Hoffnungen und Fehler
„I've lost enough to never need another lesson in heartache again."
„Du bist zu früh", stelle ich grinsend fest, als ich Vahap meine Wohnungstür öffne. „Das ist mir bewusst, nur wollte ich deine vier Wände in aller Ruhe unter die Lupe nehmen, ehe deine Beschützer kommen und ich mich nicht mehr traue", sein Lachen erfüllt meine Wohnung und mit einem Mal steckt so viel Liebe in den kleinen, erinnerungskargen Räumen. „Verstehe, du hast also Angst vor meinen Jungs. Du wirkst normalerweise gar nicht so", die Wirkung, die er auf mich und meine Laune hat, macht mir Angst und gleichzeitig gibt sie mir inneren Frieden. „Mehdis Bizeps ist größer als dein Kopf, Mina, also ist meine Angst doch vollkommen berechtigt, auch wenn ich weiß, dass er mir nichts antun würde", er zieht sich die Jacke aus und hängt sie an den Kleiderhaken — damit entblößt er seine eigenen Arme, die nicht wirklich weniger muskulös sind, als Mehdis Arme. Obwohl noch etliche Haken frei sind, hängt er seine Jacke genau über meine, weswegen ich meine Augenbrauen leicht zusammenziehe. Als er meinen Blick wahrnimmt, umschleicht ein schüchternes Lächeln seine Lippen. „Vielleicht nimmt meine Jacke deinen Eigengeruch an", er zuckt leicht mit den Achseln und lässt mich dadurch erröten. „Eşeksin (du bist ein Esel)", ich schüttle fassungslos mit dem Kopf, lache leise und laufe ins Wohnzimmer, wo er mir hin folgt.
„Mehr als dieses Zimmer wirst du heute nicht sehen", kommentiere ich, während mein Blick über die leeren Wände gleitet. Mein Zimmer ist gerade nicht aufgeräumt, weswegen mich der Gedanke unwohl fühlen lässt, ihn in diese Unordnung zu lassen.
„Ich nehme an, dass dein Zimmer deutlich personalisierter ist, als dein Wohnzimmer. Also bestehe ich darauf dein Zimmer zu sehen", er blickt mir tief in die Augen und wie in einer Trance nicke ich und laufe in mein Zimmer. „Aber es ist etwas unordentlich und eigentlich wollte ich dir das alles aus diesem Grund ersparen", ich seufze tief und verschränke die Arme vor der Brust. „All das ist mir egal, Mina. Ich will einfach nur wissen, wie du lebst. Wenn du nicht willst, dass ich da reingehe, dann lasse ich das", er legt vorsichtig eine Hand auf meinen Oberarm und schaut mir tief in die Augen. „Du denkst scheinbar echt, dass ich dir deine Wünsche abschlagen könnte, wenn du mich so ansiehst", ich schüttle grinsend mit dem Kopf und drücke die Türklinke runter.„Ist Ubeyd eigentlich nicht eifersüchtig auf dein Verhältnis mit Mehdi?", fragt Vahap, sobald er die Bilder über meinem Bett zu analysieren beginnt. Auf fast jedem sind Mehdi und ich abgebildet, vereinzelt sind unsere anderen Familienmitglieder dabei, aber der Fokus liegt immer hauptsächlich auf uns beiden. „Doch, und ich kann's ihm auch gar nicht verübeln, aber das hat er sich selbst zuzuschreiben. Wir hatten gegen Ende der Mittelstufe eine Phase, wo wir ständig das gleiche geträumt haben. Als wir dann mehr über dieses Phänomen — Shared dreaming — gelesen haben, desto mehr Distanz hat er zwischen uns gebracht, um zumindest in seiner Traumwelt seine Ruhe vor mir zu haben", ich schüttele mit dem Kopf und kann nicht fassen, dass mich die Sache immer noch traurig stimmt.
Vahap läuft weiter in meinem Zimmer herum und bleibt vor meinem Regal stehen, in dem ein ganz besonderes Foto eingerahmt steht. Ich reiße die Augen auf, eile zu ihm und verstecke den Bilderrahmen hinter mir, ehe er danach greifen kann. „Das war ein Bild von uns beiden", stellt er das Offensichtliche fest und zieht die Augenbrauen zusammen. „Ja", piepse ich und drücke mich mitsamt des Rahmens gegen die Wand. „Warum weiß ich nichts über dessen Existenz?", fragt er nun mit einem frechen Grinsen im Gesicht. „Weil Abbas es spontan geschossen hat, als wir in Heilbronn waren", ich zucke mit den Achseln und lächle zögerlich.
Ich weiß noch ganz genau, wie Abbas mir noch am selben Abend in völliger Stille sein Handy gereicht hat, als Mehdi gerade außer Reichweite war. Er hat mir die Macht überlassen, was ich mit dem Bild machen wollte, das mir entgegen geleuchtet hat.
Ich habe einige Sekunden einfach nur breit lächelnd auf den Bildschirm gestarrt, habe mir das Bild geschickt und es anschließend von Abbas' Handy gelöscht. Er hat nicht protestiert, weder als ich es aus der Galerie gelöscht habe, noch als ich es aus dem „Zuletzt gelöscht"-Ordner verbannt habe.
„Ihr passt so gut zusammen, Mina. Ich hoffe, dass euer Glück auf ewig hält", hat er gemurmelt, mich in eine Umarmung gezogen und erst losgelassen, als Mehdi uns kritisch beäugt hat.
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Geziert
Novela Juvenil„Wie beginnt wohl die Geschichte jeden Kriegers? Bei den meisten mit Menschen, die einem einreden wollen, dass man etwas nicht schafft. Und so war es auch bei meinem persönlichen Krieger, meinem Helden... Vahap." Zufrieden schaue ich auf die ersten...