Die Tatsache, dass es ein verregneter Montag war und mir eine Doppelstunde Biologie bevorstand, konnte auch nicht davon verbessert werden, dass die sogenannte Pizza aus der Mensa schmeckte wie durchweichte Pappe.
Versteht mich nicht falsch, ich liebe Regen, aber nach drei Wochen reichte es auch irgendwann mal.
Nun, wenigstens passte das Wetter zu meiner Stimmung.
In der Grundschule sollten wir mal ein Bild zum Thema Wetter malen und ich weiß noch genau, wie alle anderen Kinder lachende Sonnen gemalt haben. Ich wollte damals Schnee malen und war ziemlich frustriert, dass man den weißen Bundstift nicht auf dem weißen Blattpapier sehen konnte und musste das Bild Zuhause dann nochmal malen, weil meine Lehrerin der festen Überzeugung war, ich hätte die ganze Zeit einfach nur nichts tuend rumgesessen, anstatt wie eine Bekloppte mit einem nicht sichtbaren Buntstift auf meinem Papier rumzudreschen.
Aber das war wenigstens nicht so idiotisch wie eine Sonne mit Gesicht zu malen. Und selbst wenn sie ein Gesicht haben sollte, würde sie nicht debil grinsen, sondern konzentriert gucken, da sie an ihrem bösen Masterplan arbeitet, wie sie irgendwann explodiert und uns alle mit sich in den Tod reißt.
Ich wurde von einem lauten Geräusch aus meinen Gedanken gerissen. Lina Gramke hatte ihr Tablett vor mir auf den klebrigen Kantinentisch geknallt und dabei Soße auf meinem aufgeschlagenes Biologiebuch verschüttet.
"Sag mal, spinnst du?", fuhr ich sie an, doch sie schien mich gar nicht zu hören. Aufgeregt setzte sie sich auf den freien Platz mir gegenüber und fing an zu reden.
"Du wirst es nicht glauben, aber Janie Rieke hat eben in Erdkunde mit Tobias Baumer geflirtet, obwohl der doch mit Chiara Sommer zusammen ist und generell ..."
Das war dann der Augenblick, wo ich aufhörte ihr zu zuhören.
Ich hatte Lina wirklich lieb und sie war meine beste Freundin seit dem Kindergarten, aber wenn mich eins nicht interessiert, dann waren das die Dreiecksbeziehungen meiner Mitschüler.
Ich seufzte innerlich und biss dann erneut von meinem Stück Pizza ab.
Leider hatte sie sich jedoch nicht in den letzten sechzig Sekunden in irgendetwas halbwegs Verdaubares verwandelt und ich entschied mich, mich nicht freiwillig zu vergiften.Ich schob meinen eigenen Teller zur Seite und warf stattdessen einen unauffälligen Blick auf den von Lina.
Ich hätte mir vermutlich nicht mal Mühe geben müssen, unauffällig zu sein, da sie bereits so vertieft darin war, von den neusten Entwicklungen im Liebesleben von Tobias Baumer zu erzählen, dass sie es vermutlich nicht mal mitbekommen hätte, wenn der Feueralarm losgegangen oder eine Zombieapokalypse ausgebrochen wäre, weil die Pizza irgendwelche Bakterien enthält, die dein Gehirn befallen.
Ich musterte also - unauffällig - den Teller meiner besten Freundin und erspähte ein Tomaten-Hühnchen-Sandwich, einen Apfel, an dem immer noch der kleine Sticker hing, den sie im Supermarkt immer auf das Obst kleben, und einen Müsliriegel. Ich entschied mich für Letzteres.
Linas Mutter war eine dieser Mütter, die ihre unendliche Liebe zu ihrem einzigen Kind durch Sachen wie selbstgemachtes Essen ausdrücken, was mir als regelmäßigem Gast und Lunchkleptomanin natürlich zugutekam.
Ich griff nach dem Müsliriegel und Lina stoppte mitten im Satz, warf mir einen strafenden Blick zu und fuhr dann einfach fort. Sie war es gewöhnt, dass ich Anspruch auf einen Teil ihres Mittagessens nahm.
Ich wickelte die Frischhaltefolie von dem vermutlich selbstgemachten Snack ab und ließ den Blick durch den Raum schweifen.
Der Tisch, an dem Lina und ich saßen, stand am Rande der großen Cafeteria. Hier saßen wir eigentlich jede Mittagspause und ich mochte ihn. Seit ich damals in der Fünften auf diese Schule kam, war ich nie besonders beliebt gewesen, was mich jedoch auch nie wirklich gestört hatte, da ich so auch nie ins Schussfeld von Melissa Lord geraten bin.
Melissa war das beliebteste Mädchen aus unserem Jahrgang und ihre Zeit verbrachte sie eigentlich nur damit, sich ihrem Aussehen zu widmen und über andere zu lästern. Und ihre Freundinnen, die sie allesamt anzubeten schienen, taten nichts anderes. So war es einfach; eine gegebene Tatsache.
Melissa thronte auf ihrem Stammplatz in der Mitte der Cafeteria, um sich herum einige ihrer Untertanen versammelt. Die Gruppe, die sowohl aus einigen Jungen als auch aus ein paar Melissa anhimmelnden Mädchen bestand und absolut jeder machte automatisch einen Bogen um den Tisch. Auch das war eine einfache Tatsache.
Naja, wenigstens jeder aus unserem Jahrgang.
Ich hatte schon früh bemerkt, dass ich mich von ihr am besten fernhielt, was mir auch definitiv nicht schwer viel, wo ich sowieso rein gar nichts hätte, worüber ich mich mit ihr unterhalten konnte.
Ich war froh, meine eigenen Freunde zu haben, mit denen ich reden konnte und die wenigstens ein paar meiner Interessen teilten und Melissas Gruppe ließ uns meistens in Ruhe. Ich dachte damals, ich würde nichts an meinem Leben ändern wollen und ich wusste nicht, wie unglaublich falsch ich damit lag.
Ich biss gerade von meinem Müsliriegel ab, als die Klingel, die seit drei Jahren eigentlich mal repariert werden müsste, einen unfassbar schrillen Ton ausstieß.
Ich seufzte, schob mir den ganzen Rest des Riegels in den Mund und griff nach meinem Rucksack. Sollte nicht irgendein Wunder geschehen und unsere Biolehrerin zum ersten Mal in der Geschichte unserer Schule krankgeschrieben sein, durfte ich mich jetzt auf eine Doppelstunde Biologie freuen, denn im Gegensatz zu Lina hatte ich das Fach nicht bei der erst besten Gelegenheit abgewählt.
Nachdem ich mich von meiner besten Freundin Verabschiedet hatte, machte ich mich auf den Weg zu den Bioräumen, wo ich mich mit einem Seufzen auf meinen Platzt fallen ließ. Ich holte einen fast vollen Collegeblock aus meinem Rucksack und griff dabei gleich auch nach einem Kugelschreiber.
Es war einer dieser billigen Werbestifte, die man bei irgendwelchen Aktionen Geschenk bekommt. Dann legte ich meinen Kopf auf die mit Kritzeleien bedeckte Tischplatte und schloss die Augen.
Ich wollte einfach nur nach Hause.
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Zebrawelt ✔
Teen FictionFür Vera eröffnet sich eine völlig neue Welt, als sie Minou kennenlernt. Vera verbrachte ihre Schulzeit größtenteils damit, gute Noten zu sammeln und das verstrickte Liebesleben ihrer Mitschüler aus größtmöglichem Abstand mit ein wenig Sarkasmus zu...