Kapitel 41

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Ich hätte unmöglich sagen können, wie viel Zeit verstrichen ist, während ich einfach nur so da stand und versuchte, mit etwas klarzukommen, das ich im Nachhinein betrachtet, wirklich hätte erahnen können. Vielleicht waren es nur ein paar Sekunden, vielleicht stand ich hier jedoch auch schon seit mehreren Jahrtausenden und das Universum hatte aufgehört sich zu drehen. Angebracht wäre es meiner Meinung nach jedenfalls.

Ich richtete den Blick wieder auf die Bühne und bemerkte, dass Robin und Oliver langsam unruhig zu werden schienen, als Minou nicht auftauchte. Erik war in der Zwischenzeit ebenfalls auf die Bühne gestiegen, zusammen mit Melissa, die sich zu weigern schien, ihre überdimensionalen Gelnägel aus seinem Arm zu entfernen.

Ich weiß nicht, warum sie sich die Blöße gab, sich trotz der verlorenen Wahl auf die Bühne zu stellen, aber es war mir auch eigentlich recht gleichgültig.

Von Minou war weiterhin keine Spur zu finden und mich beschlich die Frage, ob es mir eigentlich lieber wäre, wenn sie gar nicht auftaucht oder wenn sie dort oben steht, zusammen mit Erik Parkmann. Ohne mich. Mit ihm tanzen würde, wobei ihnen die ganze Schule zujubelt. Ohne mich. Dass sie in den Augen der meisten ein Traumpaar sind. Sie, nicht wir.

„Minou Eriks?", in Olivers sonst so selbstsicherer Stimme schwang eine Nuance Verunsicherung mit. „Weiß jemand, wo Minou Eriks ist?"

Nun war ich nicht länger die Einzige, die die Halle nach Minou absuchte, die ganze Schülerschaft hielt Ausschau nach dem brünetten Mädchen.

Oliver beugte sich zu Robin rüber. „Weißt du, was wir machen sollen, wenn sie nicht auftaucht? Die Zweitplatzierte krönen oder so?"
Er hatte die Hand dem Mikrofon gesenkt, was jedoch ein sinnlose Geste zu sein schien, da seine Worte weiterhin übertragen wurden.

Robin zuckte nur mit den Schultern, wobei sie weniger unsicher als viel mehr desinteressiert wirke. Melissas Gesicht hellte sich bei dem Gesagten jedoch augenblicklich so sehr auf, dass ich es sogar vom anderen Ende der Halle aus sehen konnte.

Oliver räusperte sich laut. „Wenn Minou nicht anwesend ist, können wir sie leider auch nicht zur Ballkönigin erklären."

Ein Raunen ging durch die Menge, die sich dicht vor der Bühne drängte und an seinen Lippen hing, um auch ja nicht zu verpassen, was nun passieren würde.

Oliver warf Robin erneut einen Blick zu, der seine Unentschlossenheit mehr als deutlich zum Ausdruck brachte.
„Ich schätze, dann wirst du uns wohl auch noch die Zweitplatzierte bekannt geben müssen. Und für den Fall, dass es nicht ebenfalls Erik ist, müssten wir dann wegen dem König gucken ...", seine Stimme klang unsicher.

Robin nickte langsam und griff nach dem Mikrofon.
„Das Problem werden wir zumindest nicht haben. Das Paar mit den zweitmeisten Stimmen wäre nämlich Erik und Melissa Lord."

Melissa lächelte und für einen kurzen Moment erinnerte ihr Gesichtsausdruck mich an den Film „Der Grinch". Aber an die Version aus dem Jahr 2000, nicht an die Zeichentrickversion von 2018, von der man halten kann, was man will.

Lotta aus dem Ballkomitee brachte zwei goldene Plastikkronen auf die Bühne und ich konnte es mir nicht verkneifen, die Augen zu verdrehen. Da lebt man schon in Deutschland und trotzdem bleibt man von diesem Kitsch nicht verschont.

Erik lächelte verlegen, doch Melissa war die Selbstsicherheit in Person. Wäre sie ein Disneybösewicht, hätte sie sich gewiss die Hände gerieben und hämisch gekichert.
(Okay schon gut, ich sehe ja selbst, dass ich sie vermutlich etwas zu sehr verteufle.)

Robin und Oliver ließen sich die Kronen geben und drehten sich gerade zu dem Fast-Königspaar um, als sie von einer Stimme aus dem Zuschauerraum unterbrochen wurden.
„Hey, Minou ist da!", rief ein zierliches blondes Mädchen, dass mir wage bekannt vorkam und deutete aufgeregt auf die Flügeltür der Turnhalle.

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