56. Was ist schon Normalität?

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Wieder zuhause angekommen, wurde Hanji überschwänglich begrüßt. Überschwänglich im Sinne von „Schön, dass du wieder da bist, Abteilungsführerin". Hätte nur noch ein „Danke und tschüss"  gefehlt, so nüchtern fiel die Begrüßung aus. Allerdings merkte das Hanji nicht wirklich. Oder zumindest zeigte sie es nicht. Die herzlichste Begrüßung bekam sie vermutlich von Levi. Auch wenn man bei einem Klaps auf den Kopf und den Worten „Was fällt dir ein einfach so zu verschwinden, Vierauge?" etwas zwischen den Zeilen lesen musste.

Als jeder mit seiner Kondolenzbegrüßung fertig war, wurde der Beschluss gefasst, dass es Zeit für's Abendessen war, weshalb wir uns alle im ersten Stock einfanden und schnell den Tisch deckten, um dann gemütlich ein kaltes Abendessen einzunehmen. Ruby und ich waren so ziemlich die Ersten, die fertig waren. Deswegen war uns auch ein wenig langweilig und es war ja nichts ungewöhnliches, dass dann irgendetwas dummes passierte. In diesem speziellen Fall gab Ruby den Anstoß, indem sie an Connie gerichtet fragte: „Are you the Eren to my Mikasa?" Verdutzt schluckte der Angesprochene seinen Bissen hinunter, ehe er mit dem Aufstrichbrot in der Hand anfing zu grinsen und in einwandfreiem Englisch erwiderte: „No, because I like you back." Ruby und ich verfielen aufgrund dieser Antwort in einen Kicheranfall. Oh, Eren, du bietest einfach zu viele Vorlagen. Und das sogar, ohne irgendetwas zu tun.

Wieder normal meinte Ruby dann in einer etwas höheren Tonlage als für gewöhnlich: „Naw, thank you." Da endlich eine Gesprächsgrundlage vorhanden war, klinkte ich mich einfach mal rotzfrech ein. Natürlich ebenfalls in der Handelssprache unserer Welt. „Oh, you're so cute together", erklärte ich und ließ meinen Zeigefinger zwischen den zweien hin und her schweifen. Gegen meinen Erwartungen antwortete nicht Ruby, sondern Connie: „Thank you but you two are cute as well." Der grauhaarige nickte leicht zu Armin, der das vor lauter verdattertem Starren gar nicht mitbekam. Ich kicherte und spürte wie mir die Röte ins Gesicht schoss. Um etwas dagegen zu tun, dass ich in kurzer Zeit wie die Tomaten auf dem Tisch aussah, erwiderte ich: „Your English is awesome. You practiced a lot, didn't you?" „Oh, yes. Ruby didn't let me go until I had the right pronunciation." Ich sah schelmisch grinsend zu meiner Freundin und meinte scherzhaft: „You torturer. The poor guy."

„Könnten wir bitte wieder zu einer Sprache wechseln, die hier alle verstehen?", regte sich Jean auf und deutete auf die am Tisch Sitzenden. Mit einem diabolischen Grinsen im Gesicht antwortete ich: „Mais bien sûre. Quelle langue est-ce que tu préfères? " * Mit einem Mal schien in jedem Gehirn hier ein Kurzschluss statt zu finden. Denn so ziemlich jeder schaute mich jetzt an als hätte man ihm das Hirn weggesprengt. Währenddessen lag Ruby vor Lachen schon fast am Tisch und ich lächelte das beste Unschuldslächeln in meinem Repertoire. Ich hatte keine Ahnung, ob meine Freundin überhaupt verstanden hatte, was ich gesagt hatte, da sie ihren Angaben nach eine Niete in Französisch war, aber es freute mich, dass sie sich so amüsierte.

Einer nach dem anderen kam verwirrt blinzelnd wieder zu sich und Ruby brachte lachend den wohl einzigen Satz heraus, den meine Französischklasse konnte: „Je ne parle pas français." „W-Was hast du gesagt?", wurde ich schließlich von Sasha gefragt. „Ich habe gefragt, welche Sprache er bevorzugen würde", kicherte ich. Überfordert nickte die rothaarige. „A-ach so." Gleich darauf biss sie von ihrem Brot ab. „Mal ein anderes Thema: Was ist eigentlich mit eurer Welt. Wann wollt ihr zurück?", fragte ich in die Runde. „Was?! Sie können doch nicht gehen!", empörte sich Ruby mit traurigem Gesichtsausdruck und klammerte sich an Connie, der neben ihr saß und ihr verdutzt über den Arm strich. Ich schenkte meiner Freundin ein trauriges Lächeln.

Mein Blick streifte Armin nur kurz als ich Ruby erklärte: „Ich weiß, dass du sie nicht gehen lassen willst. Ich ja auch nicht. Aber das ist nicht ihre Welt. Und meine Eltern wären sicher nicht begeistert, wenn wir acht Untermieter hätten." Manchmal hasste ich meinen sachlichen, rational denkenden Teil wirklich.

Hanji beugte sich so gut es ging zu Ruby und meinte mit einem sanften, fast mütterlichen Lächeln: „Tonia, hat recht. Wir müssen zurück." „Ich weiß", schniefte Ruby und probierte sich an einem Lächeln, das wirklich kläglich aussah. „Bevor wir hier irgendetwas machen, sollten wir lieber überlegen, WIE wir zurückkommen", mischte sich nun Levi ein, der entspannt an seinem Tee nippte. Ruby und ich warfen uns kurz einen Blick zu, ehe wir wieder zu Levi sahen und ihm einstimmig antworteten: „Ihr springt vom Garagendach." Unsere Tonlage machte unmissverständlich klar, dass doch jeder Idiot auf diese Idee kommen würde. Die Blicke, die uns trafen, waren davon allerdings nicht so begeistert. „Ihr habt sie doch nicht mehr alle", echauffierte sich Jean ... mal wieder. Langsam wird's langweilig, wenn sich immer der Gleiche aufregte.

„Wieso? Uns hat man doch auch vom Dach geschubst", meinte Ruby wie selbstverständlich und warf Levi einen bedeutungsvollen Seitenblick zu. Die entgeisterten Blicke trafen nun die zwei Vorgesetzten. Während Levi sich nicht im Geringsten darum kümmerte, lächelte Hanji ihr typisches Lächeln und zuckte mit einem unbekümmerten „Ups" die Schultern. „Alles Erwins Schuld", hustete ich gut versteckt in meine Faust. Fürsorglich wurde mir von Armin auf den Rücken geklopft und ich lächelte mal wieder nur ein unschuldiges Lächeln.

Als man sich wieder gefangen hatte, meinte Sasha trübselig: „Das heißt, wir gehen morgen wieder nach Hause?" Ruby sah entsetzt zu ihr. „Nein! Wie ... Wie wär's, wenn ihr noch eine Woche bleibt." Bittend sah sie zu Hanji und Levi. Insgeheim wusste hier jeder, dass die Entscheidung schlussendlich von diesen zwei Personen abhing. Die zwei Vorgesetzten blickten sich kurz an und Levi nickte schließlich mit der Aussage „Eine Woche." Es wurde allgemein noch einmal aufgeatmet. Auch wenn eine Woche wie im Flug vergehen würde.

„So, jetzt zu etwas weniger Traurigem. Kennt ihr Activity?", fragte Ruby mit einem Glänzen in den Augen, dass nur so vor Schadenfreude sprühte.

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* Beim Französischen übersetze ich mal lieber: „Aber natürlich. Welche Sprache bevorzugst du?"

„Ich spreche kein Französisch."

Attack on Titan becomes reality 2 - Willkommen in der RealitätWo Geschichten leben. Entdecke jetzt