Kapitel 11

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Und tatsächlich kam ich noch rechtzeitig an der Haltestelle an. Und nicht nur das, ich stand auch pünktlich um eine Minute vor neun vor meiner Haustür. Endlich schien das Glück wieder auf meiner Seite zu sein.

„Da bist du ja endlich! Die Müllers könnten jede Sekunde da sein", rief meine Mutter noch während sie die Tür öffnete. Freitag abends aßen wir, seit ich denken konnte, schon zusammen mit Simons Familie und meine Mutter hasste es, wenn ich zu spät kam.

Ich hängte gerade meine Jacke an einen der freien Bügel, als es auch schon klingelte.

Meine Mutter öffnete und Simon und seine Eltern betraten unser Haus. „Hey, Vera", Simon hängte seine Jacke direkt neben die Stelle, wo ich vor zehn Sekunden meine hingehängt hatte, während unsere Eltern sich begrüßten.

„Hey."

Er musterte mich. „Ist alles okay? Du siehst irgendwie gestresst aus." Simon bemerkte so etwas immer sofort, er würde bestimmt irgendwann mal Psychologe werden oder so. Irgendwas mit Menschen jedenfalls.

„Alles gut", ich ging neben ihm her ins Wohnzimmer. „Ich musste nur zur Bushaltestelle rennen, damit ich rechtzeitig hier ankam." Er nickte.

„Setzte euch schon mal", hörte ich meinen Vater rufen, während er in der Küche verschwand. „Ich hole eben die Lasagne aus dem Ofen."

Während die Schüsseln mit dem Essen herumgereicht wurden, fing Markus, Simons Vater, an, über seine Arbeit zu berichten. Er war bei der örtlichen Polizei und hatte vor kurzem eine Beförderung erhalten. Er erzählte von zwei Mädchen, die irgend so eine Mauer mit Graffiti beschmiert hatten, als Simon ihn unterbrach.

„Hey, ich glaube, ich kenne die! Die gehen in unseren Jahrgang!"

„Wirklich?", Markus schien nicht gerade begeistert davon zu sein. Ich nickte. „Die eine ist noch ziemlich neu, aber die andere ist eigentlich wirklich schüchtern, ich hätte ihr das niemals zugetraut."

Er zuckte mit den Schultern. „Ich hoffe, sie haben ihre Lektion gelernt."

Meine Mutter griff nach dem Korb mit den Brotstücken und wechselte dann das Thema. „Wie läuft es eigentlich in der Schule?"

„Gut", antwortete ich knapp und hoffte, dass das als Antwort reichen würde, doch Simon schien das nicht zu bemerken. „Wir arbeiten in Bio jetzt an Projekten", verkündete er.

„Ach ja?", hakte mein Vater nach, „Davon hast du gar nichts erzählt, Vera!"

„Doch hat sie", mischte sich meine Mutter ein.

„Er hat wohl nur nicht zugehört ...", murmelte ich leise. Er seufzte. Simons Eltern hingegen waren offensichtlich bestens informiert. „Simon geht übermorgen mit seiner Projektpartnerin aus", raunte seine Mutter meiner zu. „Das ist ja toll!", rief diese. Augenblicklich wurde Simon rot.

„Arbeitet ihr zwei denn gar nicht zusammen?", mischte sich mein Vater ein. „Ihr habt doch nicht etwa Streit?"

Ich starrte ihn an. „Alles gut, Dad." Simon nickte lächelnd: „Wirklich, Michael."

„Wer ist denn dein Partner, Vera?", fragte Simons Mutter. „Vielleicht ein hübscher junger Mann?"

Es ist tatsächlich noch unangenehmer so etwas von der Mutter seines besten Freundes zu hören als von seiner Eigenen.

Ich schüttelte den Kopf. „Nope, ich arbeite mit Minou Eriks zusammen."

„Sehr nettes Mädchen. Sie war neulich bei uns zu besuch."

„Ist Minou nicht die beste Freundin von dieser Melissa?", mischte sich Simons Mutter ein. Ich nickte unsicher. „Es ist kompliziert, Mom. Minou und Vera verstehen sich wirklich gut", ging Simon dazwischen.

„Naja, das ist jetzt vielleicht auch ein bisschen übertrieben", erwiderte ich. „So?", Simon grinst. „Das wirkt aber ganz anders."

Meine Mutter runzelte die Stirn. „Wie meinst du das?"

Das wüsste ich auch mal gerne.

Simon lächelte. „War nur ein Scherz von mir, ich wollte Vera etwas ärgern. Die beiden verstehen sich eigentlich gar nicht gut."

Das stimmte nicht und das wusste Simon auch, aber dennoch klang sein Tonfall nicht sarkastisch. Er log, nur wieso?

Meine Mutter lachte: „Ach so."

Simon log eigentlich fast nie, aber wenn er es tat, glaubte ihm dank seiner blonden Wuschelhaare, den unschuldigen blauen Augen und dem Engelsgesicht wirklich jeder.

Kurz darauf waren die Teller und Gläser geleert worden und unsere Eltern redeten über irgendeinen Film, der bald rauskommen sollte.

„Können Vera und ich hoch gehen?", fragte Simon. Meine Mutter lächelte. „Natürlich!"

Wir standen also auf und verließen das Wohnzimmer, um stattdessen in meines zu wandern. Dort angekommen setzte Simon sich auf meinen Schreibtischstuhl. Ich nahm ihm gegenüber auf der Platte des Schreibtisches platz und ließ die Beine baumeln.

„Richtiger kleiner Dämon", zog ich ihn auf.

„Wie bitte?", Simon runzelte die Stirn. Ich lachte. „Die Welt hätte niemals erwartet, dass ihr Goldjunge seine Eltern anlügt."

Simon verdrehte die Augen. „Genau genommen habe ich deine Eltern angelogen und ich glaube, du weißt auch ganz genau wieso."

Jetzt war ich die, die verwirrt die Stirn runzelte. „Eigentlich weiß ich das nicht ..."

Simon seufzte genervt. „Jetzt tu doch nicht so. Selbst Lina wird es bald auffallen, so offensichtlich wie du dich verhältst."

Ich starrte ihn irritiert an. „Simon, ich weiß wirklich nicht, wovon du redest ..."

Endlich schien er zu begreifen, dass ich mich nicht dummstellte und sah mich verwundert an. „Echt nicht?"

„Nein!", ich schüttelte den Kopf. „Wovon bitte schön redest du?"

Er musterte mich kurz. „Na davon, dass du auf Minou stehst ..."

Zebrawelt ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt