Kapitel 7

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Mein Smartphone bimmelte ununterbrochen. Ich brauchte nicht auf den Bildschirm zu blicken, um zu wissen, dass es sich bei dem Verfasser der Nachrichten Jo war. Entweder fühlte er sich schlecht und wollte sich entschuldigen oder war wütend, weil ich ihn quasi als nichts ahnenden Vollidioten dargestellt hatte. Ich würde wieder mit im sprechen. Irgendwann. Vielleicht auch erst in dreißig Jahren. Im Grunde wollte mir helfen, aber er hatte unbeabsichtigt genau das Gegenteil bewirkt. Er konnte sich verlieben, wann, wo und in wen immer er wollte. Doch jemand wie ich konnte sich nicht einfach so in irgendjemand Beliebigen verlieben. Ich müsste mit demjenigen meine ganze Familiengeschichte teilen und dazu war ich einfach nicht bereit. Jo konnte das nicht wissen. Wie denn auch? Ich redete mit ihm nur über positives Zeug, da er Bad Vibes hasste. So sehr ich ihn mochte, man konnte mit ihm kein ernstes Gespräch führen. Er würde mich zwar in den Arm nehmen und versuchen, mich zu trösten, aber das reichte in diesem Falle nicht. Ich brauchte keine Umarmungen, sondern jemanden, der mich wirklich verstehen konnte. Der Ähnliches wie ich durchgemacht hatte.

Ich wollte kein Mitleid, sondern Verständnis. Ich wollte mit jemandem darüber reden können, ohne mich dabei ungehört zu fühlen. Und diesen jemand würde ich vermutlich nie treffen. Ich setzte mir hohe Standards, die ein Normalsterblicher unmöglich erfüllen konnte. Ich wollte, das Gegenteil, das meine Eltern hatten. Ich wollte nicht Bonnie und Clyde. Ich wollte Romeo und Julia oder Jack und Rose. - Okay, vielleicht doch nicht, da in beiden Geschichten mindestens einer am Ende stirbt. Ich wollte jemanden, der mich verstand, ohne dass ich ein Wort sagen musste. Ich wollte jemanden, mit dem ich mich frei und nicht gebunden fühlte. Ich wollte jemanden, dessen Zuneigung zu mir einfach, aber dennoch intensiv war. Ich brauchte keine prächtigen Villen oder teure Designer-Taschen. Ich wollte zwar nicht so wie meine Eltern leben müssen, aber ich würde Mittellosigkeit hinnehmen, solange ich Liebe erhielt. Doch ich dieser Traum würde sich nie erfüllen. Nicht in diesem Leben. Denn ich musste erst lernen, mich selbst zu lieben und das würde ich nicht schaffen. Wie sollte ich jemanden anderen lieben, wenn ich mich selbst verabscheute? Wie sollten andere mich nicht verabscheuen, wenn ich es selbst tue und anderen einen Grund gab, mir gleichzutun?

Jemand polterte an die Tür. "Jo, zisch ab.", brüllte ich.

"Lass mich rein, Tamika. Bitte."

"Ich brauche Zeit für mich allein."

"Tami, ich verstehe, dass ich Scheiße gelabert habe. Und du hast Recht - ich werde dich nie verstehen. Aber nicht, weil ich mich nicht in deine Situation versetzen kann, sondern weil du mit mir nicht darüber sprichst."

Widerwillens taumelte ich zur Tür und öffnete sie.

"Du siehst fürchterlich aus.", war das erste, das Jo herausbrachte.

"Danke. Genau das brauchte ich jetzt." Ich wollte die Tür wieder zuschlagen, doch Jo stoppte sie geschickt mit seinem Fuß.

"Und du stinkst. Hast du was getrunken?"

"Gott, nein, Jo. Das geht dich nichts an."

"Sicher geht es mich was an, wenn meine beste Freundin sich wegen mir besäuft."

"Komm rein", befahl ich ihm, da ich dieses Gespräch nicht vor den anderen führen wollte.

Triumphierend marschierte er in mein Zimmer.

"Also, Tami, was ist los?"

"Das würdest du sowieso nicht verstehen."

"Das kannst du doch nicht wissen."

"Oh doch. Du würdest mich nur auslachen, weil das Problem für dich mikrig ist."

"Habe ich dich schon jemals ausgelacht?"

"Mehr als ich auf einer Hand abzählen kann ..."

"Hm, zumindest hast du deinen Humor wieder."

"Jo, das war kein Scherz. Du tust meine Gefühle immer ab. Kann gut sein, dass du nicht mit solchen Dingen nicht konfrontiert bist, aber du tust immer so, als wäre ich durchgeknallt oder so was."

"Tami, das würde ich niemals absichtlich machen."

"Das weiß ich doch. Und ich kann es dir auch nicht übel nehmen. Du siehst die Welt in ganz anderen Farben als ich. Für dich haben Dinge eine vollkommen andere Bedeutung als für mich. Das ist nichts, wofür du dich rechtfertigen musst, aber es stört mich, dass du mir nie richtig zuhörst. Zum Beispiel heute, als wir diese Vorstellungsrunde gemacht haben. Ich habe mir praktisch den Arsch aufgerissen, um diesen Tag perfekt zu gestalten und dir scheint das alles egal zu sein."

"Es tut mir leid. Ich werde versuchen, dir in Zukunft ein besserer Freund zu sein."

"Nein, Jo, das habe ich nicht gemeint. Du bist schon der beste Beste Freund, ich will einfach nur, dass du nicht immer so über meine Gefühle scherzt."

"Ich wollte dir wirklich nichts Böses, als ich das mit Weston gesagt habe. Aber du musst eines wissen: Er ist ein echt guter Kerl und du weißt, dass ich das nicht sagen würde, wenn ich es nicht so meinen würde."

"Woher weißt du, dass er ein guter Kerl ist. Du hast kaum mit ihm gesprochen."

"Ich teile ein Zimmer mit ihm."

Meine Kinnlade klappte hinunter. "Wusstest du das schon den ganzen Tag über?"

"Nö. In seinem Zimmer waren Kakerlaken und er musste neu zugeteilt werden. Er meinte, dass es für ihn gar kein Problem ist, dass ich schwul bin. Der Typ ist echt Gold wert."

Mein Herz schlug immer schneller gegen meine Brustwand. Hatte ich mich in Weston getäuscht? Wieso kribbelte es in meinem Bauch plötzlich so?

Toxic SparksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt