„Du bist auch ein Tokosu, stimmts?", fragte Lynjara plötzlich, nachdem sie Ethan eine Weile gemustert hatte und setzte sich auf einen Stuhl, bevor sie ihn musterte.
Ethan nickte ein wenig. „Aber erst seit kurzem... Ich bin nicht wirklich von hier und nur aus Versehen einer geworden. Deshalb kann ich auch nicht wirklich gut damit umgehen und weiß nicht einmal, wie ich mich wieder aus meiner Katzenform zurück verwandele." Man konnte ihm anhören, wie genervt er darüber war, da er schon beinahe erwartete, dass sie deshalb über ihn lachen würde, aber sie seufzte nur ein wenig.
„Levins Schuld, nicht wahr? Er hat ein Talent dafür, Schwierigkeiten zu bereiten. Meistens aber eher sich selbst, wie auch jetzt offenbar schon wieder. Wenn er wieder auf den Beinen ist, wird er dir garantiert dabei helfen. Er kennt sich mit so etwas ganz gut aus", antwortete sie mit einem beinahe schon beruhigenden Lächeln.
Bevor Ethan aber antworten konnte, dass er trotzdem nicht gerade begeistert von allem war und am liebsten wieder ein ganz normaler Mensch wäre, spürte er ein ihm nun etwas bekannteres Ziehen in allen seiner Muskeln, bevor er sich plötzlich wieder in seine andere Form zurück verwandelte und nun wieder im schwarzen Bademantel auf dem Tisch lag.
Lynjara hob nur eine Augenbraue und musterte ihn fragend. „Das ging doch schneller, als wir es erwartet hatten. Würdest du aber wieder die Freundlichkeit besitzen, von meinem Tisch runter zu kommen? Das gibt doch ein zu seltsames Bild hier ab", sagte sie lächelnd und während Ethan nun leicht rot wurde und schnellstmöglich von dem Tisch runterkletterte, fügte sie noch fragend hinzu: „Wie heißt du eigentlich? Wenn du auch aus dieser anderen Welt kommst, dürfte auch dein Name für uns hier sehr ungewöhnlich klingen."
„Ethan", antwortete er und setzte sich auf die Bank, während er seinen Bademantel ein wenig richtete.
„Freut mich dich kennen zu lernen. Man trifft ja immerhin nicht alle Tage jemanden von einer anderen Welt... Wobei ich ja schon häufiger nun mit jemandem Kontakt hatte."
Zum ersten Mal hatte Ethan das Gefühl, wirklich willkommen irgendwo zu sein und nicht dafür verurteilt zu werden, dass er nicht über alles bescheid wusste. Es dauerte nicht allzu lange, da öffnete sich die Tür zum Nebenzimmer wieder und der weiße Kater kam wieder heraus.
„Saka, wie geht es Levin?", fragte Lynjara sofort und auch Ethan sah nun fragend zu ihm, nur um zu beobachten, wie sich der weiße Kater mitten im Gehen in einen jungen Mann mit weißen Haaren verwandelte, der, sehr zu Ethans Unmut, keinerlei Katzenohren oder Katzenschwanz hatte, sondern wie ein ganz normaler Mensch aussah. Und irgendwie wurde er das Gefühl nicht los, dass dieser Saka oder wie er hieß das absichtlich getan hatte, um ihn zu ärgern.
„Man könnte sagen, es geht ihnen den Umständen entsprechend. Seine Rippen sind durch die Flucht nicht unbedingt besser geworden", antwortete der andere Tokosu schlicht und setzte sich neben Lynjara, während er Ethan mit einem kühlen Blick musterte. Auch in dieser Form war er deutlich kleiner als Ethan, was ihn ein wenig freute. So hatte er zumindest nicht ganz das Gefühl, gegen ihn zu verlieren.
„Und du bist also der Tokosu, der es nicht von alleine schafft, sich zu verwandeln", stellte er dann fest und der Schwarzhaarige sah ein wenig überrascht aus, jedes Zeichen von Triumph nun aus seinem Gesicht verschwunden.
„Hat Levin dir das erzählt?", fragte er ein wenig genervt nach und der andere schüttelte den Kopf.
„Musste er nicht. Das kann ich auch alleine herausfinden."
Noch bevor Ethan nachfragen konnte, was genau der andere damit meinte, öffnete sich die Tür erneut und Tongrim kam heraus, sehr erschöpft aussehend, aber zumindest ein wenig erleichtert.
„Er schläft jetzt in Ruhe. Es wird zwar noch dauern, bis es ihm wirklich gut geht, aber... Er wird sich jetzt langsam erholen können", erklärte er auf die fragenden Blicke der anderen hin, während er sich zu ihnen an den Tisch setzte.
„Ich denke, jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, mal eine kleine Erklärungsrunde zu starten. Ich glaube zwar, dass es besser wäre, wenn Levin daran teilnehmen könnte, wo er doch die Ursache an allem ist, aber das ist momentan nicht möglich. Und ich denke mit der Hilfe von allen hier werden wir uns schon einen Reim auf alles machen können", begann Lynjara und sah in die Runde. „Und da ich die einzige bin, die von nichts hier eine Ahnung hat und auch mit nichts zu tun hat, würde ich sagen, ihr fangt an", fügte sie noch hinzu.
„Ich glaube kaum, dass du die einzige Person bist, die von nichts eine Ahnung hat. Er hat genauso wenig Ahnung, soweit ich das einschätzen kann", bemerkte Saka kalt und deutete dabei auf Ethan, der sich empört vorlehnte.
„Ach ja? Woher genau willst du das wissen?", fragte er genervt und begann dafür ein nicht gerade freundliches Lächeln von Saka als Antwort, bei dem man dessen ziemlich spitze Eckzähne sehen konnte. Kurz war Ethan davon komplett abgelenkt, da er sich sofort fragte, ob das auch mit dem Katzendasein kommen würde und ob er die auch noch bekommen würde, dann aber war er von dem was der andere sagte abgelenkt.
„Ich weiß ziemlich viel von dem, was bisher hier passiert ist. Und du stellst dauernd unsinnige und unnötige Fragen. Zumindest wenn du dich auskennen würdest, würdest du diese Fragen nicht stellen."
„Woher weißt du all das?"
Statt Saka selbst, antwortete nun Lynjara: „Das ist eine gute Frage. Er hat eine ganz eigene Methode, hinter manche Dinge zu kommen. Du wirst es vermutlich nicht herausfinden, aber er weiß viel über uns. Und bevor wir euch jetzt weiter dabei zusehen, wie ihr euch streitet, fangt doch bitte damit an, was ihr hier macht." Sie schien wirklich die einzige vernünftige zu sein, wenn man von Tongrim absah, der so aussah, als würde er vor Erschöpfung gleich einschlafen.
„In Ordnung. Ich fürchte, ich werde Anfangen müssen", meinte Ethan betont ruhig und begann dann von ihrer Landung hier zu erzählen, wobei er schon nach wenigen Sekunden nicht gerade freundlich von Saka unterbrochen.
„Warum genau seid ihr überhaupt hier? Es ist ja nicht so, als würde Levin einfach mal so aus Freundlichkeit vorbeischauen." Überraschenderweise meinte er von beinahe etwas wie Verletztheit in dessen Stimme zu hören, wobei er sich auch nicht vorstellen konnte, warum das so war.
„Na ja... Das ist schwierig zu erklären, da ihr so etwas wie eine Schule hier sicher nicht habt. Aber alles fing damit an, dass er mich in einen Tokosu verwandelt hat und mich ohne sein Buch nicht zurück verwandeln kann", begann er, wurde aber schon wieder unterbrochen.
„Er hat sein Buch nicht mehr?!", fragten nun Tongrim, Saka und Lynjara entsetzt und sahen Ethan bestürzt an.
„Nein, er hat es... verloren", antwortete er nickend. Er hatte mit so einer heftigen Reaktion bei einem leeren Notizbuch nicht gerechnet und jetzt hatte er nicht im Geringsten mehr vor, zu erwähnen, dass er eventuell daran schuld war.
„Wie verloren? Ist es wirklich weg? Also wirklich weg weg?", fragte Tongrim, der nun auf einmal hellwach zu sein schien.
„Es ist zumindest so weg, dass wir Probleme haben werden, es wiederzufinden", stimmte ihnen Levin zu.
Saka lehnte sich ein wenig zurück und bemerkte schlicht: „Du kannst wirklich nicht einfach still in deinem Bett bleiben und auf deine Gesundheit achten, nicht wahr?" Dennoch stand er auf und stützte Levin ein wenig auf seinem Weg zum Tisch, wo er sich neben Ethan setzte und leicht das Gesicht verzog, während er sich zurücklehnte.
„Keine Sorge, ich werde mich ein wenig bewegen können... Und das Meeting hier wäre doch ohne den Hauptakteur langweilig", antwortete er und bedankte sich mit einem leichten Lächeln bei Saka, der auf einmal wie ausgewechselt wirkte, als er sich wieder zurück auf seinen Platz setzte.
Lynjara sagte nun: „Zurück zum Punkt: was genau ist mit deinem Buch passiert?"
„Es ist in unserer Welt wohl unglücklicherweise durch ein Portal gefallen... Liegt also irgendwo hier in dieser Welt. Und wo genau kann ich nicht sagen."
„Oh großartig. Das heißt also, so ziemlich jeder hier kann dein Buch haben und es im Zweifelsfall auch benutzen?" Tongrim wirkte nun zum ersten Mal nicht nur besorgt, sondern beinahe schon genervt, was Ethan darin, dass er bloß nicht erwähnen wollte, er seie daran schuld, nur noch mehr bestärkte. Aber immerhin bekam er jetzt endlich die Chance, auch zu erfahren, was genau eigentlich passiert war.
„Ich wusste auch nicht genau, wo es gelandet ist. Ich habe es erst später bemerkt, als wir danach gesucht haben. Und das konnte ich nicht sofort machen, da wir zuerst das Problem hatten, dass ich Ethan in einen Tokosu verwandelt habe, dann kamen uns einige Ninusi in den Weg und dann kam die Sache mit dem Otoma....", fuhr Levin fort, wurde aber sofort wieder unterbrochen, dieses Mal von Saka.
„Ein Otoma ist in eurer Welt? Einfach so? Und du hast nichts dagegen gemacht?"
„Er ist im Moment in jemandem drinnen und ohne das Buch kann ich mich nicht darum kümmern." Levin schien nun deutlich genervter davon, dass er ständig unterbrochen wurde, aber als Ethan zu ihm sah, sah er etwas ganz anderes. Seine Hände zitterten ein wenig und er konnte sich auch gut vorstellen, warum. Die Blicke seiner Freunde waren wirklich ernst und keiner schien auch nur das Geringste zu verstehen, was wirklich passiert war. Wie denn auch, wo doch keiner wusste, dass Levin nicht einmal schuld war...
„Kurze Zwischenfrage, was ist ein Otoma?", fragte er dann spontan aber extra leise, in der Hoffnung, dass niemand außer Levin seine Frage gehört hatte. Da er ja dabei gewesen war, als alles passiert war, konnte er sich schon denken, dass Ninusi ein Ausdruck für normale Menschen war, aber was genau ein Otoma war, war ihm ein Rätsel.
Seine Hoffnung, dass außer Levin niemand etwas gehört hatte, wurde ihm aber sehr schnell durch Saka zerstört, der nur leise sagte: „Unnötige Fragen, ich habe es doch gesagt..."
Aber dieses Mal war es Ethan egal, dass ihn alle für dumm hielten, während Levin ihm erklärte: „Einen Otoma würden wir als eine Art Dämon bezeichnen. Es ist die allgemeine Bezeichnung für allerlei Dämonen, wobei es einen Haufen unterschiedlicher gibt. Aber dir jetzt jede einzelne Unterart mit Namen und Eigenschaften zu erklären würde zu lange dauern." Ethans Frage hatte genau das Erreicht, was er ungewollt als Ziel im Kopf gehabt hatte: Levins Hände zitterten nicht mehr und er lächelte sogar ein klein wenig, ganz so, als hätte es ihn beruhigt über etwas zu reden, was er verstand und was nicht so ein riesiges Problem werden würde.
„Könntest du sowieso nicht, denn du hast dein Buch nicht. Und da würde alles drinstehen", riss der Weißhaarige sie nun nicht gerade sanft wieder in die Realität und der andere Tokosu widerstand nur mühevoll dem Drang, ihn zu erwürgen.
Sofort nickte Levin wieder angespannt, und schien noch etwas erklären zu wollen, aber dieses Mal wurde er sofort von Lynjara unterbrochen.
„Ich denke das reicht für heute. Wir können das alles auch morgen noch klären. Immerhin kann Levin das Haus sowieso für ein paar Tage nicht verlassen... Jemand Lust auf Abendessen?" Sie warf Ethan einen Blick zu und nickte kurz, wie um zu sagen, dass auch ihr aufgefallen war, wie es Levin gerade ging und dass sie dringend mit dem Thema gerade aufhören sollten.
Levin richtete sich ein klein wenig auf und wie auf ein stilles Kommando sprang Saka sofort auf und half ihm auf und stützte ihn wieder vorsichtig zurück in das Zimmer, was er offenbar hier bezogen hatte. Kurz herrschte in dem Zimmer absolutes Schweigen, mit Ausnahme von Tongrim, der sich zurückgelehnt hatte und leise vor sich hin schnarchte. Anscheinend hatte ihn das ganze Heilen von Levin um einiges mehr entkräftet, als Ethan gedacht hatte. Nach einigen Minuten kam Saka wieder aus dem Zimmer und schloss leise die Tür.
„Er ist sofort eingeschlafen. Und das ist wohl auch für mich das Zeichen nun zu gehen", sagte er nur und öffnete eines der Fenster. So elegant wie man es nur von einem Kater erwarten konnte sprang er nun auf das Fensterbrett, verwandelte sich dabei wieder in den weißen Kater und verschwand, ohne ein weiteres Wort zu sagen.
Lynjara stand nun auf und deutete in ein anderes der Nebenzimmer. „Möchtest du mitkommen, während ich koche? Dann können wir uns in Ruhe unterhalten, ohne dass wir uns Sorgen darüber machen müssen, irgendwen hier zu wecken", schlug sie dabei vor und er nickte nur als Antwort, bevor er ihr folgte.
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Katze, Notizbuch und eine Reise in eine andere Welt
FantasiNormal. So hätte Ethan sein Leben vermutlich beschrieben, hätte er das tun müssen. Seine größten Probleme bisher waren es, ein Geburtstagsgeschenk für seine Freundin zu finden und beim Basketball zu punkten. Das änderte sich jedoch schlagartig mit...