Kapitel 4

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Man konnte mal wieder hören, wie Cooper wieder seinen Prügel gegen das Holztor knallen ließ. Langsam machten sich die Gefährten auf, um ihren täglichen Freigang anzutreten.

Callahan wischte seine Aufgabe von der Wand und streckte seinen Rücken durch. Er war froh, wenn er endlich an die frische Luft kam. Mittlerweile war der Gestank von ungewaschenen Leibern und anderen Ausdünstungen nur noch schwer auszuhalten. Er räumte noch den Eimer und die Kohle unter sein Lager und sah dann zu den anderen, die über die Holzwand, welche sie von den anderen Sträflingen abschirmte, zum Tor schauten.

"Was ist?"

Hamish zuckte mit den Schultern.

"Cooper öffnet das Tor nicht. Stattdessen steht er davor und schweigt sich aus. Mir scheint es beinahe so, als ob er darauf wartet, dass einige ausflippen. Jones und Wilson liegen schon auf dem Boden und halten ihre Finger vor den Bauch. D kennst die beiden. Wenn es nicht schnell genug geht, fassen sie schon ans Gitter. Heute konnten sie wohl ihre Finger nicht rechtzeitig wegnehmen."

Callahan kletterte zu ihm hinauf und betrachtete das Geschehen von oben. Es herrschte beinahe eine gespenstische Ruhe vor dem Tor, was sehr seltsam war. Die beiden Sträflinge, die Hamish erwähnte, saßen an der Wand gelehnt da und warfen Cooper einen bösen Blick zu, den er gelangweilt erwiderte.

"Seltsam. Obwohl alle ruhig sind, macht er das Tor nicht auf. Was ist nur los? Auf was wartet er?"

In dem Moment kam ein Offizier ans Tor. Callahan hatte ihn noch nie gesehen, denn hier waren nur wenige Soldaten an Bord, aber er sah schon sehr beeindruckend aus in seiner Uniform.

Der Mann holte ein Stück Papier hervor und wedelte damit wichtig durch die Luft.

"Uns ist zu Ohren gekommen, dass einige Sträflinge einen Meuterei planen. Um dies zu verhindern hat Kapitän Marschall beschlossen, den Freigang auf unbestimmte Zeit zu verbieten."

Alle starrten den Uniformierten an, dann brüllten sie alle durcheinander.

"Wir planen keine Meuterei!"

"Der Mensch braucht die Sonne."

"Lasst uns frei!"

Callahan sackte in sich zusammen. War es das, was Derwen ihm vor seinem Freitod hat versucht zu erklären? Wusste er das schon und hatte deswegen aufgegeben?

"Das kann er nicht machen.", murmelte er leise.

Duncan lachte bitter.

"Und wie er es kann. Du hast Morris doch gehört. Sie bekommen ihr Geld, ob wir nun lebend in der neuen Kolonie ankommen oder nicht."

Bryan schnaubte leise.

"Ein paar Tage werden wir es wohl ohne Sonne aushalten können. Er kann uns nicht einsperren, bis wir in Port Jackson sind."

Callahan war sich da nicht so sicher.

Wie Duncan schon erwähnt hatte, waren die Sträflinge dem Kapitän mittlerweile egal. Ihm waren nur die anderen Passagieren wichtig, die ihm wirklich viel Geld einbrachten. Cal selbst hatte diese Leute gesehen, als er mit den anderen am Kap der Guten Hoffnung die Scarborough belud. Es war ein junger Offizier gewesen, der die Schafe kontrollierte. Eine sehr ungewöhnliche Tätigkeit für einen Leutnant, aber es schien ihm sehr wichtig zu sein. Callahan hatte sogar gesehen, dass er einen Sträfling verprügelte, nur weil dieser ein Schaf trat. Als er Callahans erstauntes Gesicht sah, hatte er ihm zugezwinkert und war wieder zu der Frau geeilt, die wohl seine Ehefrau war.

Ja, auf solche Passagiere legte Kapitän Marschall Wert, nicht auf ein paar zerlumpte Sträflinge, die ihm auch noch Arbeit machten.

Er war sich sicher, dass sie tatsächlich die Sonne so schnell nicht mehr sahen.

CallahanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt