"I hope you find the person who's trying to find you."
Sobald ich Vahap aus der Haustür herauskommen sehe, spüre ich das deutliche Hämmern meines Herzens gegen meine Brust. Ich kann nicht abstreiten, dass ich glücklich bin ihn zu sehen. Und gerade jetzt, wo er zielstrebig auf meinen Wagen zuläuft, wird mir bewusst wie sehr ich ihn vermisst habe. Dieser plötzliche Gedanke macht mir Angst, sodass ich aus dem Wagen springe und zum Kofferraum laufe, um mich abzulenken. Sobald ich die Heckklappe öffne, schiebe ich meinen eigenen Koffer zurecht, sodass auch Vahaps problemlos reinpasst. „Hey", Vahap bleibt etwa einen Meter vor mir stehen und lächelt schief. Dabei sind seine Grübchen so dominant, dass ich drohe in ihnen zu versinken.
Wegsehen! Mina! Wegsehen!
„Auch hey", schaffe ich es ihm nach einigen Augenblicken zu antworten. Wortlos trete ich vom Kofferraum weg und Vahap läuft vor. Mit einer leichten Bewegung hievt er seinen Koffer in den Wagen, rückt alles zurecht und schließt schließlich die Heckklappe. „Dann wollen wir mal?", frage ich und deute auf den Wagen. Er nickt, doch bewegt sich keiner von uns von Fleck. Meine Blicke gleiten zu seinen Augen, die eine unfassbare Müdigkeit ausstrahlen, untermauert von den tiefen Augenringen, die vor zwei Wochen nicht da waren. Ich möchte fragen, was ihn bedrückt, doch traue ich mich nicht.„Ihr seid ja noch nicht los", ertönt plötzlich eine Stimme und lässt mich erschrocken zusammenzucken — damit hatte ich nicht gerechnet. Vahap blickt über seine Schulter zu dem Jungen, der uns mit jedem Schritt näher kommt.
Je länger ich ihn anschaue, desto deutlicher erkenne ich seine Ähnlichkeit zu Vahap — er hat nahezu die gleichen Gesichtszüge, die gleichen Augen und tatsächlich die gleichen Grübchen — und vermute, dass es sich um seinen Bruder handelt. „Hallo Mina Abla, ich bin Ömer, sein Bruder", stellt er sich mir vor und hält mir die Hand hin. Unwillkürlich zucken meine Mundwinkel in die Höhe und automatisch schüttle ich seine Hand. „Hallo", antworte ich lediglich und blicke zu Vahap, der uns beobachtet. „Wohin?", fragt Vahap seinen Bruder und zieht die Augenbrauen zusammen. „Hab Said Abi angerufen und gefragt, wann ich vorbeikommen soll. Er meinte, dass ich vor dem Training bei ihnen sein soll, damit er Mansur und mich fahren kann", Ömer zuckt mit den Achseln, rückt die Trainingstasche — die ich bis dato nicht bemerkt hatte — auf seiner Schulter zurecht und vergräbt anschließend die Hände in den Hosentaschen.
„Mina abla?", wendet er sich nun an mich, und fährt nach meinem Nicken fort — ich ignoriere den Fakt, dass er meinen Namen kennt, bewusst —, „würde es dir was ausmachen, mich kurz dahin zu fahren?" Ein kleiner Seitenblick zu Vahap und es ist deutlich, was er von der Idee seines Bruders hält, doch ist mir das in dem Moment egal.
Als mir eine Idee in den Sinn kommt, grinse ich breit. „Natürlich, aber unter einer kleinen Bedingung", ich winke ihn zu mir herüber und ohne zu zögern bewegt Ömer sich zu mir. Sobald er nah genug bei mir ist, lehne ich mich vor und mache an seinem Ohr halt. „Verrätst du mir, wie dein Bruder seinen Kaffee trinkt? Und am besten auch, ob er eine Lieblingsbäckerei hier hat, irgendwas besonders gerne isst", flüstere ich und sobald ich mich wieder aufrichte, sehe ich Ömers strahlendes Gesicht. Dieses Mal beugt er sich zu meinem Ohr vor. „Je nach Laune. In der Regel Schwarz, ohne Zucker. Aber wenn er gut gelaunt ist, wie jetzt, dann trinkt er gerne Cappuccino, aber auch wieder ohne Zucker. Da bei Said Abi, also wo wir hinfahren, ist eine Bäckerei. Die Puddingschnecken dort isst er am liebsten", er richtet sich auf, grinst breit, läuft ums Auto und lässt sich schließlich auf dem Rücksitz nieder.
Meine Blicke gleiten zurück zu meinem Kommilitonen, der mich fragend anschaut. Die Frage nach meiner Bedingung brennt auf seiner Zunge, das merke ich ihm an und dennoch bleibt er still — zumindest für einen kurzen Moment.
„Das hättest du nicht machen müssen", Vahaps Stirn ist in Falten gelegt und ich meine ein schlechtes Gewissen aus seiner Stimme heraus zu hören. „Ich mach das gerne, wirklich!", beteuere ich und laufe schließlich zum Fahrersitz, um das Gespräch nicht unnötig in die Länge zu ziehen. Ömer reicht mir sein Handy, bei dem bereits das Navi eingestellt ist und sobald auch Vahap im Wagen sitzt und angeschnallt ist, fahre ich los.
„Said fährt euch also zum Trainig?", Vahap dreht sich zu Ömer und vom Rückspiegel sehe ich ihn nur zustimmend nicken. „Mansur und ich gehen nach dem Training noch Seele essen", an einer roten Ampel drehe ich mich ebenfalls zu Ömer. „Was ist Seele? Und welchen Sport machst du?", frage ich, ehe ich mich wieder der Straße widme. „Ich spiele Basketball, seit ungefähr fünf Jahren", Ömer lächelt und fährt sich durch die dichten Haare. „Und Seele ist... Seele einfach. Das kann man nicht in Worte fassen, das musst du einfach probieren! Das ist wie eine Kombination aus Pizza, Döner und Pide, aber irgendwie auch was total eigenes. Wenn du mal hier bist, bringe ich dich dahin", Ömers Euphorie lässt mich unwillkürlich lächeln. „Das klingt lecker. Auf das Angebot komme ich gerne zurück", ich grinse breit und lenke den Wagen, wie mir die Navigation vorgibt.
Nach einigen stillen Momenten, beugt sich Ömer vor und als er wieder aufrecht sitzt, ist seine Stirn in Falten gelegt. „Mina Abla ist das deine Snapback? Bist du fanatisch?", fragt Ömer und hält eine schwarze Cap hoch. Sobald ich die Bestickung sehe — es ist das Wappen der türkischen Mannschaft Galatasaray — wird mir klar, dass Mehdi seine Cap bei mir liegen lassen hatte. „Nein, die ist von meinem besten Freund. Aber ja, bin eine fanatische Galatasaray-Anhängerin", ich lächle ihn vom Rückspiegel an. Als hätte mein bester Freund just in diesem Moment das Fehlen seiner Cap festgestellt, ruft er mich an. „Ich muss da kurz ran", lasse ich die Brüder wissen und erhalte dafür zustimmendes Nicken.
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Geziert
Novela Juvenil„Wie beginnt wohl die Geschichte jeden Kriegers? Bei den meisten mit Menschen, die einem einreden wollen, dass man etwas nicht schafft. Und so war es auch bei meinem persönlichen Krieger, meinem Helden... Vahap." Zufrieden schaue ich auf die ersten...