Kapitel 31

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Lina nahm die Nachricht erstaunlich gelassen hin. Sie meinte, sie hätte absolut und kein Stück damit gerechnet, was mich schon irgendwie überraschte, aber auch nicht weiter störte. Das, worauf es wirklich ankam, war, dass die zwei es tatsächlich geschafft hatten, mich so weit wieder aufzubauen, dass ich bereit war, Minou in der Schule unter die Augen zu treten. Dass heute der Tag war, an dem wir die Projektarbeiten abgeben sollten, machte das Ganze auch nicht gerade einfacher.

Zögerlich betrat ich den Biologieraum, der schon gut gefüllt war. Ich ließ mich auf meinem Platz neben Minou sinken, wobei ich penibel darauf achtete, ihr nicht in die Augen zu sehen. Fast rechnete ich damit, sie würde mich begrüßen, aber sie schwieg.

Frau Bremer betrat freudig strahlend den Klassenraum und klatschte in die Hände.

„Ich hoffe, ihr wisst alle, was heute für ein Tag ist", eröffnete sie die Stunde. Vereinzelte Schüler nickten.

„Wenn ihr mir eure Projektarbeiten noch nicht per Mail geschickt habt, würde ich euch bitten, sie mir jetzt abzugeben", fuhr sie fort.

Ich griff in meine Tasche und kramte unseren Ordner raus. Als ich aufstand, konnte ich es nicht mehr unterdrücken, einen winzigen Augenblick lang Minou anzusehen, doch unsere Blicke kreuzten sich nicht, da sie angestrengt vor sich auf den Tisch starrte.

Nachdem ich unsere Mappe auf den Stapel vorne auf dem Pult gelegt hatte, schlich ich zurück zu meinem Stuhl und verbrachte die restliche Stunde damit, meine Aufmerksamkeit so stark wie möglich auf den Unterricht und so wenig wie möglich auf Minou zu richten.

Klappte eher so mittelmäßig.

Als Frau Bremer uns nach fünfundvierzig quälend langen Minuten endlich in die Freiheit entließ, sah ich, als ich aus dem Klassenzimmer trat, dass Simon und Lina bereits davor standen und auf mich warteten. Meine Laune besserte sich schlagartig.

„Hey, ihr zwei", ich grinste sie breit an. „Was macht ihr denn hier?"

„Wir dachten uns, du bräuchtest heute vielleicht ausnahmsweise eine Wacharmee aus zwei extrem starken Bodyguards, die dich in die Freistunde eskortiert", witzelte Simon, während Lina mich zur Begrüßung umarmte.

Wir machten uns auf den Weg zur Mensa, als Lina plötzlich stehenblieb. Sie deutete auf einen dunkelblauen Flyer, den jemand ans Schwarze Brett gepinnt haben musste. Ich musterte ihn neugierig.

Simon beugte sich über meine Schulter und seine Augen bewegten sich schnell hin und her, während er den Text überflog.

„Ein Winterball?", fragte er dann laut. „Wer ist denn auf die Idee gekommen?"

Ich sah zu Lina, deren Augen strahlten. Aber was hätte ich auch anderes erwarten sollen.

„Oh mein Gott", quiekte sie. „Ich wollte schon immer auf einen echten Ball gehen!"

Ich verdrehte genervt die Augen. Ein Schulball war das absolut letzte, für das ich im Moment einen Nerv übrig hatte.

Lina griff nach meiner Hand. „Ich geh mit Vera hin."

Ich zog fragend eine Augenbraue hoch und sie strahlte mich an. „Als deine beste Freundin ist es meine Pflicht mit dir hinzugehen. Und Simon geht auch mit uns. Wir haben dann einen Dreier."

Die Tatsache, dass ich wusste, dass Lina nicht klar war, wie zweideutig das klang, machte es nur noch witziger. Ich musste lächeln.

„Aber was wird dann aus Isa?", ich stoß Simon spielerisch in die Rippen und sein Gesicht nahm augenblicklich eine zartrosa Färbung an.

„Isa kommt auch mit! Dann haben wir schon einen Vierer!"

Simon und ich sahen uns an und versuchten, uns das Lachen zu verkneifen.

„Also meinetwegen können wir gerne zu viert gehen, aber willst du denn überhaupt zum Schulball, Vera?", fragte er dann.

Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, ich glaube eher nicht."

Lina zog einen Schmollmund. „Menno, warum denn nicht?"

Simon warf ihr einen mahnenden Blick zu, doch sie streckte ihm die Zunge raus. „Na und? Sie muss auf andere Gedanken kommen und was wäre da geeigneter als der Schulball?"

Ich seufzte leise und wollte schon das Thema wechseln, als plötzlich jemand hinter mir anfing zu reden.

„Du könntest dich für das Organisationskomitee eintragen", schlug die rauklingende Stimme vor.

Ich drehte mich um und bemerkte, dass Oliver Peters, Stufensprecher und einer von Simons engsten Freunden, direkt hinter mir stand. „Ich bin mir ziemlich sicher, die suchen noch Leute."

Ich sah ihn verwirrt an und er drückte mir einen Brief in die Hand.

„Was ist das?", fragte ich und musterte den Zettel argwöhnisch.

„Den kannst du Vivian geben. Sie ist Kassenwart und kümmert sich um die Finanzierung des Balls. Das Komitee trifft sich in Raum 117." Er warf einen flüchtigen Blick auf die Uhr, die er am Handgelenk trug. „Wenn du dich beeilst, schaffst du es vielleicht sogar noch pünktlich."

Er verabschiedete sich und ich starrte ihm mit offenem Mund hinterher. Was war das denn gerade gewesen?

„Und gehst du zu dem Treffen?", erkundete sich Simon als Oliver verschwunden war. Er schien von dem plötzlichen Angebot seines Freundes kein bisschen überrumpelt zu sein.

Ich wedelte mit dem Brief vor seiner Nase herum. „Sieht nicht so aus, als hätte mir Oliver eine Wahl gelassen."

Simon grinste. „Kluger Junge."
Dann zuckte er mit den Schultern. „Naja, dann wohl viel Spaß beim Turnhalle-Dekorieren und Punsch verteilen. Lina und ich gehen jetzt jedenfalls erstmal Mittagessen."

Ich starrte ihn bitterböse an, während er mit einer vergnügt hüpfenden Lina am Arm seinen Weg zur Mensa fortsetzte.

Ich drehte mich um und fing an, die Treppe, die wir gerade erst runtergekommen waren, wieder hochzugehen. Wer weiß, vielleicht war es ja ein Wink des Schicksals, dass Oliver mich zur Teilnahme am Komitee zwang.

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