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Calandra

Drei Monate sind seit Paxtons Tod vergangen und Aideen ist immer noch am Boden zerstört. Ich wünschte ich könnte ihr in ihrer Trauer beistehen, aber ich kannte Paxton kaum. Ich finde meine Schwester in ihrem zugeteilten Zimmer bei Niam und Mistral, auf das Bett gekauert. Sie hat ihre Knie angezogen und Tränen rollen ihr die Wangen hinab. In den letzten Monaten habe ich sie selten nicht weinen gesehen. „Hey Aideen." Sie blickt nicht auf. „Heute sind die Las Fallas im Engelsreich. Weißt du was das ist?" Ein leises „Nein.", ertönt von ihr.

Ich streichele ihr sanft über den Rücken, bevor ich leise beginne zu erzählen: „Das Fallas ist ein gigantisches Fest, das wir jedes Jahr am 18. Mai, also heute, feiern. Es geht darum, dass wir das Ende des Winters feiern. Wir führen viele verschiedene Tänze durch, denn wir hoffen, dass diese Tänze den harten, kalten und langen Winter vertreiben. Und in der Tat, eine Woche später bricht der Frühling an." Ich schaue hinunter und sehe wie Aideen eingeschlafen ist. Vorsichtig stehe ich auf, lege ihre Beine gerade hin und decke sie mit einer leichten Sommerdecke zu.

Dann schleiche ich zur Tür und schließe diese leise hinter mir. Schließlich lande ich im Salon der beiden Brüder und lasse mich, nun auch müde geworden, auf einem der gemütlichen Sessel nieder. Mistral betritt den Raum und ich spüre wie ich mich innerlich verkrampfe. Seit dem Tag des Gerichts ist es zwischen uns komisch. Ich will nicht mehr riskieren meine Schwester zu verlieren. Ich glaube das würde sie nicht verkraften.

„Wie geht es Aideen?", fragt mich Niam. Schon seit Wochen ist er extrem besorgt um sie. Er versucht es sich zwar nicht anmerken zu lassen, aber ich finde seine Besorgnis äußerst süß. „Es geht ihr gar nicht gut. Sie hat jegliche Freude an ihrem Leben verloren." „Sie hat ihren Vater verloren und die beiden standen sich sehr nahe." Ich nicke, das stimmt schon. Ich wünschte ich hätte ihn besser kennengelernt. „Ich habe wirklich Angst, dass sie nie mehr aus dem Loch, indem sie gerade gefangen ist, kommen wird." Niam nickt, wirkt aber sehr betroffen. Wir alle vier haben während der letzten 3 Monate sämtliche Freude verloren. Gestern war Paxtons Beerdigung gewesen und Aideen hat es innerlich zerissen. Wir drei hatten sie begleitet, denn alleine wollten wir sie nicht gehen lassen. Unzählige hochstehende Dämonen hatten ihr ihr Beileid ausgesprochen, aber das hatte Aideen nur noch trauriger gemacht. Die Beerdigung fand im Dunkelwald statt. Zarte weiße Orchideen blühten um sein Grab herum und Aideen hatte eine Rede gehalten, in der sie sich an ihre Kindheit und die schönen Momente, die sie mit ihrem Vater verbracht hatte, erzählt hat. Zum Beispiel von ihrer Seelentierzeremonie und ihren Geburtstagen. Während dieser Rede kamen auch mir die Tränen, denn ich hatte so viele Seiten von meinem Vater erzählt bekommen, die ich nie an meiner Mutter gesehen hatte. Jetzt wünsche ich mir, meinen Vater besser gekannt zu haben. Aideen hatte sich letztendlich weinend abgewendet und wir waren mit ihr nach Hause gegangen. Den Leichenschmaus hatten wir ausgelassen und eine völlig aufgelöste Aideen nach Hause gebracht. Während der Beerdigung hatte sie viele Geschichte aus ihrer Kindheit erzählt und wurde von Wellen der tiefen Trauer durchschüttelt. Weinend und schluchzend hatte sie Momente mit ihrem Vater erzählt und sogar ein Blinder hätte gemerkt, wie sehr sie unter dem Verlust ihres Vaters leidet.
Seitdem wir sie auf ihr Zimmer gebracht hatten, war sie nicht mehr herausgekommen und wenn man daran vorbeiläuft, hört man leises, aber bitteres und schmerzerfülltes schluchzen. Es macht mich so fertig Aideen völlig am Boden zerstört zu sehen und ich will ihr helfen, weiß aber nicht wie. Ich will sie wieder lachen sehen, aber diese Aideen ist in einem tiefen Loch voller Trauer verschwunden.

Am Abend diesen Tages
Aideen taucht plötzlich im Salon auf. „Hey." Überrascht schaue ich von dem Buch auf, dass ich gerade am lesen bin. „Hey, ist alles gut?" „Mhm." Sie nickt kurz und stürmt dann aber schon kurz darauf aus dem Salon. Beunruhigt folge ich ihr. Ich finde sie auf der Toilette über die Kloschüssel gebeugt. Sie spuckt sie die Seele aus dem Leib. „Oh Gott Aideen, was ist denn los?" „Nichts, mir ist bloß seit ein paar Wochen jeden Morgen schlecht und ich muss mich übergeben."

Ich stutze: „Schon seit ein paar Wochen?" Sie nickt. „Du und Niam... hattet ihr Sex?" Wieder nickt sie und ihr Gesichtsausdruck verrät mir, dass sie keinen blassen Schimmer hat, worum es geht. „Habt ihr verhütet?" Jetzt geht ihr ein Licht auf. „Du meinst ich bin..." „Na ja, wenn ihr nicht verhütet habt, dann...Weißt du was, du gehst jetzt schlafen. Morgen, ganz früh gehe ich einen Schwangerschaftstest besorgen und dann bekommen wir eine Bestätigung." Wieder nickt Aideen und schleppt sich müde auf ihr Zimmer. Beunruhigt begebe ich mich au mein zugeteilt bekommenes Zimmer. Was wenn sie wirklich schwanger ist? Wird Niam sie im Stich lassen?

Am nächsten Morgen
Recht früh bin ich aufgewacht und habe mich umgezogen. Jetzt mache ich mich auf den Weg zu einem Drogeriemarkt in der Menschenwelt. Ich habe nämlich absolut keine Ahnung ob es so etwas hier in Delminum auch gibt. Ich betrete nun also einen Drogeriemarkt und mache mich auf die Suche nach einem Schwangerschaftstest. Nachdem ich ihn gefunden habe begebe ich mich zur Kasse und bekomme einen komischen Blick von der Kassiererin zu geworfen. Es ist mir egal, ich mache das schließlich für meine Schwester.

Zurück in Delminum eile ich in Aideens Zimmer, aber treffe sie dort nicht an. Ich höre sie wieder einmal aus der Toilette. Sie ist am Spucken. Vielleicht brauchen wir gar keinen Schwangerschaftstest, diese Übelkeit ist doch eine Bestätigung. Sie kommt aus der Toilette und mustert mich. „Hast du ihn?" Ich nicke und gebe ihr die Packung. Schnell geht sie zurück auf die Toilette. Nach ein paar Minuten kommt sie wieder und setzt sich auf das Bett. „10 Minuten müssen wir warten." Ich nicke und lächele ihr aufmunternd zu. Dann setze ich mich neben sie: „Willst du denn Mutter werden?" „Ich weiß nicht, ich denke ich würde es schon akzeptieren, aber... Ich habe Angst, dass alleine durchstehen zu müssen." „Also falls Niam sich alleine lässt, bekommt er es mit mir zu tun und zum anderen: Ich werde Tante. Natürlich werde ich dir dann helfen."

Dankbar lächelt sie mich an. Dann sind die 10 Minuten auch schon vorbei und wir beide schauen gespannt auf den Test. Aideen schlägt sich mit der linken Hand vor den Mund. „Er ist positiv. Ich bin schwanger.", flüstert sie und wieder bilden sich Tränen in ihren Augen. Auch ich kann meine Tränen nicht mehr zurückhalten. „Ich werde Tante." Stürmisch umarme ich sie. „Ich glaube ich habe es einfach nicht gemerkt, wegen... na ja..." „Ich verstehe schon." „Calandra ich habe Angst." „Das brauchst du nicht, denn du wirst das nicht alleine durchstehen. Du hast mich beschützt vor dem Gericht der Götter. Du hast mich so oft aufgebaut. Und jetzt... Jetzt bin ich für dich da." Und endlich, endlich nach drei langen Monaten beginnt Aideen wieder zu strahlen.

„Im wievielten Monat bist du denn gerade?" „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, miteinander geschlafen haben wir an dem Tag, an dem du und Mistral euer Verhör hattet." „Das war doch... der День Победы. Habe ich das richtig ausgesprochen?" „Erst einmal ja hast du. Und stimmt, das Fest war am 1. Januar und das bedeutet, dass ich jetzt im... 4 Monat bin."

Zwischen Himmel und HölleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt