Inzwischen war Ethan der Meinung, dass er sich daran gewöhnt hatte, nur noch in ungewöhnlichen Situationen aufzuwachen und komplett verwirrt zu sein. Immerhin war er inzwischen schon auf dem Fußboden des Klassenzimmers als schwarzer Kater aufgewacht und auch im Bett eines ihm eigentlich verhasst gewesenen Klassenkameraden. Aber auch in dieser Nacht musste er feststellen, dass er sich wohl noch nicht an alle möglichen Szenarien gewöhnt hatte.
Dieses Mal wurde er durch einige seltsame Geräusche und das Zappeln seiner Matratze wach. Nein... Nicht seine Matratze bewegte sich. Er lag ja auch gar nicht auf einer Matratze, sondern auf Levin. Irritiert sah er sich um und sah einen schwarzen Schatten, der gerade dabei war, etwas zu tun, was verdächtig nach Levin erwürgen aussah. Sofort sprang er auf und begann aus Reflex zu fauchen. Eigentlich wirkte dies nicht wirklich bedrohlich, erstrecht nicht auf einen Menschen oder was immer das war. Allerdings konnte es den schwarzen Schatten wenigstens soweit überraschen, dass er von Levin zurückzuckte und in Richtung Fenster rannte. Daraufhin hörte Ethan nur noch ein Klirren, bevor der Schatten verschwunden war. Aber darauf achtete er schon gar nicht mehr, sondern sprang von Levin hinunter und lief auf dem Bett zu dessen Gesicht, während er erleichtert sah, dass er offenbar noch am Leben war und gerade dabei war, keuchend und hustend Luft zu holen.
Aus dem Nebenzimmer hörte er nun Schritte und dann klopfte es schon an der Tür. „Was treibt ihr Jungs schon wieder?!", rief Lynjara, die offenbar die Person war, die an der Tür hämmerte.
„Levin war gerade beschäftigt, sich töten zu lassen, der Rest schläft!", antwortete Ethan ein wenig gereizt, während er vom Bett sprang und erleichtert bemerkte, dass er sich wieder zurückverwandelt hatte und so die Tür schnell aufschließen konnte. Wenigstens in Notsituationen funktionierte seine Verwandlung offenbar... Vor ihm in der Tür stand Lynjara in einem Nachthemd, die an ihm vorbei sofort in das Zimmer stürmte, wo Levin gerade damit beschäftigt war, sich immer noch nach Luft schnappend aufzurichten. Saka war inzwischen von ihm heruntergerollt und hatte sich deutlich verschlafen aussehend aufgerichtet, Tongrim hingegen schlief immer noch.
„Vier Leute. Vier Leute in einem Zimmer und trotzdem schafft es jemand, einen von euch beinahe zu erwürgen", sagte Lynjara ungläubig, während er nicht gerade sanft eine naheliegende Tasche nahm und sie nach Tongrim warf, bevor sie zu Levin eilte und sich neben das Bett kniete.
„... Kette...", keuchte er und deutete auf seinen Hals, wo normalerweise die Kette hing. Dort konnte man nun die Stellen sehen, an denen die Gestalt ihn gewürgt hatte, die Kette an sich war aber weg. Ein Umstand, der Levin wahnsinnig panisch zu machen schien.
„Was genau ist hier denn los...?", fragte Saka irritiert, während Tongrim sich nur schnarchend einmal umdrehte.
„Du bist eine wunderbare Wachkatze, die nicht einmal bemerkt, wenn der eigentlich bewachte getötet werden soll", beschwerte sich Lynjara, die versuchte, Levin zu beruhigen, damit dieser irgendwie wieder zu Atem kommen konnte.
Ethan, der kurz einfach nur absolut verwirrt daneben gestanden hatte, begann nun damit, Tongrim wachzurütteln, da dieser absolut nicht aufwachen wollte.
„... Was ist euer Problem...? Ich schlafe", murmelte dieser nur und Ethan verdrehte die Augen.
„Unser Problem ist ein Einbrecher, Dieb und beinahe Mörder. Ich würde sagen, dass ist auch dein Problem."
Fünf Minuten später waren endlich alle wach. Lynjara und Ethan saßen mit auf Tongrims Bett, der immer noch ein wenig verschlafen aussah. Saka saß, inzwischen auch menschlich und ein wenig verlegen aussehend neben Levin, der inzwischen halbwegs ruhig wieder atmete, wobei sein Griff immer wieder zu seinem Hals ging, so als hätte er Angst, dass er gleich wieder gewürgt würde... Oder er vermisste lediglich seine Kette. Beides könnte durchaus der Fall sein.
„Levin, hast du gesehen, was es war? Ich kann nur dich und Ethan fragen, der Rest hat ja alles verschlafen", fragte Lynjara nun und warf einen Blick zu dem zerstörten Fenster, durch das der Einbrecher geflohen war.
„Ich habe lediglich eine schwarze Gestalt gesehen. Sah aus wie ein Schatten", antwortete Ethan schnell, da es sich gut anfühlte, ausnahmsweise einmal zum hilfreichen Teil dieser Gruppe hier zu gehören.
„Eine Art Yurika oder Otoma?", fragte Saka leise, der damit begonnen hatte, mit der Bettdecke zu spielen und immer noch nicht aufsah. Ethan wurde trotzdem das Gefühl nicht los, dass er diesen Kommentar lediglich gemacht hatte, um Ethans Gefühl des Triumphes zu zerstören, da er einen neuen Begriff nicht kannte.
Levin sah aber nun zu ihm, während er den Kopf schüttelte. „Das Ding hat mich angefasst und das Fenster zerstört, was wir garantiert später noch bezahlen müssen... Das Ding hat einen Körper, also nicht nur eine Schattengestalt", widersprach er leise, bevor er sich ein wenig räusperte. „Irgendetwas in dieser Welt hat es auf meine Lungen abgesehen... Kaputte Rippen, erwürgen... Ich mag meine Lungen eigentlich so wie sie sind...", murmelte er vor sich hin.
„Ich hoffe zwar, dass das alles nur ein böser Traum ist, aber was genau machen wir jetzt? Wer auch immer hat deine Kette, mit der wir das Buch finden wollten. Und die Kette ist der einzige Weg, die Portale zu öffnen. Wir brauchen also..."
„... einen neuen Plan", vervollständigte Levin Tongrims Satz nickend und lehnte sich zurück. „Einen komplett neuen Plan. Und wir starten damit, denjenigen zu jagen, der meine verdammte Kette hat. Das ist meine Kette, ich will sie wiederhaben. Ich brauche sie wieder. Wenn wir sie haben, können wir zu dem ursprünglichen Plan zurückkommen." Nachdem er fertig war, stand er auf und suchte nach seinen Schuhen.
„Alle Mann... und Frau, bitte anziehen. Wir werden gehen. Und ich werde nicht für dieses Fenster bezahlen."
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Katze, Notizbuch und eine Reise in eine andere Welt
FantasyNormal. So hätte Ethan sein Leben vermutlich beschrieben, hätte er das tun müssen. Seine größten Probleme bisher waren es, ein Geburtstagsgeschenk für seine Freundin zu finden und beim Basketball zu punkten. Das änderte sich jedoch schlagartig mit...