Zwanzigste Verzierung

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Das Gespräch I

"You never fail to make me feel like home."

Parul Nigam

„Ich weiß nicht, was du davon hältst, aber wenn es für dich in Ordnung geht, möchte ich morgen mit meiner Mutter über uns sprechen", vorsichtig blicke ich zu Vahap. Er stoßt sich von der Wand ab, an der wir nebeneinander angelehnt stehen und auf Gerrit warten. Wir haben heute unsere letzte Klausur geschrieben und gehen das, sobald Gerrit den Hörsaal verlässt, feiern.
Vahap dreht sich um 90 Grad, sodass er nun zu mir schaut und lehnt sich nur noch mit der linken Schulter an die Wand. Als sein Gesicht von einem breiten Lächeln geziert wird, wird mir klar, dass er nichts gegen meinen Vorschlag einzuwenden hat. „Das klingt nach einem guten Plan. Und je nach dem, wann sie es deinem Vater sagen will, können wir dann ja ein Kennenlernen planen", schlägt Vahap vor und nimmt mir all die Lasten, die ich mit dem Thema in Verbindung gebracht hatte. „Danke", flüstere ich und schaue ihm tief in die Augen. Sie leuchten, bieten mir regelrecht ein Feuerwerk, von dem ich mich nicht wegreißen kann, niemals wegreißen möchte. „Wofür denn?", will er neckend wissen und grinst breit. „Ach", ich mache eine wegwerfende Handbewegung, „nur dafür, dass du mir bei künftigen Familientreffen die Antwort auf die Frage nach der Heirat erleichtern wirst. Jetzt brauche ich keine Ausreden mehr erfinden." Ein leises Lachen verlässt Vahaps Mund und unvorbereitet werde ich in seine Arme gezogen. „Ich dachte schon, dass du was romantisches raushauen wirst", obwohl ich sein Gesicht nicht sehen kann, höre ich seiner Stimme heraus, wie amüsiert er gerade ist. „Ne du, lass mal", grinse ich breit und schließe die Augen. Dadurch nehme ich den Moment viel intensiver wahr, spüre Vahaps schnell schlagendes Herz, lasse mich von seinem wohligen Duft einhüllen. Seine Hände, die mir vorsichtig durch die Haare fahren, bereiten mir eine wohlige Gänsehaut.

Als wir in dem Restaurant ankommen, wo wir das Ende unserer Klausurphase besiegeln wollen, kommen auch mein Bruder, Mehdi und Gerrits Freundin Sarah dazu. Wir genießen das Beisammensein, essen, trinken und lachen reichlich und verabschieden uns nach Stunden voneinander. „Erhol dich gut, nächstes Semester brauchen wir dich wieder mit 100%", grinst Gerrit und legt den rechten Arm um die Schulter seiner Freundin. „Ich werde mein bestes geben! Und ihr beiden, habt einen schönen Urlaub", ich lächle beide breit an, woraufhin mich Sarah in die Arme schließt. „Ich bin so froh, dass Gerrit euch hat. Ihr seid die nötige Motivation für ihn", flüstert sie mir zu und lässt mein Lächeln nur noch breiter werden.

„Wir warten im Auto", flüstert mir Mehdi zu, als jeder sich von jedem verabschiedet hat bis auf Vahap und ich. „Danke", forme ich mit meinen Lippen und sehe den beiden Jungs zu, wie sie sich von uns entfernen. „Hast du vor nochmal nach Heilbronn zu fahren, bevor das Semester losgeht?", frage ich Vahap. „Ja, ich muss. Aurelio hat Geburtstag, da bin ich übers Wochenende da. Ömer schuldet dir noch ein Essen. Vielleicht können wir es einrichten, dass du uns besuchen kommst?", er steckt sich die Hände in die Hosentaschen, presst die Lippen aufeinander und schaut mich fragend an. Der zögernde Ausdruck in seinem Gesicht lässt mich unwillkürlich lächeln. „Essen klingt gut", grinse ich ihn an und verringere den Abstand zwischen uns, bis ich vor ihm zum Stehen komme und meine Arme um ihn schlinge. „Pass gut auf dich auf", flüstere ich und werde im gleichen Moment von seinen Armen umschlungen. „Das werde ich, versprochen. Jetzt habe ich nämlich einen sehr wichtigen Grund dafür", höre ich ihn sagen. Ohne mich von ihm zu lösen, bringe ich etwas Abstand zwischen uns, um ihm ins Gesicht schauen zu können. „Ach ja?", frage ich und hebe die rechte Augenbraue, „welchen denn?" „Du stellst doch normalerweise keine Fragen, deren Antwort du bereits kennst", neckt mich Vahap. Sein Griff lockert sich etwas, eine seiner Hände berührt urplötzlich meine Nase, weswegen ich überrascht die Augen aufreiße. „Du bist der Grund", flüstert er schließlich und schließt die Augen. Und ohne den magischen Moment mit meinen Worten zu zerstören, umarme ich Vahap ein letztes Mal, ehe ich mich umdrehe und in die Richtung laufe, wo mein Auto steht. Bevor ich aus Vahaps Sichtfeld verschwinde, drehe ich mich ein letztes Mal um, erblicke ihn an Ort und Stelle und winke ihm zum Abschied zu. Lächelnd winkt er zurück und atmet erleichtert aus.

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