Fieber
„Words will scratch more hearts than swords."
Atticus
Es vergehen einige Wochen nach dem Aufeinandertreffen von Mehdi, Abbas, Vahap und Gerrit. Sobald wir außer Hörweite von meinen Kommilitonen waren, hat Abbas bereits angefangen über Vahap zu schwärmen, obwohl Mehdi ihm nicht einmal die Gelegenheit gegeben hat sich unter Beweis zu stellen. Dafür musste sich mein bester Freund mehrere Moralpredigten anhören. Auch wenn ich ihn wirklich gut kenne, weiß, dass er sich nur so benommen hat, weil er mich einfach nicht teilen möchte, hat er mich enttäuscht. Er hätte Vahap zumindest die Gelegenheit geben können ein paar Sätze zu sagen, denn ich hatte gespürt, dass ihm etwas auf der Zunge lag. Er hat nur auf den richtigen Moment gewartet.
Seitdem verhält sich Vahap zurückhaltender, irgendwie bedachter. Ich will ihm mehrmals sagen, dass er sich wegen Mehdi keine Sorgen machen muss. Auch wenn mein bester Freund es nicht laut ausspricht: Vahaps Auftreten hat ihn fasziniert. Und doch finde ich weder die richtige Gelegenheit, noch die richtigen Worte, um Vahap darauf anzusprechen.
Gerade sitze ich grinsend auf meiner Couch im Wohnzimmer und verfolge eine meiner Lieblingsszenen aus der Serie Suits — ich weiß nicht, wie oft ich die neun Staffeln inzwischen geschaut habe, aber es wird nie langweilig. Es ist schon spät, eigentlich müsste ich in der nächsten Stunde schlafen, um genug Schlaf für meine morgigen Vorlesungen zu haben. Eigentlich. Stattdessen nehme ich meinen gestörten Schlafrhythmus als Vorwand, um mehrere Folgen meiner Lieblingsserie anzuschauen. Ich werde nicht pünktlich schlafen gehen, das weiß ich. Ich trinke den letzten Schluck meines Kaffees aus, erhebe mich vom Sofa und laufe in die Küche, um meine Tasse in die Spülmaschine zu stellen. Vielleicht sollte ich meine nächtlichen Kaffees auslassen, um besser schlafen zu können. Als mein Handy zu klingeln beginnt, verwerfe ich den Gedanken und eile zurück ins Wohnzimmer, nur um verwirrt auf mein Handy zu starren, weil mich eine nicht eingespeicherte Nummer mitten in der Nacht anruft.
„Hallo?", meine Unsicherheit ist kaum zu überhören, das ist mir bewusst. Ungeduldig beiße ich mir auf die Unterlippe, hoffe endlich auf eine Aufklärung, wer am anderen Ende der Leitung ist. „Gott sei Dank, du hast abgenommen", bei Ömers unverwechselbarer Stimme reiße ich überrascht die Augen weit auf. „Ömer, ist alles in Ordnung?", schaltet sich mein Gehirn ein.
Da er Schulferien hat, ist Ömer seit zwei Tagen bei Vahap. Während der Abwesenheit seines Bruders — ob wegen der Uni oder der Arbeit —, hat er auf meine Empfehlung auch mit der Serie begonnen, die noch immer auf dem Bildschirm meines Laptops läuft.
„Nein. Doch. Ich weiß nicht", er holt tief Luft, lässt mich blitzartig hellhörig werden. „Mein Bruder hat seit etwa einer Stunde Schüttelfrost. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich habe versucht Gerrit zu erreichen, aber", Ömer unterbricht seinen Redeschwall. „Gerrit ist auf der Geburtstagsfeier seiner Großmutter, er wird deinen Anruf nicht gesehen haben", gedankenverloren starre ich auf meinen Laptop, bis ich Ömers Worte realisiere. Schnell klappe ich meinen Laptop zu und eile in mein Zimmer, um mir etwas anderes anzuziehen. „Schickst du mir eure Adresse? Ich mache mich sofort auf den Weg", das Telefon klemmt zwischen meiner Schulter und meinem Ohr, während ich in meinem Schrank nach einem T-Shirt suche. „Ich danke dir, Mina Abla. Ich würde so etwas nicht verlangen, wenn ich nicht komplett verzweifelt wäre. Ich kenne außer dir und Gerrit niemanden aus seinem Freundeskreis hier", Ömers Stimme zittert verräterisch, was mich dazu alarmiert den Anruf auf Lautsprecher zu stellen und mich so umzuziehen, da Auflegen nicht zur Debatte gehört. „Du brauchst dich nicht bedanken, Ömer. Ich mache das gerne", ich schaue kurz auf mein Spiegelbild, nicke zustimmend — die schwarze Jogginghose sitzt locker und das T-Shirt, das einst meinem Vater gehörte, ist ausgeleiert und übergroß. „Das ist keine Selbstverständlichkeit, das weiß ich sogar mit meinen vierzehn Jahren. Also bitte, verharmlos deine Tat nicht", höre ich ihn sagen, während ich meine Wohnungstür zuziehe und sie abschließe. „Ich bin so schnell es geht da", unschlüssig, ob ich den Anruf beenden soll oder Ömer nicht alleine lassen soll, formuliere ich offene Aussagen. „Aber bitte fahr vorsichtig", unwillkürlich zucken meine Mundwinkel in die Höhe. „Versprochen", ich befestige mein Handy in der Halterung und sobald der Motor anspringt, verbindet sich mein Handy mit den Lautsprechern. Bevor ich losfahre, stelle ich die Navigation ein. „Laut Navi brauche ich zehn Minuten. Kannst du kurz nachschauen, ob Vahap Fiebersenkungsmedikamente hat? Sonst fahre ich kurz an der Notfallapotheke vorbei", ordere ich Ömer an und lenke den Wagen in die Richtung, die mir das Navigationsgerät vorgibt. Es ist für eine kurze Zeit still, lediglich einige Schubladen werden geräuschvoll geöffnet und geschlossen, bis Ömer scheinbar fündig wird. Er liest mir die Namen der Medikamente vor. „Okay, das passt", ich lächle und festige meinen Griff um das Lenkrad.
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Geziert
Jugendliteratur„Wie beginnt wohl die Geschichte jeden Kriegers? Bei den meisten mit Menschen, die einem einreden wollen, dass man etwas nicht schafft. Und so war es auch bei meinem persönlichen Krieger, meinem Helden... Vahap." Zufrieden schaue ich auf die ersten...