Kapitel 3

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Ich breitete all mein Zeug auf meinem Bett aus. Ich war zwar schon früher als die meisten Studenten hier angekommen, hatte aber bisher keine Lust, meine Sachen auszupacken. Mein Talent war eindeutig nicht das Sortieren von Dingen. Jo hatte versprochen, mich abzuholen. In den ersten Tagen wurden noch keine Vorlesungen abgehalten, da wir die erste Woche nutzen sollten, um die Freshmen einzugewöhnen und ihnen den Campus zu zeigen.

Letztes Jahr war ich noch in dieser Situation. Damals behandelte man mich wie ein Kleinkind und erklärte mir allen Ernstes, wie man einen Wasserhahn betätigte. Als wäre ich ein Vorschulkind.

Ich hatte mich schlicht und gemütlich gekleidet. Die ersten Tage waren zwar entspannend, jedoch musste man fast den ganzen Tag herumlaufen und sich da in die Schale zu werfen war ungünstig. Mit dem weißen T-Shirt, den lässigen, lockersitzenden hellblauen Jeans und den weißen, abgetretenen Converse, war ich perfekt vorbereitet.

Ich vernahm ein Klopfen. Fröhlich lief ich zur Tür und öffnete diese.

"Ahoi, mein Matro...", wollte ich Jo begrüßen. Doch wenige Zentimeter vor mir stand nicht mein bester Freund, sondern ein zierliches Mädchen. Sie schleppte mehrere Reisetaschen und ich war mir nicht sicher, ob sie die Reisetaschen nicht mit Handtaschen verwechselte, da sie sie elegant auf ihren Handflächen balancierte. Ihr Haar war erdbeerblond, jedoch wuchs es am Haaransatz kupferbraun nach. Die Augen schilfgrün und die Lippen leicht kantig, wobei die Oberlippe etwas voller als die Unterlippe war. Sie trug definitv falsche Wimpern und Gelnägel. Jeden Fleck schien sie aufwendig geschminkt zu haben, wobei ich sofort den leicht verwackelten Eyeliner bemerkte. Sie ging mir kaum bis zu den Schultern und ich war nicht wirklich hochgewachsen.

"Hi, kannst du bitte mein Gepäck verstauen? Danke.", sagte sie in einer so hohen Stimme, dass meine Ohren schmerzten. Sie ließ die Reisetaschen vor mir auf den Boden poltern und warf mir einen abschätzigen Blick zu.

Als ich mich nicht vom Fleck rührte, raunte sie mir "Na komm" zu, als wäre ich ein kleiner Schoßhund.

"Entschuldigung, ich bin nicht für das hier zuständig.", wehrte ich mich.

"Das weiß ich doch, Süße.", antwortete sie, "Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass du dieses Gepäck jetzt verstauen wirst."

Ich öffnete meinen Mund, schloss ihn aber dann wieder.

"Wer bist du überhaupt?", fragte ich verdattert.

"Wer ich bin?"

"Ja, wer du bist! Ich habe dich noch nie hier gesehen."

"Ich ...  bin Veronica Shiers."

Ich hätte erwartet, dass sie jetzt irgendeine populäre Persönlichkeit war, doch der Name sagte mir rein gar nichts.

"Okay, das trägt nichts zur Sache bei. Ich werde deine Sachen bestimmt nicht verstauen."

"Das wirst du sehr wohl.", presste sie hervor.

Ich stieß einen Seufzer aus. "Tja, so gerne ich dir helfen würde, ich werde soeben woanders gebraucht." Ich zuckte mit den Schultern, lächelte zuckersüß und verließ das Zimmer. Ihr Fluchen hörte ich bis in den Flur. Was war mit meiner Mitbewohnerin vom letzten Jahr passiert? Ich hatte zwar keinerlei Kontakt zu ihr gehabt, aber sie war noch immer besser als diese Veronica. Ich machte mich auf den Weg in Richtig Jungentrakt. Klarerweise durfte ich dort nicht rein, sondern wartete nur davor. Jo hatte schon einige Male darauf bestanden, sich ein Zimmer mit mir zu teilen, doch seine Anträge wurden von der College-Leitung immer wieder aufs Neue abgelehnt. Dachten diese Leute ernsthaft, Jo und ich würden es dort treiben? Erstens wurde Jo allein beim Gedanken an das weibliche Geschlechtsorgan übel und selbst wenn er nicht homosexuell wäre, wäre ich nicht so verzweifelt, etwas mit meinem besten Freund, mit dem ich früher in der Badewanne Beyoncé-Songs gesungen hatte, anzufangen.

Als ich kurz vor den großen Flügeltüren angelangte, kam Jo mir entgegen.

"Na, wenn das nicht meine Best-Bitch ist!", rief er mir aus der Ferne zu. Beschämt zog ich den Kopf ein und deutete Jo seine Klappe zu halten.

Ich ging auf ihn zu und er umarmte mich innig.

"Na, Schätzchen, was guckst du denn so drein? Du kannst deinem Big-Brother alles anvertrauen!"

"Du glaubst nicht, was gerade passiert ist."

"Spill the Tea, Babe.", rief er etwas zu laut und zu aufgeregt. Er hüpfte praktisch wie ein Flummi vor mir umher.

"Beruhig dich, Joseph. Ich bin weder schwanger noch habe ich gerade erfahren, dass ich eigentlich eine Prinzissin bin."

Er zog einen Schmollmund. "Keine gigantische Babyshower und keine prunkvolle Krönung, also?"

"Ich muss dich leider enttäuschen..."


Toxic SparksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt