Callahan

Kapitel 20

"Haben Sie schon die guten Neuigkeiten gehört, Mr. Archer?"

Callahan hob kurz seinen Kopf, um Mr. Scott einen fragenden Blick zu zuwerfen. Einen Moment musste er sich zusammenreißen, dass er nicht unwillig knurrte, denn er war mitten in den Berechnungen der neusten Zahlen und benötigte daher Ruhe. 

"Welche Neuigkeit? Ist ein neues Schiff mit Waren für den Master angekommen?"

Er erwartete dieses vermaledeite Handelsschiff schon seit Wochen, aber bisher gab es keine Nachricht über den Verbleib, was ihn mittlerweile beunruhigte.

Mr. Scott lachte leise, während Cal schon wieder den Kopf senkte um mit seinen Berechnungen weiter zu machen.

"Nein, obwohl ich zugeben muss, dass dies auch eine gute Nachricht wäre. Rachel Clarke heiratet."

Callahan nickte, ohne die Augen von den Zahlen zu lassen, die er mal wieder fein säuberlich in die entsprechenden Spalten eintrug.

"Das ist ja nichts Neues. Sie ist nun schon lange mit Captain Hadley verlobt."

Mr. Scott schnaubte.

"Wie kann ein junger Mann nur so uninformiert sein, wenn er ansonsten sehr gebildet ist. Lady Rachel und Captain Hadley heiraten dieses Wochenende im Stadthaus und wir sind eingeladen."

Callahans Kopf schoss nach oben.

"Dieses Wochenende?"

Mr. Scott nickte.

"Es wäre gut, wenn Sie ihre beste Kleidung herauslegen, Mr. Archer."

Callahan schüttelte lachend den Kopf.

"Sie scheinen zu vergessen, dass ich immer noch ein Sträfling bin. Die Einladung wird nur an Mr. Turner und sie gegangen sein und nicht an mich."

Mr. Scott schnalzte böse mit der Zunge.

"Master Clarke hat nachdrücklich nach Ihnen verlangt, Mr. Archer. Nach der Trauung möchte er noch mit Ihnen die Finanzierung einiger Projekte besprechen."

Wieder hob Callahan den Kopf.

"Mit mir? Wieso nicht mit ihnen? Immerhin sind sie viel erfahrener als ich."

Mr. Scott setzte sich ihm gegenüber und seufzte leise.

"Mein guter Junge. Wir arbeiten nun schon beinahe zwei Jahre zusammen und ich habe dir alles beigebracht, was ich selbst weiß. Doch das reichte dir nicht. Du bist mittlerweile ein sehr guter Geschäftsmann und kannst mit Zahlen umgehen, dass es eine Freude ist, dir nur zu zusehen. Die letzten Gewinne waren nicht unser Verdienst, sondern deiner. Denkst du, wir sagen so etwas Master Clarke nicht? Es sind noch vier Jahre, in denen du deine Strafe absitzen musst, doch der Master sieht dich schon jetzt nicht mehr als Sträfling an. Ich denke, er will dir mit dieser Besprechung Respekt zollen."

Callahan atmete tief ein.

"Ich glaube nicht, dass ich diesen Respekt verdiene oder will."

Mr. Turner, der die ganze Zeit schweigend bei ihnen gesessen hatte, hob fragend eine Augenbraue.

"Verdient hast du ihn sicherlich, aber warum solltest du nicht ein wenig Anerkennung für deine Arbeit bekommen?"

Callahan schob seinen Ärmel etwas nach oben und die leichte Hautveränderung, die sich vom Gertenschlag nie ganz erholt hatte, kam zum Vorschein.

"Das, meine Herren, bekommt man üblicherweise als Anerkennung, wenn man ein Sträfling ist."

Die beiden zogen zischend die Luft zwischen ihre Zähne hindurch.