Kapitel 7 - Abendessen und Geschichten

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Neugierig musterte er das Zimmer, was sich eindeutig als Küche entpuppte und fragte: „Kann ich dir vielleicht bei irgendetwas helfen?"
Lächelnd lehnte Lynjara sich an einen der Tische, hob die Hände und sowie sie sie bewegte, begannen sich diverse Utensilien ganz von alleine zu bewegen. Als sie seinen komplett irritierten Gesichtsausdruck sah, konnte sie ein leichtes Lachen nicht verkneifen. „Tut mir leid, aber ich habe lange niemanden mehr getroffen, der wegen so kleinen magischen Sachen so begeistert aussieht", entschuldigte sie sich schnell, während sie fortfuhr und Ethan sich neben sie auf den Tisch setzte, in der Hoffnung, sie hätte da nichts dagegen.
„Was genau bist du eigentlich, wenn ich fragen darf? Irgendeine Zauberin oder so?", fragte er dann neugierig. Zwar hatte er für einen Tag schon viel zu viele neue Begriffe in seinem Kopf herumschwirren weshalb er sich schon so fühlte, als wäre er gerade im Matheunterricht, aber seine Neugier wurde dadurch nicht unbedingt unterdrückt. Wann hatte man immerhin schon mal die Chance, echte Magie zu erleben? 
„Ich kann dir zwar nicht genau sagen, was eine Zauberin sein soll, aber... Ich muss dich da glaube ich leider enttäuschen. Ich bin das, was man hier noch unter einer Ninusi zählen würde. Ganz normal. Die meisten Ninusi können leichtere Haushaltsmagie benutzen. Aber mehr als das hier bekomme ich auch nicht hin", erklärte sie, während sich verschiedenste Gemüse begannen, ganz von alleine zu schneiden. Teile davon kamen Ethan bekannt vor, Teile hatte er aber noch nie zuvor gesehen. Offenbar schien nicht alles ganz so gleich mit ihrer Welt zu sein, wie er gedacht hatte. Wobei dafür schon überraschend viel gleich war. Eigenartig... Er würde Levin, sowie es ihm besser ging, mal drauf ansprechen müssen. 
„Das ist finde ich deutlich beeindruckender, als sich in einen schwarzen Kater verwandeln zu können." Er wurde das Gefühl einfach nicht los, dass er wirklich das schlechteste Los hier gezogen hatte, da er wirklich nichts besonderes konnte. Wobei Saka ja auch noch irgendetwas anderes konnte. Vielleicht käme das ja noch mit der Zeit.
Daraufhin herrschte ein kurzes Schweigen zwischen ihnen, da auch sie nicht direkt zu wissen schien, was sie dazu sagen sollte. Vielleicht wollte sie ihm weder zustimmen, dass es schon praktischer war, noch ihn anlügen.
In dieser Pause dachte Ethan noch einmal darüber nach, was vorhin alles an dem Tisch gesagt wurde. Und sofort schoss ihm noch eine Frage in den Kopf, die zwar nicht unbedingt wichtig war, ihn aber trotzdem noch interessierte. „Kann es sein, dass Saka in Levin verliebt ist?"
Eigentlich erwartete er sich von der Frage nicht sonderlich viel, da er sich selbst nicht unbedingt sicher war. Er hatte es nur eigenartig gefunden, wie der weißhaarige Tokosu sich sofort ganz anders verhielt, sowie Levin anwesend war und ihm sogar half, wo er doch scheinbar nicht gerade von der hilfsbereiten Sorte war... Allerdings war es da zugegeben ein wenig übertrieben, sofort darauf zu schließen, er wäre in Levin verliebt. Doch Lynjara zuckte ein wenig überrascht zusammen und hätte beinahe dadurch alles runterfallen lassen, was durch ihre Magie gerade durch die Gegend schwebte, schaffte es aber noch, sich wieder zusammen zu reißen und rettete es gerade noch so. Dann drehte sie sich mit einem überraschend ernsten Blick zu ihm um. „Wie bist du darauf gekommen?"
Sie verneint es also nicht, war das erste was er mit einem leichten Lächeln dachte und meinte nur: „Es war ja wohl mehr als offensichtlich."
„Bisher ist noch niemand außer mir drauf gekommen. Und ich glaube, Saka ist da auch ganz froh drüber. Ich weiß nicht, wie es mit so etwas bei euch ist, aber bei uns ist das nicht so anerkannt und gern gesehen, wie bei euch vielleicht. Und ich bin sicher, er versucht es so gut wie möglich zu verstecken. Bisher hat es ja auch sehr gut funktioniert", sagte sie leise und Ethan nickte nur leicht. Er hatte mit so etwas schon gerechnet.
„Moment... Niemand außer dir weiß das? Levin hat auch..." Ethan schaffte es nicht, den Satz zu vollenden, da er sich gar nicht erst vorstellen konnte, dass jemand so etwas offensichtliches nicht bemerken konnte. Und besonders Levin, den er eigentlich für eine ziemlich clevere Person gehalten hatte. 
„Was Levin weiß und was nicht kann keiner von wirklich sagen. Wir kennen ihn schon eine Weile, aber so etwas kann keiner von uns sagen", murmelte sie abwesend und fuhr damit fort, das Abendessen zuzubereiten. Dann drehte sie sich aber wieder zu ihm und musterte ihn kurz. „Was ist eigentlich mit deiner Kleidung? Es scheint mir weder sonderlich passend, noch praktisch, angemessen oder angenehm zu sein. Und dir scheint es ja auch nicht sonderlich zu gefallen."
Als sie sein Outfit erwähnte, seufzte er ein wenig und musterte den schwarzen Bademantel. „Nein, ich wollte es auch nicht unbedingt tragen. Nach meiner ersten Verwandlung hier hatte ich das einfach an... Und sonderlich begeistert war ich davon nicht", stimmte er ihr zu. Immerhin fühlte er sich wirklich nicht gerade passend gekleidet für das, was wie er vermutete auch noch vor ihnen lag. Am schlimmsten war es bei ihrem Meeting gerade gewesen, wo er sich sowieso schon komplett fehl am Platz gefühlt hatte. Und mit seinem Outfit dann natürlich erst recht... 
Sie begann nun wieder zu lächeln. „Wie wäre es denn dann, wenn ich dir neue Kleidung machen würde? Schuhe müssten wir dir vermutlich trotzdem noch besorgen, aber... Den Rest könnte ich dir vermutlich machen. Ich bin, wie es der Zufall so will, tatsächlich Schneiderin und meine Magie ist auch eher darauf angelegt. Also wenn du möchtest..."
Sofort nickte er erleichtert. Zwar konnte er sich nicht vorstellen, dass er in diesen mittelalterlichen Klamotten auch nur annähernd gut aussehen würde, aber es war definitiv besser, als weiter im Bademantel herumzulaufen. „Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du das machen würdest."
„Gerne doch. Jeder Freund von Levin ist auch ein Freund von mir", antwortete Lynjara nur wieder leicht lachend. „Und so kann ich wenigstens ein wenig helfen."
Das Abendessen war überraschend entspannend, Ethan fand es beinahe schon lustig. Als es fertig war weckten sie Tongrim, der sich ihnen immer noch sehr müde aber dennoch gut gelaunt anschloss. Zwar kannte Ethan beide nicht sonderlich gut, aber keiner von den beiden schien deswegen auf ihn herabzusehen, was es zum ersten Mal an diesem sehr verwirrenden Tag sehr entspannend machte. Nach dem Essen – Ethan hätte zwar nicht sagen können, was genau es war, aber es war lecker gewesen -, stellte er die Frage, die ihn schon eine Weile beschäftigt hatte.
„Wie genau habt ihr Levin eigentlich kennengelernt?" Zwar hatten alle schon ein paar Andeutungen gemacht, aber er würde trotzdem gerne die ganze Geschichte hören.
Wie er erwartet hatte, begann Tongrim sofort zu lächeln, während er sich zurücklehnte und zu erzählen begann. „Levin kam das erste Mal vor... einigen Jahren hierher. Ich traf ihn wie auch euch heute im Wald. Er war dort wohl auch nicht gerade sanft gelandet. Sein Arm und sein Bein waren gebrochen und er hatte gar keine Ahnung, was vor sich ging. Als ich ihm helfen wollte, warf er sein Buch nach mir und wurde dann bewusstlos. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich nie verstanden, was dieses alberne neue Gesetz sollte, zum Thema, dass jeder, der irgendwie anders war, zum König gebracht werden sollte. Aber zum ersten Mal konnte ich mir darunter vorstellen, was gemeint war. Ich brachte ihn wie auch heute nach Muranuu, doch dieses Mal wurde er davor schon wach und begann, sich gegen mich zu wehren. Beinahe hätte er unser Boot, mit dem wir auf dem Weg über den Fluss waren, zum kentern gebracht. Mayla hat uns zu dem Zeitpunkt gerettet und begann dann auch schon, Levin zu bitten, mit ihr ins Wasser zu kommen. Ich konnte das gerade noch so verhindern. Offenbar hatte er am Ende doch noch mehr vertrauen zu mir, als zu ihr... Er hatte kaum Ahnung von dem, was vor sich ging, aber das erste was er hier machte, nachdem wir in Muranuu angekommen waren, war, mir Geld in die Hand zu drücken, damit ich hier ein Haus für ihn kaufen könnte."
Lynjara begann darüber leicht zu lachen, aber Ethan sah ihn absolut ungläubig an. „Er hat dir, den er absolut nicht kannte, Geld in die Hand gedrückt und dich beauftragt, ein Haus für ihn zu organisieren?", fragte er noch einmal nach, da er nicht glauben konnte, dass sogar jemand wie Levin so etwas machen würde. Und vor allem, dass Levin auch noch passendes Geld für diese Welt hier hatte. 
„Richtig. Und ich war so verwundert, dass ich nicht anders konnte, als genau das zu tun. Zum Glück gab es tatsächlich ein leerstehendes Haus hier, was ich kaufen konnte. Sowie ich das irgendwie geschafft hatte und wir im Haus waren, begann ich ihn zu heilen und wir begannen mit einer Erklärungsrunde, was sein Auftauchen hier und dieses Land anging. Ich riet ihm, lieber hier drinnen zu bleiben oder dahin zurückzukehren, wo er herkam, aber schon am Abend war er verschwunden. Da ich ihm meinen Namen verraten hatte, hatte ich Angst, er würde herumgehen und wenn ihn jemand aufhalten würde, erzählen, er hätte sich mit mir unterhalten. Darum habe ich mich auf die Suche nach ihm gemacht, aber..."
„... er war auf dem Weg zu mir. Bis Tongrim ihn hier gefunden hatte, hatte es eine Weile gedauert", fuhr Lynjara lächelnd fort. „Und ich hatte schon damit begonnen, ihm Kleidung anzufertigen, während er mir erklärte, was bisher passiert war. Ich kannte Tongrim durch Zufall schon und das war auch der einzige Grund, dass ich ihm überhaupt geglaubt habe und nicht einfach gedacht habe, dass er verrückt geworden war."
„Und du hast das gemacht, was du mit jedem machst, den du für halbverrückt hältst: du missbrauchst ihn als Schneiderpuppe", bemerkte der Hanami mit einem belustigten Unterton und Lynjara wurde ein wenig rot.
„Was kann ich denn dafür? Ich habe gerade erst mit dem Schneidern begonnen und er sah nun einmal nicht schlecht aus. Perfekt also, um ein paar Sachen an ihm auszuprobieren. Du weigerst dich immerhin immer, für mich Modell zu stehen, sodass ich ein paar Sachen ausprobieren könnte", verteidigte sie sich und stand nun auf. Sofort begannen die Teller und alles, was sie zum Abendessen benutzt hatte, um sie herum und hinter ihr her zu fliegen, während sie Richtung Küche lief. „Und das reicht für heute. Es ist furchtbar spät und ich würde gerne auch irgendwann schlafen. Ethan, neben Levin dürfte noch Platz im Bett sein. Ich bin kein Haus für Leute auf der Flucht, also kann ich dir nichts anderes anbieten. Und Tongrim... Such dir einfach irgendeinen Platz. In mein Bett lasse ich dich definitiv nicht." Dann verschwand sie in der Küche und Ethan warf Tongrim einen letzten, etwas entschuldigenden Blick zu, bevor er zu Levins Zimmer lief und es möglichst leise betrat.
Seit er ein Tokosu war, hatte er das Gefühl, dass er sich generell einfach leiser bewegen konnte, was ihm in solchen Situationen definitiv zugutekam. Außerdem hatte er noch andere positive Effekte bemerkt. Seine Augen und auch sein Geruchssinn schienen besser geworden zu sein. Vielleicht war doch nicht alles an seinem neuen Tokosu-Dasein schlecht... Nachdem er die Tür hinter sich wieder geschlossen hatte, musterte er das Zimmer kurz. Es war dem Zimmer in Levins Haus überraschend ähnlich, vielleicht mit der Ausnahme, dass das Bett hier deutlich größer war. Und in ihm lag Levin, offenbar tief schlafend und er nahm trotz seiner nicht gerade großen Körpergröße beinahe das gesamte Bett ein.
Leise seufzte er, bevor er nähertrat und damit begann, ihn möglichst leise und vorsichtig zur Seite zu schieben. „Rück doch bitte einfach ein Stück", murmelt er kaum hörbar, doch erstaunlicherweise hörte Levin auf ihn und rückte an den einen Rand des Bettes.
„Werde doch einfach wieder zur Katze", lautete dabei die Leise und nicht gerade nette Antwort des anderen, bevor er wieder einschlief und Ethan schüttelte lächelnd den Kopf.
„Kater. Es heißt Kater", murmelte er, während er sich neben ihn in das Bett legte und an die Decke starrte. Das einzige Licht in diesem Raum kam durch eines der Fenster. Vermutlich war es der Mond, Straßenlaternen würde es hier wohl kaum geben.
Wieder nutzte er die kleine Pause hier, um in seinem Kopf zu versuchen, Ordnung zu schaffen. Außerdem fühlte er sich überhaupt nicht müde. In seinem Kopf schwirrten die ganzen neuen Begriffe durch die Gegend, sowie die Erinnerungen, an das, was heute alles passiert war. Vor zwei Tagen war sein einziges Problem noch gewesen, was er seiner Freundin zum Geburtstag schenken sollte und jetzt... Konnte er sich unkontrolliert in einen Kater verwandeln, war in einer ihm komplett fremden Welt in einem Bett neben einem Kerl, den er überhaupt nicht kannte und eigentlich überhaupt nicht hatte leiden können. Nie hatte er damit gerechnet, dass seine Vorliebe dafür, Leute zu ärgern, in so einem Chaos enden würde und sein Leben komplett auf den Kopf stellen konnte. Aber mit Levin wurde ihm das eindeutig bewiesen. Sein Leben war nun wirklich durcheinander geraten. Und noch war er sich nicht sicher, ob ihm diese Veränderung gefiel, oder nicht... 

Katze, Notizbuch und eine Reise in eine andere WeltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt