Kapitel Fünf

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Welche Art von Ort die Zwillinge genau gemeint hatten, fand ich jedoch erst heraus, als wir schließlich nach einem weiteren, langen Fußmarsch vor einem großen Gebäude zum Stehen kamen. Obwohl man deutlich sehen konnte, dass es schon einige Jahre in dem wechselhaften Wetter von Sokovia überstehen musste, wirkte es im Gegensatz zu vielen Häusern, an denen wir auf dem Weg vorbeigekommen waren, unversehrt und durchaus bewohnbar. Direkt über dem Eingang hing ein leicht vergilbtes Schild mit einer Aufschrift, die ich durch die offensichtliche Sprachbarriere nicht entschlüsseln konnte, weshalb ich fragend zu Wanda sah, die mich jedoch nur anlächelte und vortrat, um den altmodischen Türklopfer zu nutzen.

Wir warteten einige Minuten, in denen niemand von uns etwas sagte, dann öffnete sich die Tür und eine junge Frau erschien im Eingang. Ihre langen, braunen Haare waren zu einem Pferdeschwanz gebunden und auf ihren Lippen lag ein freundliches Lächeln, das für einen kurzen Moment verschwand, als sie uns sah. 

Normalerweise hätte ich das als ein Zeichen für einen sofortigen Rückzug interpretiert, doch schon im nächsten Moment stürzte sie praktisch einige Schritte vor, bis sie direkt vor uns stand.

"Pietro?", murmelte sie fast ungläubig, wobei sie ihn halb verwirrt, halb freudig ansah und uns andere gar nicht zu bemerken schien.

"Hi." Pietros üblicher Charme und seine lockere Art schien auf einmal verschwunden zu sein, während er sich leicht nervös am Hinterkopf kratzte und dabei ihre Reaktion abzuwarten schien.

Die junge Frau stand noch einen Moment sprachlos da, dann begann sie einen regelrechten Schwall von Wörtern in Sokovisch abzusondern, von dem ich natürlich nichts verstand.

Bevor ich noch einmal hätte versuchen können, Wanda als Übersetzerin anzuheuern, unterbrach sie ihren Monolog, indem sie ihre Arme und Pietro legte und ihn umarmte.

Da ich mich etwas unwohl damit fühlte ihre scheinbar recht emotionale Wiedervereinigung zu beobachten, machte ich es mir zur Aufgabe, stattdessen mit riesigem Interesse die Hauswand anzustarren, bis sich die Beiden voneinander lösten, was zum Glück nicht allzu lange dauerte.

Pietros Blick wanderte für einen kurzen Moment zu mir, weshalb ich fragend eine Augenbraue hob, worauf er nicht weiter einging.

Stattdessen räusperte er sich leicht verlegen und deutete dann fahrig mit einer Hand in die Richtung, in der ich und Wanda standen.

"Maria, du erinnerst dich vielleicht noch an meine Schwester Wanda." Erst jetzt wanderte Marias Blick zu uns und blieb an mir hängen, wobei sich ihre Verwirrung deutlich auf ihrem Gesicht zeigte. "Und das daneben ist Alicia. Alicia, das hier ist meine alte Freundin Maria."

Die Braunhaarige lächelte mich leicht an und bot mir ihre Hand zur Begrüßung an. Nachdem wir uns begrüßt hatten und Pietro Maria noch erklärt hatte, dass ich kein Sokovisch sprechen konnte und wir daher in Englisch kommunizieren sollten, schien die unausgesprochene Frage förmlich für alle spürbar in der Luft zu schweben: Was machten wir hier überhaupt?

"Pietro und ich hatten gedacht, dass wir drei vielleicht für eine Weile hier Unterschlupf finden könnten", meldete sich Wanda schließlich zu Wort, als niemand anderes etwas dazu sagte.

"Hier?" Maria sah erstaunt zwischen uns hin und her, bevor sie langsam nickte. "Ich meine, natürlich jederzeit, dafür sind wir immerhin da, aber das scheint nicht so ganz zu euch zu passen."

Die Art, wie sie "euch" sagte, ließ vermuten, dass sie eigentlich eher nur Pietro damit meinte.

"Wir wollten mal einen anderen Weg ausprobieren", wandte er ein, als hätte er denselben Gedanken wie ich gehabt, "Außerdem hat Alicia uns davon überzeugt, dass das gerade am sichersten für uns wäre."

Divided Worlds (Pietro Maximoff/Quicksilver Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt