„Polizei?", fragte Ethan irritiert, während er nun Levins Beispiel folgte und ebenfalls aufstand. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Saka einmal winkte, sich wieder in einen Kater verwandelte und so schnell es ging aus einem Fenster flüchtete.
„Was ist ein Polizei?", fragte Lynjara nun, Levin schien aber keine sonderliche Lust zu haben, das jetzt zu erklären, sondern antwortete viel lieber Ethan.
„Das gleiche nur anders. Die Wachen des Palastes. Vermutlich hat jemand aus Muranuu inzwischen den nächsten Adligen hier erreicht und bescheid gesagt, dass zwei seltsame Gestalten hier angekommen sind. Falls du das vergessen solltest: das sind wir beide. Und deshalb kommst du jetzt sofort mit." Während er sprach war er schon in Richtung ihres Zimmers gelaufen und Ethan folgte ihm schnell. „Ach, Tongrim... Es wäre angebracht, ein wenig mehr so zu wirken, als wärst du in einer echten Beziehung zu Lynjara. Himmel sie am besten noch mehr an, als du ohnehin schon tust", fügte Levin noch hinzu, bevor er Ethan ins Zimmer zog und die Tür hinter ihnen schloss. Kurz davor hatte er noch einen Blick auf den Grünhaarigen werfen können, der scheinbar ein wenig rot geworden war und gleichzeitig beleidigt in ihre Richtung gesehen hatte. Dann war die Tür zu und Ethan konnte nur noch gedämpft Lynjara hören, die rief, dass sie zur Tür kommen würde, aber das schien Levin nicht im Geringsten mehr zu interessieren. Er riss nun die Tür zu ihrem Kleiderschrank auf und bedeutete Ethan, hineinzugehen.
„Nach dir."
„Was sollen wir im Kleiderschrank? Ich nehme an, dass wir da nicht wie in Die Chroniken von Narnia einfach verschwinden und in noch einer anderen Welt landen können", fragte Ethan leise und irritiert, während er hörte, wie die Haustür geöffnet wurde. Zum ersten Mal bemerkte er, wie gut seine Sinne inzwischen waren. Vielleicht hatte das Training doch etwas gebracht...
„Nein, Narnia ist nur eine Fantasywelt. Also eine, die nicht auch in Wirklichkeit existiert. Und wir werden auch nicht mehr lange existieren wenn du nicht in diesen Schrank kletterst."
Mit einem genervten Seufzer kletterte Ethan in den Schrank, bevor Levin ein wenig steif ihm hinterher folgte und die Türen schloss, sodass es sofort komplett dunkel wurde.
„Was machen wir jetzt?", fragte Ethan kaum hörbar, aber er wusste, dass Levin ihn garantiert hören konnte, so nah wie sie einander in diesem Schrank gerade waren.
„Wir warten, bis die beiden die Wachen abgewimmelt haben. Und das dauert hoffentlich nicht so lange. Es gefällt mir nicht unbedingt, mit dir in diesem Schrank eingesperrt zu sein", antwortete der andere genauso leise und Ethan verdrehte daraufhin die Augen, wobei er wusste, dass der andere das sowieso nicht sehen konnte.
„Oh, wie schade. Ich liebe es nämlich, mit dir in einem Kleiderschrank zu sein und zu diskutieren."
„Und ich liebe es, wenn du die Klappe hältst und uns nicht verrätst, dass wir in diesem Schrank sind", zischte der andere leise, als sie hörten, wie dir Tür zu diesem Zimmer aufging und beide augenblicklich komplett still blieben.
„Wofür ist dieses Zimmer?", fragte eine eindeutig männliche Stimme, die nicht sonderlich nett klang. Dafür konnte man der Stimme anhören, dass der Sprecher es gewohnt war, oft Befehle zu geben. Levin hatte also recht behalten und es war wirklich ein Wachmann gekommen.
„Ich bekomme recht häufig Besuch. Ich bin Schneiderin und gerade bei aufwendigen Wünschen kann es sein, dass ich entweder Helfer benötige, oder auch der Kund selbst bleiben muss, um die Wünsche mit mir zu besprechen. Außerdem habt Ihr meinen Gast doch gerade getroffen. Ich hoffe, Ihr erwartet nicht, dass ich mit jedem Besuch in einem Bett schlafe", antwortete Lynjara und Ethan meinte zu spüren, dass Levin neben ihm lautlos versuchte zu lachen. Ethan selbst war eher damit abgelenkt, sich über den förmlichen Ton von Lynjara zu wundern. Nicht, warum sie diesen verwandte. Vermutlich waren die Wachen hier doch ein wenig wichtiger, als gewöhnliche Polizisten. Er war eher verblüfft darüber, wie sie es schaffte, diesen aufrecht zu erhalten, wenn der Wachmann genau das Gegenteil tat und Lynjara eher mit Verachtung gegenübertrat.
„Nein, das erwarte ich von einer Lady natürlich nicht. Allerdings erwarte ich von einer Lady auch nicht, dass sie ständig männlichen Besuch hat, wie zum Beispiel diesen grünhaarigen Wicht. Es wird vermutet, er hätte Kontakt zu den beiden gehabt, die eigentlich ausgeliefert werden müssten... Und du hast wirklich keine Ahnung, wo sich diese beiden befinden?"
Kurz herrschte nun ein komplettes Schweigen, bevor Lynjara leicht lachte. „Und Ihr denkt wirklich, ich würde Euch so etwas verheimlichen? Auf Verrat steht Gefängnisstrafe. Jedes Kind weiß das", bemerkte sie dann nach ihrem Lachen.
„Richtig. Ich hoffe, dass du das nicht vergisst." Kurz hörte Ethan Schritte und dachte schon, sie würden wieder gehen, aber Levin drückte sich plötzlich an ihn.
„Luft anhalten und nicht bewegen", hauchte er ihm ins Ohr und noch bevor Tokosu noch etwas einwenden konnte, sah er, was genau passierte. Die Tür zum Schrank wurde auf einmal geöffnet und Ethan hielt sofort still. Durch das Licht konnte er nun sehen, wie Levin eine Hand an seiner Kette hatte.
„Nicht bewegen, nicht atmen, nicht reden", flüsterte Levin nun direkt in Ethans Ohr, während dieser einfach nur still dastand. Jetzt konnte er diesen Mann von der Wache wirklich ganz genau sehen... Und er sah verblüffend genauso aus, wie er sich einen Mann von einer Wache in dessen Rüstung vorgestellt hatte. Diese Welt hier erfüllte wohl auch jegliches Fantasy-Klischee. Und genau dieser Mann von der Wache starrte mitten in sein Gesicht, ohne ihn scheinbar zu sehen.
„Ist etwas interessantes in dem Schrank? Mein Besuch hatte eigentlich nichts bei sich. Wenn Ihr da also etwas finden solltet, würde ich es gerne haben", sagte Lynjara nun, nicht im Geringsten angespannt. Sie wirkte wie die Ruhe selbst, auch wenn sie eigentlich ganz genau wissen sollte, dass Ethan und Levin sich genau in diesem Schrank befanden.
„Nein, offenbar hatte er wirklich nichts dabei", stimmte die Wache ihr schließlich zu, nachdem sie Ethan eine Weile genau ins Gesicht gestarrt hatte und schloss dann die Schranktür, bevor beide das Zimmer verließen und die Tür hinter sich schlossen.
Erleichtert atmete Ethan aus, wobei er sich zuvor nicht einmal sicher gewesen war, ob er den Atem auch wirklich angehalten hatte.
„Warum... Wie kann er uns nicht gesehen haben? Oder war er auch nur einer deiner Freunde?", fragte Ethan sofort neugierig und drückte Levin ein wenig von sich weg. Dieser lächelte nun schief und schüttelte den Kopf.
„Wenn ich solche Freunde habe, dann habe ich sie wohl vergessen. Aber glaubst du wirklich, dass du der einzige hier bist, der irgendetwas besonderes kann?"
Levin öffnete die Tür vom Schrank wieder und stolperte mehr oder weniger elegant heraus, bevor er sich wieder in das Bett legte.
„Nein, eigentlich habe ich das nicht gedacht. Eher im Gegenteil. Ich frage mich die ganze Zeit schon, was zum Teufel du eigentlich bist", stellte Ethan klar, der nun auch aus dem Schrank kam. „Ich bezweifle ja, dass du auch ein Tokosu bist... Oder du hast dich wahnsinnig gut unter Kontrolle und kannst dazu auch noch ganz offenbar zaubern."
Levin lachte ein wenig. „Nein, die Kette verwandelt nicht alles und jeden in einen Tokosu. Ich bin definitiv keiner", antwortete er nur und Ethan trat unzufrieden näher.
„Und was bist du dann?"
Das Lächeln des anderen wurde noch breiter, auch wenn der Schwarzhaarige das Gefühl hatte, dass die Augen des anderen derweil ein wenig düsterer und trauriger wurden. „Das, ist eine verdammt gute Frage."
Kurz erwartete Ethan noch auf eine weitere Ausführung des Kleineren dazu, allerdings ahnte er schon, dass nichts weiteres kommen würde. Deshalb setzte er sich nur leise seufzend neben Levin auf das Bett. „Gut, wenn du so ein großes Mysterium daraus machen möchtest, dann stelle ich dir eben eine andere Frage. Warum genau... wirkt Kyasalim unserer Welt so ähnlich? Bis auf die einigen Begriffe, die anders sind oder ein paar der Pflanzen und die Magie natürlich sieht alles aus, wie eine mittelalterliche Version von unserer Welt. Wenn es wirklich eine Fantasywelt gäbe, hatte ich immer gedacht sie wäre komplett anders."
Leicht nickend lehnte Levin sich in die Kissen zurück, sah aber weiterhin zu Ethan hoch. „Ich verstehe was du meinst. Das hatte ich um ehrlich zu sein auch erwartet. Aber warum alles hier so ähnlich ist, kann ich dir nicht beantworten. Am meisten hat mich die Tatsache schockiert, dass wir dieselbe Sprache sprechen. Ich meine... seit wann spricht man in Fantasywelten Englisch?"
Ethan zuckte darüber nur mit den Schultern, bevor er zugab: „Ich bin bisher nicht gerade ein Freund von Fantasygeschichten gewesen. Ich kenne ein paar wenige Filme, wie Narnia oder so, weil damalige Freundinnen die Filme mit mir sehen wollten, aber ansonsten bin ich nicht gerade der Profi, was das angeht. Und in den Filmen sprechen sie immer Englisch."
Schon während er noch sprach, war ihm aufgefallen, wie der andere ein wenig das Gesicht verzog. Weshalb genau, verstand Ethan nicht so genau. Vermutlich lag es an seinem scheinbar fehlenden Interesse an dem Fantasykram. „Natürlich... Wie konnte ich auch erwarten, dass du dich mit so etwas besser auskennst, als durch die wenigen Filme, die du mit Freundinnen geschaut hast. Aber es ist auch nicht so wichtig. In den großen Klassikern wird nicht unbedingt immer Englisch gesprochen. Herr der Ringe ist zwar in Englisch geschrieben, aber dort wurden wenigstens auch andere Sprachen bedacht. Allerdings ist es wirklich schwierig, ein Buch in einer ausgedachten Sprache zu schreiben, oder gar einen Film darin zu drehen. Unser Wissen von Fantasywelten ist also nicht gerade hilfreich. Vielleicht ist Englisch eben nicht nur eine Weltsprache, sondern eine Weltensprache?"
Für einen kurzen Moment sahen die beiden einander an, bevor beide sich ein leichtes Lachen über den schlechten Wortwitz nicht verkneifen konnten.
„Du bist wirklich ein Idiot", stellte Ethan leicht lachend fest, bevor er sich schnell ein wnig zusammenriss und aufstand. „Und ich sollte dich lieber schlafen lassen. Wenn du morgen nicht einsatzbereit bist, werden wir einen weiteren Tag hier mit Training verbringen müssen. Und darauf habe ich ehrlichgesagt gar keine Lust."
Levin nickte, während er sich mehr in die Bettdecke kuschelte. „Guter Einwand. Das Training schien sowieso nicht viel zu bringen. Dann können wir uns morgen genauso gut auch auf den Weg machen. Ich arbeite daran, morgen wieder einsatzbereit zu sein." Dann schloss er die Augen und noch bevor Ethan das Zimmer verlassen konnte, hörte er Levins ruhigen Atem. Dieser Kerl konnte wirklich schnell einschlafen. Und das, obwohl er nicht wirklich etwas gemacht hatte. Kopfschüttelnd verließ er das Zimmer wieder und gesellte sich zu Lynjara und Tongrim.
„Das hat aber gedauert. Der Wachmann ist schon lange wieder verschwunden", bemerkte Lynjara leicht lächelnd, während sie den Schwarzhaarigen kurz musterte.
„Ich hatte noch eine Frage an Levin, mehr nicht...", erwiderte dieser, während er sich auf einen der Holzstühle fallen ließ. Eigentlich hatte er sich keine weiteren Gedanken darüber machen wollen, was genau Levin war, doch es ließ ihn einfach nicht los. „Wisst ihr, was genau Levin ist?" Er erwartete genau so eine Ratlosigkeit, wie er selbst angesichts dieser Frage verspürte, doch er erhielt eine erstaunlich schnelle Antwort von Tongrim.
„Er ist ein Ninusi, oder sagt er etwas anderes? Die Magie, die er anwenden kann, kommt von seiner Kette und dem Buch. Deshalb ist er im Moment ziemlich machtlos." Der Hanami sagte das so, als wäre es das einfachste auf der Welt. Und eigentlich klang es auch ziemlich logisch, soweit irgendetwas in dieser Welt wirklich logisch klingen konnte. Allerdings... Warum sollte Levin dann vorher so eigenartig geantwortet haben? Wäre er wie Lynjara ein einfacher Ninusi, hätte er es doch auch sagen können, wenn er es zu den anderen doch schon so einfach gesagt hatte. Warum also auch nicht zu Ethan so eindeutig sein? Tat er das nur, um für ihn geheimnisvoller zu erscheinen? Diese Idee würde er Levin sogar zutrauen.
Allerdings war dann vorhin noch dessen Blick gewesen... Der hatte so echt gewirkt und nicht nur so, als würde Levin gerne geheimnisvoll wirken. Nein, irgendetwas stimmte nicht. Und schon jetzt wusste Ethan, dass ihn die Frage nach dem, was Levin war, nicht mehr loslassen würde, bis er eine eindeutige Antwort darauf hätte...-~-~-~-~-~-~-
Ist doch erst Abend geworden, aber wie versprochen ein neues Kapitel nach gefühlten Jahren XD
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Katze, Notizbuch und eine Reise in eine andere Welt
FantasíaNormal. So hätte Ethan sein Leben vermutlich beschrieben, hätte er das tun müssen. Seine größten Probleme bisher waren es, ein Geburtstagsgeschenk für seine Freundin zu finden und beim Basketball zu punkten. Das änderte sich jedoch schlagartig mit...