Kapitel 21

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Ein Jahr später ...

Ich legte meine Tasche ab und machte mich auf den Weg in die Umkleidekabine. Neonfarbenes Licht drang in meine müden Augen, die ich daraufhin rieb.

Ich schlüpfte in den schwarzen Spitzen-Bodysuit und die glänzenden Overknees. Meine Augen umrandete ich mit Kajal und malte einen geschwungenen Lidstrich auf mein Oberlid. Meine langen Wimpern tuschte ich und auf meine vollen Lippen trug ich roten Lippenstift auf. Ich sprühte mich mit Parfüm ein und steckte Pfefferspray in meine Overknees. Ich betrachtete mich in dem Wandspiegel. War das wirklich ich?

Die Rolle der Tamika Castile legte ich abends ab. Hier war ich Chyna.

Ich ging durch den schmalen Gang in Richtung Foyer und schnappte mir ein Tablett. Angel und Delight, die Zwillinge oder Mellizos, wie man sie hier nannte, schwangen sich fast synchron an der Stange. Unser Job war es, Kunden Drinks und Snacks zu sevieren und sie gleichzeitig zu verführen. Ehrlich gesagt war das hier alles andere als mein Traumjob, aber es sprang an guten Abenden haufenweise Kohle raus. Anzüglich Kommentare oder Berührungen an unangenehmen Stellen war ich mittlerweile gewohnt.

Laute Beats dröhnten in meine Ohren. Der Club war an Wochenenden immer gut besucht. Nicht selten verirrten sich Prominente zu uns. Nicht selten lernte ich dann ihre wahren Gesichter kennen. Ich könnte wahrhaftig damit zur Klatschpresse gehen, doch ich musste einen Vertrag unterschreiben, dass alles, was hier passiert auch hier bleibt.

An besonders guten Tagen gebe ich meinen Eltern einen Teil meines Geldes, um sie finanziell unterstützen zu können. Mom brach in Tränen aus, als sie erfuhr, dass ich alles hingeschmissen hatte. Dad war sofort Feuer und Flamme und meinte, eine Castile würde kein College brauchen, um erfolgreich zu sein. Meine derzeitige Situation ließ sich kaum als Erfolg bezeichnen, doch immerhin konnte ich nun mein eigenes Geld verdienen.

Zu Jo hatte ich gesagt, meine Eltern bräuchten meine finanzielle Unterstützung, was ja keine komplette Lüge war, jedoch nicht der Hauptgrund. Manchmal telefonierten wir oder schrieben Nachrichten hin und her, doch unsere Kommunikationen waren immer seltener geworden. Desmond und ich führten eine Art von Freundschaft Plus. Wir waren sowas wie beste Freunde, ich konnte mit ihm über alles Möglich reden und lachen und wenn wir Lust hatten, hatten wir Sex. Keine Verpflichtungen, keine Regeln.

Anfangs hatte mich Nawin fast umgebracht, weil ich mein Studium hingeschmissen hatte, doch er hatte sich wieder eingekriegt und ist schließlich zur Erkenntnis gekommen, dass man mit einem Abschluss in Astronomie und Sinologie ohnehin nur eine geringe Auswahl an Jobs hat.

Ich ging zu dem Tisch an dem Delight gerade tanzte. Eine Runde älterer Männer saß am Tisch und beim Anblick, wie sie Delight anfassten, wurde mir übel.

"Was kann ich Ihnen bringen?", fragte ich, lehnte mich auf den Tisch und lächelte süffisant.

Die Männer starrten mir in den Ausschnitt, woraufhin sich ein unangenehmes Gefühl in mir breitmachte. Ich zwang mich, das Lächeln zu halten.

"Wir hätten gerne noch so eine.", er deutete auf die Stange, auf der Delight gerade eine atemberaubende Pose machte. "Und fünf Tequilas."

Ob ihre Ehefrauen, die gerade am anderen Ende der Stadt ihre Kinder ins Bett brachten, von der Abartigkeit ihrer Ehemänner wussten? Sie mussten jedenfalls schon öfter hier gewesen sein, sonst würden sie nicht wissen, dass es noch eine Delight gab. Ich beudeutete Angel herzukommen, woraufhin Nevaeh sie ablöste. Dann machte ich mich auf den Weg in Richtung Bar. Ich lehnte mich auf die Schank.

"Fünf Tequilas", sagte ich zu Havana, der daraufhin fünf Gläser auf dem Tisch verteilte und Tequila darin verteilte.

"Chyna, du siehst gar nicht gut aus.", meinte er, "Soll dich jemand ablösen?"

Ich winkte ab. "Nein, mir geht's gut."

"Sicher?"

"Jap. Hundert Prozent."

"Wie du meinst. Nicht, dass du umkippst."

Ich lachte. Havana war eine Art großer Bruder, der sich um uns Mädchen kümmerte, weil es sonst niemand tat.

Ich stellte die Gläser aufs Tablett und balancierte es auf meiner Handfläche in Richtung des Tisches, wo die Mellizos einen Poledance hinlegten. Die Männer pfiffen. Ich stellte die Gläser auf dem Tisch ab und verschwand. Der Club füllte sich stetig.

Ich machte mich auf den Weg zu einem anderen Tisch.

"Was kann ich Ihnen bringen?" Ich zog dieselbe Show wie beim vorherigen Tisch ab. Ich erblickte einem Mann, geschätzte fünfzig, in die braunen, schmalen Augen. Die Haare nach hinten pompadisiert. Über den buschigen Augenbrauen war eine kleine Narbe, er trug einen Dreitage-Bart und einen dunkelroten Anzug aus Samt.

"Ich nehme den Scotch. Was nimmst du, mein Sohn?", sagte er und reckte sein Kinn zu jemandem, dessen Rücken zu mir gekehrt war.

Sein vermeintlicher Sohn drehte sich zu mir.

Toxic SparksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt