Kapitel 3

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*Amara*

Um mich herum war es weiß. Wo war ich? Verwirrt drehte ich mich um meine eigene Achse. Eine Hand, welche plötzlich auf meiner Schulter lag, ließ mich erschrocken herum wirbeln. Ungläubig betrachtete ich die Person vor mir. "Venia!" murmelte ich überwältigt und schloss die alte Damen auch sogleich in meine Arme. "Wir haben keine Zeit mein Kind! Du musst weg! Vergiss nicht was ich dir gesagt habe! Auf dich wartet eine große Aufgabe. Vergiss niemals wer du bist" mit diesen Worten legte sie sachte ihre Hand an meine Wange. Wie sehr hatte ich sie vermisst. Doch noch ehe ich hätte etwas erwidern können, verschwamm bereits das Bild um mich herum und ich landete in einem Schwarzen nichts. 

Blinzelnd öffnete ich meine Augen. Schlagartig kehrten alle Erinnerungen und Schmerzen zurück. Doch ich war alleine, niemand war bei mir im Zimmer. Ich ließ meinen Blick über mein Bein gleiten, nur um festzustellen, dass der Dolch noch immer in meinem Fleisch steckte. Ich hatte ziemlich viel Blut verloren, beinahe der ganze Boden um mich herum war davon bedeckt. Mir wurde übel und nur wenige Sekunden später würgte ich bereits Magensäure durch meine Speiseröhre nach oben. Mein Oberschenkel brannte und stach während meine Schultermuskeln bereits zu ziehen begonnen hatten. Doch erleichtert stellte ich fest, dass ich noch meine verbliebene Kleidung trug. Mir war eiskalt , doch es hätte mir im Moment nicht weniger egal sein können. Der aufkommende Schwindel machte es mir nicht einfacher eine vernünftige Lösung zu finden. Ich musste hier raus! Panisch riss ich an den Handschellen, noch immer waren meine Hände über meinem Kopf an das Bettgestell gefesselt. Doch egal wie viel Kraft ich einsetzte, ich konnte die Fesseln nicht bewegen. Einzig meine Handgelenke begannen zu bluten und zu schmerzen. Ein verzweifeltes Schluchzen glitt über meine Lippen. Dieses Rudel hatte mir so verdammt viel angetan, doch was sie jetzt vorhatten würde mich endgültig töten. Sie würden mir alles nehmen.

Meinen Kopf lehnte ich erschöpft ans Bettgestell. Ein Blick nach oben auf meine Handgelenke verriet mir nicht nur, dass sie begonnen hatten stärker zu bluten, sondern zeigten mir auch ein dünnes Armband aus Wolle. Bei dem Gedanken an dessen Herkunft schlich sich ein trauriges Lächeln auf mein Gesicht. Wieder musste ich an die alte Beta denken. Venia hatte es mir vor Jahren geschenkt. Sie hatte mich damals aufgenommen und mich großgezogen. auch wenn das Rudel sie dafür verachtete, so ließ sie sich nie davon abhalten. Die alte Beta konnte mich zwar nicht vor dem Alpha beschützen aber sie konnte mir in schweren Zeiten Trost spenden. Oft weinte ich stundenlang in ihren Armen und jedes Mal versprach sie mir, dass es irgendwann besser sein würde. Sie selbst hatte bereits vor vielen Jahren ihren Mate verloren. Seit diesem Tag war ihr Herz gebrochen, so sagte sie immer wenn ich sie fragte wieso sie denn weinte. Wir Werwölfe wurden eigentlich viele Hundert Jahre alt, doch ohne Mate fehlte vielen der Wille zu Leben. So erging es auch Venia, sie hatte ihren Gatten so sehr vermisst, dass sie vergas wieso sie lebte. Nach 21 Jahren, in denen sie mich liebevoll umsorgt hatte, war sie schließlich ruhig im Schlaf gestorben. Ich wusste, dass sie es so gewollt hatte, doch als ich sie vor wenigen Wochen Tod in unserer kleinen Hütte fand, war für mich eine Welt zusammen gebrochen. Nun hatte ich wirklich niemanden mehr. Tränen bahnten sich ihren Weg über meine Wangen. Bruchstückchenhaft kamen die Erinnerungen an meinen Traum zurück. War es wirklich Venia gewesen? Oder doch nur ein dummer Streich meines Verstandes? Venia hatte immer von den geheimen Omega Rudeln erzählt. Weit oben, in den Bergen. Im Stillen hatte ich nach ihrem Tod beschlossen, dorthin zu fliehen. War sie mir deshalb im Traum erschienen? Wollte sie mich warnen? Wieviel schlimmer konnte es denn noch kommen? Ich war nirgendwo mehr sicher. Denn auch in einem anderen Rudel würde man mich nicht aufnehmen. Omegas wurden gehasst und hatten auch vor dem Gesetz keinerlei Rechte. Man war froh wenn man keinen in seinem Rudel hatte. Bereits mit 8 Jahren musste ich die entsprechenden Passagen aus dem Buch der Werwolfsgesetzte auswendig erlernen. Damals hatte ich eine Tracht Prügel kassiert, da ich nicht alle Paragrafen rechtzeitig auswendig erlernen konnte. Doch heute konnte ich sie, in und auswendig. Kurz zusammengefasst stand darin, dass ein Omega nutzlos war und somit auch keinerlei Rechte besaß. Ein Rudel konnte mit einem Omega machen was es eben wollte. Nur töten durften sie den Omega nicht, dass durfte ausschließlich der König der Werwölfe. Oft hatte ich die jungen Wölfinnen über ihn sprechen gehört. Sie erzählten von einem brutalen Mann der dennoch wunderschön war. Keiner stellte seine Macht in Frage und oft wurde mir auch schon gedroht mich an ihn auszuliefern wenn ich den Befehlen  nicht nachkommen würde. Ich wusste nicht, ob diese Geschichten der Wahrheit entsprachen. Doch ich wusste, dass ich diesem König niemals begegnen möchte, er musste bereits hunderten Omegas das Leben genommen haben. 

Ein Geräusch ließ mich aus meinen düsteren Gedanken aufschrecken. Schnell wischte ich die Tränen von meinen Wangen. Der Alpha konnte Schwäche nicht leiden. Für Tränen erhielt man schon immer eine unschöne Strafe. "Amara? Bist du hier?" im Flüsterton hallte die Stimme von Elian durch den Raum. "Ich bin hier" flüsterte ich ebenso leise zurück. Nur Sekunden später betrat er den Raum und eilte auf mich zu. "Was haben sie dir nur angetan?" seine Stimme bebte und drohte zu brechen. "Du musst hier weg!" schlussfolgerte er auch sofort und verließ den Raum beinahe Fluchtartig. 

Behind Sad EyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt