*Amara*
Es war bereits vor mehreren Stunden dunkel geworden. Doch ich konnte das Buch nicht weglegen. Wenn ich diesem Buch glauben schenken durfte, so hatte ich bisher ein komplett falsches Bild vom Rudeln gehabt. Doch das alles konnte nicht stimmen. Beispielsweise schrieb der Autor des Buches, dass Omegas für den Zusammenhalt in einem Rudel verantwortlich waren. Ohne Omega könnte ein Rudel auf Dauer daher gar nicht existieren. Doch das konnte nicht stimmen. In meinem alten Rudel war ich die einzige Omega gewesen und ich hatte mich nie am Rudelleben beteiligen dürfen. Die Menschen um mich herum hatten sich gänzlich anders verhalten, wieso sollten sie das tun wenn doch alles was in diesem Buch stand richtig war? Alles Blödsinn. Und Marcel schien diesen tatsächlich auch noch zu glauben. Verzweifelt massierte ich meine Schläfen. Der Omega Junge war im Laufe des Tages immer mal wieder vorbei gekommen und hatte mir etwas zu essen oder zu trinken gebracht. Arijan hatte ich bereits seit heute morgen nicht mehr gesehen. Was er wohl machte? Ein ungutes Gefühl breitete sich in meiner Magengegend aus, ich machte mir Sorgen um ihn. Doch das sollte ich nicht. Er war ein Alpha, er konnte selbst auf sich aufpassen. Und selbst wenn nicht, dieser Alpha ging mich nichts an. Oder doch? Immerhin sagte er ich sei seine Mate. Wenn ich dem Buch glauben schenken konnte, dann wäre dies tatsächlich möglich. Doch wieso fühlte ich dann nichts besonderes in seiner Gegenwart? Oder tat ich dies vielleicht und bekam es selbst nicht mit? Aber konnte es dann wirklich die wahre und große Liebe sein? Mein Kopf schmerzte bereits aufgrund der vielen wirren Gedanken. Dieses Buch beeinflusste mich mehr als es sollte. Ich wusste über das Leben eines Omegas Bescheid, wieso ließ ich mich zu solchen Gedanken hinreißen? Ich musste mit ihm sprechen. Ich musste ihm klar machen, dass dieses Buch nichts als Blödsinn beinhaltete. Und ich wollte ihm eine Frage zur Verbindung mit meinem Wolf stellen, denn dazu stand absolut nichts im Buch. War die Verbindung zwischen Omega und deren Wölfen wirklich so anders? Ich hatte meinen Wolf noch nie gespürt, mich auch noch nie verwandelt. Bisher störte es mich auch nicht besonders. Wieso auch? Ich brauchte meinen Wolf nicht und wenn ich eben zu schwach für eine Verbindung war, dann war es eben so.
Ein plötzliches Geräusch lies mich erschrocken zusammen zucken. War Marcel wieder da? Ich hatte doch erst gegessen. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es bereits 11 Uhr Abends oder auch Nachts war. Die Türe wurde schwungvoll aufgerissen und herein stolperte ein halb nackter Alpha. Wieder einmal trug er kein Shirt. Lediglich eine Joggingshose bekleidete ihn. Doch dies konnte mich im Moment nicht weniger interessieren. Was war nur passiert? Sein Oberkörper sowie sein Gesicht waren voller Blut. "Was ist passiert?" flüsterte ich auch schon und drückte die Decke etwas näher an meinen Körper. Erschrocken wirbelte Arijan in meine Richtung und musterte mich skeptisch. "Was machst du denn noch hier? Ich dachte du würdest nicht mehr in meinem Bett schlafen?" seine Stimme war rau und klang ziemlich kalt. "Mir hat niemand ein anderes Zimmer zugewiesen oder mir Aufgaben erteilt" rechtfertigte ich mich daher schnell und senkte den Blick. Es schmerzte zu wissen, dass er mich eigentlich gar nicht hier haben wollte. "Verdammt, wieso sollten sie auch? Du bist die zukünftige Luna. Es ist nicht üblich der eigentlichen Luna ein extra Zimmer zu geben" in seiner Stimme schwang keinerlei Emotion mit. War er sauer weil ich nicht seine Mate war? Auf seine Worte erwiderte ich nichts mehr und auch Arijan blieb vorerst still und starrte mich einfach nur an. Die Stille zwischen uns war unangenehm und ließ mich unwohl hin und her rutschen. "Ich geh duschen" und schon war er in den angrenzenden Raum verschwunden. Ein Seufzen entwischte mir. Woher kam das Blut? War er verletzt? Und wieso interessierte mich sein Gesundheitszustand überhaupt? Wieso war denn alles nur so kompliziert und anstrengend? Ich würde definitiv nicht hier schlafen. Entschieden schüttelte ich den Kopf und klappte das Buch vorsichtig zusammen ehe ich es auf das kleine Nachtschränkchen legte. Die Decke, in welche ich mich eingewickelt hatte, faltete ich und legte sie sauber auf das Bett. Ächzend erhob ich mich und humpelte zur gegenüberliegenden Wand. Jetzt konnte ich nichts machen, außer zu warten und zu hoffe, dass er mir ein anderes Zimmer zuweisen würde. Eigentlich hasste ich es alleine zu sein, besonders Nachts, doch da würde ich wohl oder übel durch müssen.
Die Badezimmertüre öffnete sich und heraus trat ein frisch geduschter Alpha nur mit einem kleinen Handtuch um seine Hüften. Mein Blick klebte an seinem Oberkörper. Er sah einfach toll aus, seine Muskeln waren definiert und waren weder zu viele noch zu wenige. Einfach perfekt. "Dir gefällt was du siehst" ertönte seine Stimme und ließ mich augenblicklich den Blick abwenden und meine Wangen heiß werden. Gott! Boden tu dich auf! Eilig kamen Schritte auf mich zu und drückten mich keine Sekunde später gegen die Wand hinter mir. Diese Situation hatten wir doch heute Vormittag schon einmal. Dennoch wusste ich nicht, wie ich am Besten reagieren sollte. Natürlich versuchte ich ihn wegzudrücken doch Arijan bewegte sich kein Stück. Sein unglaublicher Duft stieg in meine Nase und zwang mich dazu ein genießendes Seufzen zu unterdrücken. Woher kamen diese komischen Gefühle?
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Behind Sad Eyes
WerewolfAmara hat sich mit ihrem trostlosen Leben beinahe abgefunden. Die junge Omega Wölfin wird in ihrem Rudel lediglich geduldet und das bekommt sie auch jeden Tag wieder zu spüren. Schläge und Demütigung sind für sie schon längst keine Seltenheit mehr...