35. Das Davor

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Anstatt ihrem Freund zu antworten, schob sie mich vor und stellte eine Gegenfrage: „Hab' ich sie gut hinbekommen?" Irritiert blickte Connie meiner Freundin entgegen und meinte als wüsste er genau, was Ruby meinte: „Äh, ja ... sie ist perfekt." Als wäre ich ein Gegenstand. Pf.

Ruby ließ ihren Blick zu meinem Gesicht wandern, besah sich ihr Werk ein weiteres Mal und machte mit ihrer Hand eine Na ja-Bewegung, ehe sie zu Connie sagte: „Na ... nobody's perfect. Du bist n' bissl zu groß ... und manchmal sehr dumm." „Hey", kam die empörte Antwort. Im Vorbeigehen klopfte ich dem Freund meiner Freundin auf die Schulter und lächelte: „Sasha wird dich dumm nennen, also gibt uns das die Freikarte, das auch zu tun." Mit hoch erhobenem Haupt klopfte Ruby Connie sacht auf den Kopf und wir ließen ihn mit offenem Mund einfach zwischen Tür und Angel stehen. Ich liebte es, Leute so stehen zu lassen.

Als wir an der Wohnungstür ankamen, stand Connie plötzlich wieder neben uns und meinte mit verschränkten Armen: „Das ist beleidigend." Ruby legte liebevoll den Kopf schief und grinste: „It's not an insult. It's just the truth." Sein Blick war so verständnislos, dass man schon fast hätte meinen können, er hätte verstanden, was Ruby ihm da gesagt hatte. Allerdings nahm ich einmal stark an, dass er es nicht tat.

Ich scheuchte den Jungen von der Tür weg, um sie zu schließen, ehe Ruby und ich die Stufen nach oben nahmen, um zu sehen, wie weit der Rest war. Wir kamen bereits vor der Wohnungstür des Obergeschoßes an als Connie ein Stockwerk tiefer fragte: „Was hast du gesagt?" Ich unterdrückte krampfhaft den Reflex mir die Hand ins Gesicht zu donnern. Wie konnte man nur so ein Spätzünder sein?

Neben mir murmelte Ruby: „I think I'll give him English lessons. Definitely." Kichernd betrat ich den Vorraum und erwiderte: „Die wird er auch brauchen, wenn er längere Zeit mit dir verbringen will."
Ruby folgte mir und bestätigte: „Oooooh ja."

Bevor wir weitergingen, rief ich in die Wohnung, in der überraschenderweise niemand zu sehen war: „Sind alle angezogen? Wir sind jetzt da. Wir wollten schauen, ob ihr fertig seid." Erst dann betraten wir den Gang. Ich meine ... in einer Wohnung, in der es fast nur Männer gab, musste man sich nun mal ankündigen, um peinliche Situationen zu vermeiden.

Aus dem Gemeinschaftsschlafzimmer von Sasha, Mikasa, Eren und Connie streckte Armin seinen Kopf aus der Tür und lächelte uns entgegen: „Zwei Minuten, dann kommen wir." Ist ja nicht so, dass sie bis jetzt fast drei Stunden hatten. Aber meine Antwort war ein freundliches „Okay".

Und siehe da ... zwei Minuten und wir waren bereit zum Feiern gehen. Oder das was jeder durchschnittliche Jugendliche als Feiern bezeichnen würde. Für mich war das ja mehr Langeweile als sonst was, aber was tat man nicht alles, um Leuten aus einer anderen Welt die eigene zu zeigen.

In solchen Momenten, wo dann alle acht vor mir standen, fühlte ich mich irgendwie wie eine Glucke. Wie ich dieses Gefühl doch hasste! „Na dann können wir ja", war Rubys Aussage, mit der sie sich schwungvoll umdrehte, fast mit dem Heizkörper kollidierte und dann mit immer weniger werdenden Schlangenlinien auf die Tür zusteuerte. Schulterzuckend folgte ich ihr und alle anderen im Gänsemarsch hinter uns her. Einen Stock tiefer holten Ruby und ich unsere Taschen und ich noch den Hausschlüssel und damit waren wir fix fertig und auch kurz darauf auf dem Weg zum Bahnhof.

Das Zugfahren wurde mehr oder minder mit Freude gesehen, woraufhin ich einen kleinen Ausraster hatte, und sie ankeifte, dass ich sie sicher nicht noch einmal in den Firmenbus von meinem Vater setzen würde, weil das nur wieder Drama bedeuten würde. Daraufhin war Ruhe und die Fahrt verlief in himmlischer Stille.

Zwei Stationen später stiegen wir aus und ich fragte Ruby, wo wir denn überhaupt hingehen wollten. Auch wenn wir nun in einer Stadt waren, in der es haufenweise Bars gab, standen wir nach wie vor vor dem Problem, dass nur Ruby und ich Ausweise besaßen und man beinahe nirgends ohne einen hineinkam. Ruby machte eine wegwerfende Handbewegung: „Ach, mein Bruder hat einen Freund, der hat eine Bar. Und DEN habe ich schon gefragt und er hat gesagt, dass wir auch ohne Ausweis hineinkommen." „Oh, na gut", kommentierte ich schulterzuckend. Damit war das Problem auch erledigt. Und sollten wir etwas nicht bezahlen können ... dann musste Rubys Bruder eben für uns bürgen. Oder wir stellten jemanden aus unserer Gruppe zum Abarbeiten ab.

Eine Viertelstunde vom Bahnhof entfernt kamen wir in eine Fußgängerzone, in der sich Lokale und Bars aufeinanderstapelten wie Legosteine. Von den Blinklichtern, die man in der untergehenden Sonne nur schwach leuchten sah, wurden die Blicke unserer Begleiter magisch angezogen. Schließlich blieben wir vor einem Gebäude stehen, an dessen Tür ein Mann mit Kurzhaarschnitt stand und seine Hemdsärmel aufgekrempelt hatte, was uns einen Blick auf die durchtrainierten Arme lieferte. Über ihm leuchtete ein hellblauer Schriftzug Drink 'n' Dance. Sehr einfallsreich für eine Bar.

Wir schauten alle einige Augenblicke auf das Schild. So nebenbei bemerkte ich wie Ruby Connie im besten Befehlston vorbetete: „Connie, schau schön aus." Ich richtete meine Aufmerksamkeit nun vollendens auf das verrückte Paar. Mit einem stolzen Funkeln in den Augen, aber dennoch irritiert, antwortete dieser: „Ich bin doch schön." Der Konter, der daraufhin kam, war mal wieder typisch meine beste Freundin. Hart, aber witzig. „Nein, bist du nicht!" Nicht auf diese abweisende Haltung gefasst, erwiderte Connie beleidigt: „Was soll das bitte heißen?" „Ehm ... ich meine ... du bist perfekt. Einfach perfekt. Du musst dich nicht schön machen. Lieb dich!", war Rubys verzweifelter Versuch ihren Fehler zu korrigieren und küsste ihren Freund auf die Wange, um gleich darauf in Richtung Security zu fliehen.

Connies Blick schwankte irgendwo zwischen verdattert und beleidigt hin und her als er seiner Freundin nachschaute, die wahrscheinlich gerade dem Türsteher verklickerte, dass uns der Besitzer der Bar alle kannte und wir ohne Ausweiskontrolle hineinkonnten.

Ich konnte die Unterhaltung nicht verstehen, doch mit einem Nicken des Muskelmanns,winkte uns Ruby zu sich und wir wurden mit viel Protesten der Anstehenden hineingelassen.

Attack on Titan becomes reality 2 - Willkommen in der RealitätWo Geschichten leben. Entdecke jetzt