„Das Haus ist wirklich riesig... Wie willst du da jetzt die anderen finden?", fragte Ethan, nachdem sie durch das vierte Zimmer gelaufen waren und sich inzwischen im Obergeschoss auf einem langen Flur befanden.
Levin vor ihm seufzte nur resigniert, da er es aufgab, Ethan zu bitten, doch keine Fragen zu stellen.
„Bitte, lass diese Stunde doch endlich vorbei sein... Die anderen werden jetzt wohl kaum die ganze Zeit die Klappe halten können. Sie werden zu hören sein. Also einfach nach den Stimmen suchen", antwortete er schlicht, bevor er leise etwas murrte, was nach einer Beschwerde darüber klang, wie lange so eine Stunde dauern konnte und was man in einer Stunde alles anrichten konnte. Aber Ethan achtete da nicht mehr drauf, sondern beobachtete einfach nur den neuen vor ihm wippenden Pferdeschwanz. Erstaunlich, wie gut diesem Kerl selbst lange Haare standen.
Wie sich recht schnell herausstellte, waren die anderen doch leise. Zumindest sowie Levin die entsprechende Tür öffnete. Erneut befanden sie sich in einer Art Salon, jedoch befanden sich in diesem nur einige Sessel in einem für normale Umstände riesigen Abstand.
„Der Verhandlungsraum. Zumindest ist er normalerweise für solche Dinge da. Aber für Beziehungskrisen ist er auch außerordentlich praktisch", sagte Malek, der sofort auf sie zugelaufen kam, sowie sie den Raum betreten hatten. Er wirkte bei dieser bedrückenden Stimmung überraschend fröhlich in seinem türkisenen Outfit. Vermutlich wirkte er aber auch einfach nur so, da er der einzige war, der von alledem hier nicht im Geringsten betroffen war und deshalb in aller Ruhe gute Laune haben konnte.
Levin lief ohne etwas zu sagen an ihm vorbei und setzte sich in den Sessel, der von allen anderen am weitesten entfernt war.
„Hattest du es von Anfang an geplant, dass sich dieses Beziehungsdrama hier in deinem Haus abspielt?", fragte Ethan leise und bekam von dem Otorokku einen genervten Blick zugeworfen, woraufhin ihm nun wieder einfiel, dass Malek ja ebenfalls von diesem Trank betroffen war und antworten musste.
„Ehrlich gesagt hatte ich so weit geplant, dass es zu diesem Beziehungsdrama kommt, hatte aber gehofft dass sich alle nach draußen verziehen und dieses Drama draußen stattfindet und nicht in meinem Haus. Aber da hatte ich wohl die persönlichen Bindungen zwischen den einzelnen Beteiligten dieses Dramas zu Levin unterschätzt." Ethan war sich nicht ganz sicher, ob er mit seiner Beobachtung richtig lag, aber es kam ihm so vor, als würde Malek an dieser Stelle einen kurzen Blick zu Saka werfen, der so wie alle anderen in jede nur erdenkliche Richtung sah, nur nicht zu Levin.
„Könnte noch anstrengend werden... Darf ich dir die Aufgabe hier übertragen und verschwinden?", fragte Malek leise und der Tokosu warf ihm nur einen ruhigen Blick zu.
„Sieh es einfach als eine Show an, setz dich in einen Sessel und versuch das zu genießen. Und ich... versuche das hier irgendwie zu regeln", antwortete er, während er zu Levin lief und sich auf eine der Armlehnen des Sessels setzte.
„Was genau hast du jetzt vor?", fragte er dann leise.
„Dich gleich dafür schlagen, dass du schon wieder eine Frage gestellt hast", antwortete Levin sofort, während er mit einer Haarsträhne spielte, die sich wohl aus seinem Zopf befreit hatte.
Ethan schüttelte lächelnd den Kopf. „Ich kann dir das nicht gerade Empfehlen, ich bin hier gerade dein einziger Verbündeter... Malek scheint zwar ein Unparteiischer zu sein aber er scheint doch eher auf Seiten Sakas zu stehen."
Levin schnaubte leicht, während Malek sich in einem farblich absolut unpassenden roten Sessel fallen ließ und laut sagte: „Die Verhandlungen mögen beginnen. Hat jemand etwas zu sagen?"
Alle schwiegen, bis Levin schließlich herausplatzte: „Dämlicher Trank, die Frage war doch gar nicht direkt an mich gerichtet!"
„Aber da du dich angesprochen fühlst, würde ich dir das Wort gleich einmal übergeben. Gib deinem Schuldgefühl die schuld daran, dass du dich hierbei angesprochen fühlst. Ich fürchte sowieso, dass du derjenige sein solltest, der hier ein paar Dinge geraderückt."
Ethan konnte sehen, wie angespannt Levin war und schaffte es mit etwas Mühe, sich in seine Gestalt als schwarzer Kater zu verwandeln, sodass er dann auf Levins Schoß sprang. Saka hatte während ihrer Reise versucht hin und wieder ein wenig mit ihm zu trainieren und auch wenn Ethan es nicht zugeben wollte, hatte es offenbar doch ein wenig Erfolg gehabt. Nun rollte er sich auf Levins Schoß zusammen und dieser atmete nun deutlich ruhiger, während er begann, ihn zu kraulen. Es schien ihn wirklich immer mehr zu entspannen, was dazu führte, dass er nun doch anfing, zu reden.
„Ich... bin wirklich nicht gut in solchen Dingen. Und ich weiß ehrlich gesagt auch nicht im Geringsten, was ich an dieser Stelle jetzt sagen soll. Die Stunde ist noch nicht vorbei, also... kann ich gerade wirklich nur die Wahrheit sagen. Und es tut mir unfassbar leid, dass alles jetzt... so herausgekommen ist", begann er dann und schwieg kurz. Den anderen konnte man keinerlei Reaktion ansehen. Sie schienen davon vollkommen unbeeindruckt zu sein, weshalb nun Malek offenbar das Bedürfnis hatte, etwas Gutes einzuwerfen.
„Man muss ihm zugutehalten, dass jetzt durch den Trank viele kleine Sachen oder gelegentliche Lügen zu einem großen Ganzen zusammengewachsen sind, was alles auf einmal herausgeplatzt ist. Unter normalen Umständen wäre es nicht so viel und so schlimm gewesen."
Levin warf ihm einen dankbaren Blick zu, den dieser nur ziemlich ruhig erwiderte.
„Er hat uns alle darüber angelogen, was er ist. Nicht einmal das ist richtig gewesen", stellte Tongrim in einem Ton wie ein Grabesredner fest, ohne auch nur aufzusehen.
Ethan richtete sich auf Levins Schoß ein wenig auf und meinte: „Was hättest du an seiner Stelle gemacht? Er wusste auch nicht, was er war und konnte ja schlecht jedes Mal sagen, dass er es nicht weiß. Und dann würde doch jeder einfach das normalste und wahrscheinlichste annehmen: in diesem Fall dass er ein Ninusi ist." Er dachte dabei schon einmal daran, wie schwierig diese Verhandlungen sein könnten.
„Aber das macht keinen Sinn. Ich habe... Dinge gesehen. Aus seinem Kopf. Und dort war die gleiche Information und nichts, was darauf hinwies, dass er sich unsicher war", bemerkte nun Saka und Ethan warf einen prüfenden Blick hoch zu Levin, dem das ein wenig unangenehm zu sein schien. Allerdings schien es ihn nicht zu verwundern, dass Saka behauptete, in seinem Kopf gewesen zu sein, wobei der schwarzhaarige Tokosu sich nicht einmal vorstellen konnte, wie der andere Tokosu das gemacht haben wollte und wie das möglich war.
„Du konntest nur die Sachen sehen, die ich dir auch gewillt war zu zeigen. Mehr nicht", antwortete Levin kleinlaut und Saka verschränkte die Arme vor der Brust.
„Reizend."
„Wieso schleppst du uns mit auf diese Mission, um das Buch zu suchen? Wenn es doch keinerlei magische Fähigkeiten besitzt, warum suchen wir es dann noch?", fragte nun Tongrim wieder.
„Weil ich es dennoch brauche. Dort stehen Informationen drin. Über allesmögliche und über euch. Deswegen würde ich es gerne wiederhaben. Meine Notizen sind wichtig. Es hat zugegebenermaßen auch einen leicht emotionalen Wert und... außerdem... ist es trotz allem ein Buch voller Zaubersprüche. Malek als Otorokku dürfte die Wichtigkeit des Buches am besten begreifen."
Alle Blicke landeten nun zum ersten Mal auf einer Stelle, nämlich auf Malek, dem es wohl obwohl er es nicht wollte nicht gegönnt war, sich aus allem hier herauszuhalten.
Während er langsam nickte, stimmte er Levin zu: „Solche Bücher haben tatsächlich eine gehörige Bedeutung für Otorokku. Zwar können wir generelle Magie anwenden und das nicht zu wenig, aber für bestimmte Dinge benötigen auch wir Sprüche. Und besonders für Tränke ist ein Buch nicht so unpraktisch. Es würde jedem Otorokku ein wenig mehr Macht verleihen."
„Warum willst du es dann wiederhaben? Du weißt noch nicht einmal was du bist", stellte Saka nicht gerade freundlich klar und Ethan sprang nun auf.
„Aber... Wenn diese Kette keine erkennbare Macht hat... müssen doch die ganzen Dinge, die Levin gemach hat von ihm aus kommen. Der rotleuchtende Pfeil in der einen Stadt oder das Pulver, dass uns unsichtbar gemacht hat... Das war deine wirkliche Magie, nicht wahr? Du bist doch etwas wie ein Otorokku", stellte er dabei leise fest. Zwar war er nicht so leise, dass er garantieren konnte, dass niemand sonst es hörte, aber immer noch recht leise.
„Das ist wohl richtig", gab Levin zu. „Ich dachte trotzdem, ich wäre einfach nur ein Ninusi mit etwas mehr Macht. Und ich glaube kaum, dass ich ein Otorokku sein kann, wenn meine Mutter definitiv kein Otoma war."
„Tengeli?", schlug Malek vor, der Ethans Aussage durchaus gehört hatte und Levin schüttelte erneut den Kopf.
„Auch das nicht. Ich bin mir sehr sicher, dass sie nichts davon war."
„Dein Vater? Was ist er?", fragte Malek weiter und Levin lehnte sich nun plötzlich lächelnd zurück.
„Gute Frage. Ich weiß es nicht. Er war kein sehr sympathischer Mann und ich habe ihn seit Jahren nicht gesehen. Also... werden wir wohl erst einmal nicht dahinterkommen, was ich bin", erklärte er. Ethan bemerkte derweil immer mehr, wie gut er Levin inzwischen lesen konnte. Das Lächeln war unecht. Das bedeutete also, dass er beim Thema seiner Mutter vorsichtig und beinahe deprimiert wurde, seinem Vater gegenüber aber eher eine eindeutige Abneigung empfand...
„Und wir haben eigentlich auch anderes zu tun... Euren Reaktionen nehme ich mal an, dass ihr nicht weiter mit mir reisen möchtet." Er klang bei letzterem relativ ruhig, doch Ethan konnte seinem Blick entnehmen, dass er ziemlich enttäuscht von diesem Umstand war, auch wenn er damit schon gerechnet hatte.
Malek sah mit einem beinahe schon auffordernden Blick zu den anderen, dennoch sagte erst einmal niemand etwas.
„Doch. Ich will nicht mit dem Bewusstsein leben, dass ich dich alleine herumlaufen lassen habe. Du bist eine wandelnde Gefahr für alle um dich herum und vor allem dich selbst. Das kann doch keiner verantworten", sagte Tongrim nun leise und schien beinahe ein wenig zu lächeln, während er aufstand und zu Levin lief, der ihn nur irritiert anblinzelte, so als hätte er alles erwartet, aber nicht diese Antwort.
Ethan stupste ihn vorsichtig mit seiner Katzennase an und sagte leise: „Das ist eine gute Antwort, also sag irgendetwas."
„Ähm... Danke?", stammelte Levin nur in einem fragenden Ton, da er sich nicht ganz so sicher war, ob das das war, was er jetzt sagen sollte und Tongrim sah Ethan einfach nur kopfschüttelnd an.
„Versuch es erst gar nicht. Er ist ein absolut hoffnungsloser Fall", meinte der Hanami leise und der Kater nickte.
„Merke ich schon."
„Und um genau so einen hoffnungslosen Fall kann man sich nicht nur zu zweit kümmern", sagte Lynjara, die nun ebenfalls zu ihnen lief und leicht lächelte.
Levin verschränkte die Arme vor der Brust. „Heißt das, ihr kommt alle nur mit, weil ich ein hoffnungsloser Fall bin und alles um mich herum zerstöre? Ich bin wirklich begeistert von euch", sagte er empört und Lynjara hob eine Augenbraue.
„Sei lieber froh, dass wir überhaupt noch etwas mit dir zu tun haben wollen", stellte sie ruhig klar und Levin nickte langsam.
„Richtig... Und ich bin euch wirklich dankbar dafür." Er sah aber nun an ihnen vorbei in Richtung Saka, der immer noch in seinem Sessel am anderen Ende des Raumes saß und zu Boden sah. „Da habe ich wohl besonders viel kaputt gemacht...", murmelte er leise, während er aufstand und Ethan Tongrim in die Hand drückte, bevor er zu Saka lief.
„Ihr habt ihm einfach so verziehen?", fragte Ethan leise, während er bemerkte, dass Tongrim offenbar keine Ahnung von Katzen hatte und ihn komplett falsch hielt und er immer wieder selbst sich an ihm festklammern musste.
„Verziehen kann man es glaube ich nicht nennen", antwortete Tongrim, dem nun anscheinend auch endlich auffiel, dass er kein Talent mit Katzen hatte und er Ethan schnell auf dem Sessel ablegte. „Aber bloß wegen so etwas werden wir die Freundschaft nicht gleich kündigen. Das einzige, was vielleicht ein wenig darunter leidet, ist unser Vertrauen zu ihm."
Lynjara schmunzelte ein wenig. „Was nicht unbedingt das Stärkste ist durch seine permanenten und unsinnigen Ideen."
Alle beobachteten nun Saka und Levin, die sich leise über etwas zu unterhalten schienen. Wobei, genau genommen beobachtete Ethan Malek, der ganz eindeutig gerade damit beschäftigt war, zu lauschen.
„Woher kennen sich die beiden?", fragte der Kater dann leise, während er versuchte, irgendwie wieder zurück in die menschliche Form zu kommen... schaffte es aber nicht.
Lynjara begann ihn nun ein wenig zu kraulen, während sie antwortete: „Das weiß niemand so genau... Er hatte eines Tages einfach Saka in seinem Haus. Dieser hatte schon immer wahnsinnige Vertrauensprobleme uns gegenüber. Nur zu Levin hatte er Vertrauen, weshalb er das hier vermutlich auch am schlimmsten findet. Ich vermute, dass Saka das Pech hatte, versklavt oder ähnliches zu werden. Nicht unüblich für Tokosu."
„Wunderbar. Warum habe ich nur immer Pech", murrte Ethan genervt, da er ja nun ebenfalls ein Tokosu war. Plötzlich hatte er es doch geschafft und saß nun als Mensch ein wenig schief auf dem Sessel. Wie immer ging sein Griff sofort zu seinem Kopf, doch auch dieses Mal hatte er noch die Katzenohren und auch den Katzenschwanz konnte er spüren. Bisher hatte er es einmal geschafft, für knapp fünf Minuten wieder wie ein normaler Mensch auszusehen und seitdem hoffte er es immer wieder erneut zu schaffen. Aber bisher hatte er damit keinerlei Erfolg.
Levin kam nun wieder zurück von Saka und lief mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck zu Malek.
„Was willst du denn jetzt von mir?", fragte der Otorokku, der die Zeit der Ruhe für ihn offenbar ein wenig zu sehr genossen hatte.
„Mein Freund dort drüben, falls ich ihn so nennen darf, hat zwei Bedingungen gestellt, unter denen er mitkommen würde", begann Levin und die anderen kamen nun neugierig näher.
„Und die wären?" Malek erhob sich nun und sah kurz zu Saka, der aber einen absolut ruhigen Gesichtsausdruck hatte, der gar nichts verriet.
„Bedingung Nummer eins wäre, dass du mitkommst auf diese Reise...", fuhr Levin fort und der Otorokku hob eine Augenbraue.
„Genießt der feine Herr dort hinten etwa meine Gesellschaft, oder will er mich einfach nur ärgern?"
Levin sah ihn missmutig an. „Ich glaube, es hat eher mit seiner zweiten Forderung zu tun. Bedingung Nummer zwei ist, dass ich diese dämliche Haarfrisur behalte."
„Ich soll als dein persönlicher Friseur mitkommen?", fragte Malek ungläubig und alle sahen nun zu Saka, der zum ersten Mal einfach nur zufrieden grinste. Ein beinahe schon teuflischer Gesichtsausdruck.
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Katze, Notizbuch und eine Reise in eine andere Welt
FantasyNormal. So hätte Ethan sein Leben vermutlich beschrieben, hätte er das tun müssen. Seine größten Probleme bisher waren es, ein Geburtstagsgeschenk für seine Freundin zu finden und beim Basketball zu punkten. Das änderte sich jedoch schlagartig mit...