31. Nähkurs für Blödies

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„Kaffee am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen", grinste mir Ruby am Esstisch glücklich entgegen und roch an ihrem frisch heruntergelassenen Kaffee, bevor sie sich einen Schluck genehmigte. Ich konnte dazu leider nur müde lächeln, da ich erstens keinen Kaffee trank und zweitens noch hundemüde war. Außerdem konnte ich nicht nachvollziehen, warum Ruby um eine so unsägliche Uhrzeit schon vor sich hingrinste wie ein Hutschpferd.

Na ja, vielleicht lag es ja auch an dem Nähkurs, den sie heute abhalten wollte, weil sie meinte als guter Soldat müsste man seine Kleidung selbst flicken können. Und natürlich wurde ich da auch mit hineingezogen. Allerdings konnte ich Ruby dazu überreden, dass ich früher gehen durfte, um das Essen vorzubereiten. Immerhin gab's heute Burger.

Punkt acht Uhr waren wir mit dem Frühstück fertig, weil Ruby meinte sie würde die Zeit später brauchen, weshalb wir auch schon so früh wach waren ... Argh! Wieso musste ich da eigentlich mitmachen? Nähen konnte mir meine Mama auch beibringen.

Wie erwartet, wurden unsere Gäste soeben mit dem Frühstück fertig, bekamen von uns aber nur ein kurzes „Guten Morgen", da wir sofort den Nähkasten, der sich nun mal im oberen Stockbefand, ansteuerten und von dort die nötigen Sachen holten und sie nach draußen brachten. Dabei wurden wir natürlich wieder mit Blicken verfolgt. Meine Güte, die waren ja fast so neugierig wie Paparazzi.

Als wir die Sachen unten abstellten und Ruby wieder nach oben wollte, um ihre Kursteilnehmer abzuholen - ich hatte mich geweigert, ihnen erklären zu müssen, was und vor allem warum sie das heute machen mussten - kamen sie bereits angedackelt. Anscheinend haben wir sie gut erzogen. Brave Soldaten, dafür bekommt ihr ein Leckerli.

Bevor überhaupt jemand dazu kam, zu fragen, deutete Ruby auf die Outdoor-Garnitur und forderte ihre Teilnehmer auf: „Bitte, setzt euch." Mit leicht misstrauischem Blick auf die Stoffe, die wir irgendwo ausgegraben hatten, und dem Nähkistchen ließen sie sich auf Bank und Stühlen nieder. „Was soll das ...", begann Jean eine Frage zu formulieren, wurde aber von Ruby unterbrochen: „Ssssccchhhht." "Aber ...", versuchte es erneut, bekam aber nur noch ein energischeres „Scht" dazwischengeworfen. Beleidigt verschränkte die Pferdefresse die Arme, während Ruby mit einem Gesicht wie es sonst nur eine diktatorische Oma hatte, die erste Regel für ihren „Nähen für Blödies"-Kurs festlegte: „Bitte erst Fragen stellen, NACHDEM ich fertigerklärt habe."

Verwirrt blinzelnd verarbeiteten die meisten Teilnehmer die Information und Ruby begann ihnen zu erklären, was heute auf dem Programm stand und somit irgendwie ein bisschen zugab, dass sie sie zu dumm für's Nähen hielt. Vermutlich war es die Hälfte auch.

So begann Ruby erst einmal die Nähmaschine zu erklären und als alle schon mit leuchtenden Augen auf das Gerät schauten, dass die Arbeit sooooo viel vereinfachte, schloss sie ihren Vortrag mit: „Aber die gibt es bei euch nicht, also werden wir das Ganze mit dem altbewährten Werkzeug machen. Mit Nadel und Faden." Ihr könnt euch gar nicht vorstellen wie ihnen die Gesichtszüge entgleisten. Wirklich köstlich.

So rackerte sich fast jeder einmal ab, den Faden durch das Nadelöhr zu bekommen und verzweifelte fast, wenn ihm der Faden aus der Nadel rutschte, wenn er einen Stich setzte. Da ich schon immer recht gerne gebastelt und mit Stoffen gearbeitet hatte und ich mir auch nicht schwertat, den Faden wieder ins Öhr zu bekommen, war der Kurs für mich durchaus erheiternd.

Als es ans Knopf annähen ging, war Hanji kurz vorm Verzweifeln, weil sie es einfach nicht verstand oder nicht mitkam mit Rubys Erklärung. Levi, der neben ihr am Kopfende des Tisches saß, verdrehte genervt die Augen, legte sein Stück Stoff beiseite – mal so nebenbei, ein Wunder, dass er da überhaupt mitmachte – und ging zu seiner Kollegin. Er zeigte ihr wie sie es machen musste, trennte alles wieder auf und hielt ihr die Sachen wieder hin. Während sein gesamtes Team ihn mit offenem Mund anstarrte als hätte er gerade von Herzen gelacht, entkam mir ein völlig emotionsloses „Warum überrascht mich das nicht?"

Ich wurde zwar völlig ignoriert, aber das interessierte mich auch nicht. Ich widmete mich wieder meinem Knopf, während Levi sein Team daran erinnerte, wer hier das Sagen hatte: „Glotzt nicht so blöd." Unverzüglich wurde die Aufmerksamkeit eines jeden Einzelnen wieder auf seinen Knopf gerichtet.

Als ich fertig war, legte ich den Stoff mit dem angenähten Knopf auf den Tisch, steckte die Nadel wieder in das Nadelkissen und stand auf. Während ich in den Kästen der Outdoor-Küche nach einem bestimmten Behälter zum Warmhalten fischte, fragte Connie hoffnungsvoll: „Pause?", und stand auf. Woraufhin Ruby unbeeindruckt antwortete: „Nö, sie geht nur Essen machen." Mit Nachdruck fügte sie hinzu: „Setz dich." Ich konnte hören wie enttäuscht ausgeatmet wurde und die Bank knarzte. Na, immerhin war er nicht so naiv zu glauben, dass es vorbei sei. Denn das war's erst, wenn es Essen gab.

Endlich das richtige Geschirr gefunden, machte ich den Kasten wieder zu und stellte den Tupperbehälter auf die Nähmaschine, die ich kurzerhand mit nach oben nahm.

Oben räumte ich die Nähmaschine wieder an ihren Platz und begann Zwiebeln zu schneiden, Salat zu waschen und Fleisch zu würzen und zu braten. Das Ganze dauerte für zehn Personen knapp eine Stunde und als ich wieder nach unten trat mit den selbstgekauften Burgerbrötchen in der Hand, drohte Jean Ruby gerade mit einer Nähnadel abzustechen, wenn sie etwas nicht machte, von dem ich absolut keine Ahnung hatte, was es war. Hm, also alles völlig normal.

Ich stellte die Sachen auf den Tisch und mit großer Erleichterung wurden die Nähsachen zusammengepackt und die Teller hergerückt.

Attack on Titan becomes reality 2 - Willkommen in der RealitätWo Geschichten leben. Entdecke jetzt