner Kleidung und beeilte mich meinen Körper in die Kleidung zu stopfen. Unterdessen schrie ich durchs Haus, sodass mich vermutlich noch die Nachbarn hören konnten: „Niemand fasst die Fernbedienungen oder Fernseher an!"

Attack on Titan becomes reality 2 - Willkommen in der RealitätWo Geschichten leben. Entdecke jetzt