Kapitel 2

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"Himmel, kann es noch langweiliger werden?"

Mittlerweile waren sie einen Monat im Bauch der Scarborough unterwegs. Die Kälte war nicht mehr das Problem, dafür die Langeweile und der Hunger. Wenn man sich ordentlich benahm, dann hatten die Wärter nichts auszusetzen. Natürlich waren sie da die Ausnahme, denn es herrschte eine Hierarchie unter den Sträflingen, die man mit der in den Gefängnissen vergleichen konnten. Es gab einige Verletzte durch Rangkämpfe, aus denen sich Callahan tunlichst fernhielt. Und es gab Sträflinge, die Geschäfte mit den Wärtern machten, um sich einige Annehmlichkeiten zu erschleichen. Auch von denen hielt sich Cal fern. Aber dadurch herrschte eben Langweile.

Hamish war besonders davon betroffen. Die McRiley-Brüder konnten aber auch unterschiedlicher nicht sein. Während Duncan schon seit seiner Kindheit immer mehr Wissen angehäuft hatte und sogar Arzt wurde, war Hamish schon immer ein Farmer und Handwerker gewesen. In seiner alten Heimat in den Highlands hatte er immer etwas zu tun gehabt und auch im Kerker war er nie untätig gewesen und hatte kleine Reparaturen für die Wärter erledigt, doch das fiel nun aus. Deswegen lag er die meiste Zeit auf seiner Pritsche und jammerte. Die anderen hielten sich mit kleinen Spielen bei Laune, aber das half auch nicht immer.

Callahan lernte in der Zeit von Duncan lesen und schreiben. Die Wände des kleinen Abteils waren schon alle beschrieben. Callahan hatte Asche mit etwas Meerwasser vermischt und benutzte dies als eine primitive Art Tinte.

Morris hatte das bemerkt und Callahan befürchtete schon, dass er ihn deswegen bestrafen würde, aber am anderen Tag drückte der Wärter ihm einen Eimer und Bürste in die Hand und verlangte lautstark, dass er diese Schweinerei entfernen sollte. Nur Callahan konnte hören, wie der Wärter ihm zuflüsterte, dass er weitermachen konnte, aber die Wand sauber halten solle.

So kam es dass Callahan nach einem Monat schon ganz passabel lesen und schreiben konnte.

Auch wenn die Älteren immer ihre Witze darüber machten, fand man den ein oder anderen beim "Unterricht" neben Callahan sitzend und Duncan zuhörend vor. Sogar vom Nachbarabteil hörten die Männer zu und reckten ihre Hälse durch die Gitter, um zu sehen, was die beiden immer taten.

Doch heute war es nur Cal, der wissbegierig Duncans Ausführungen lauschte.

Das Wetter hatte sich geändert, denn so kalt es vor Wochen beim Auslaufen auch war, so schwül war es nun, sodass man stark schwitzte und die Männer unter Deck die meiste Zeit lediglich in ihren zerschlissenen Hosen herumliefen und das Fass mit dem Trinkwasser, dass nur einmal am Tag zur Hälfte aufgefüllt wurde, war trocken wie eine Steinwüste im Hochsommer. Nur wenn es ihnen erlaubt war, an Deck zu gehen, konnten sie sich mit Meerwasser etwas abkühlen. Allerdings brannte das Salz am Abend so sehr auf der Haut, dass viele Sträflinge mit Hautekzemen zu kämpfen hatten.

Duncan hatte es sich schon angewöhnt, jeden noch so kleinen Fettklumpen, den er im Essen fand, zu sammeln, um dies dann über kleiner Flamme zu schmelzen und somit zu reinigen.. Diese Salbe, wie er das Zeug nannte, stank erbärmlich, aber sie half. Es sprach sich auch mittlerweile unter den Sträflingen herum, dass Duncan ein Arzt war und jeden Tag kamen Männer bei ihnen vorbei, welche die Hilfe des Schotten beanspruchen wollten. Sobald die Gitter, die in der Nacht geschlossen waren, geöffnet wurden, strömten sie zu Duncan.

Natürlich gab es auch einen Schiffsarzt, aber wenn man nicht genügend Münzen hatte, um ihn zu bezahlen, machte er sich nicht die Mühe nach unten zu den Sträflingen zu gehen. Lieber trank er den lieben langen Tag billigen Rum, der eigentlich zum Verkauf in Australien oder zur Behandlung von Krankheiten genutzt werden sollte. Nur wenn er von den Wärtern angefordert wurde, kam er herunter und man konnte seine Alkoholfahne schon von weitem riechen, obwohl es unter Deck stank wie in der Hölle selbst. Meist stellte er nur den Tod eines Sträflings fest und ging dann wieder.

CallahanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt