Nach dem Eklat habe ich den Film zu Ende geschaut und sofort wieder einen Neuen gestartet. Ich wollte erst gar nicht darüber nachdenken, was Eliandro mit mir anstellt, wenn er davon erfährt. Fünf Actionfilme später kommt Sara mit einem Tablett wieder. An ihrem Auftreten erkenne ich, dass sie keine Angst mehr vor mir hat, sie wirkt wie beim ersten Mal.
„Soll ich es dir direkt reichen?", fragt sie mich lächelnd.
„Gerne", antworte ich ihr. Ich rieche die Tunfischpizza, die auf dem großen Teller auf dem Tablett liegt, und mein Hunger wächst augenblicklich. Den Apfel habe ich zwar zwischendurch gegessen, aber ein Sättigungsgefühl blieb aus.
Sara reicht mir das Tablett und verabschiedet sich mit den Worten: „Bis gleich."
Die Hälfe der bereits vorgeschnittenen Pizza esse ich schnell auf, die andere Hälfte lasse ich von Sara wieder abholen, mit der Begründung, ich sei satt. So ganz stimmt das aber nicht, ich habe gerade so meinen Hunger gestillt bekommen. Auf der anderen Seite lasse ich mich aber nicht ohne Protest hier einsperren, auch wenn dieser mir selbst schadet.
Die nächsten Tage vergehen ähnlich, außer dass ich Francesco nicht mehr angreife. Morgens esse ich nur das Brot und trinke den Kakao, mittags das Obst, abends einen Teil der warmen Mahlzeit. Der Bewegungsdrang nimmt zu, doch zum einen ist mein Verlies zu klein für sportliche Aktivitäten und zweitens bin ich nach wie vor verletzt. Daher schaue ich den ganzen Tag Filme und Serien auf Netflix. Früher haben Mina und ich davon geträumt ununterbrochen eine Serie uns anschauen zu können, jetzt wünsche ich mir schon die Unterbrechung. Am Anfang ist das noch ganz ok, aber mit der Zeit verlieren die Serien an Spannung, egal wie actionreich sie doch sind. Ich sehne mich zunehmend nach meinem Alltag, sogar nach meinen cholerischen Chef, der bei Unpünktlichkeit ausrastet. Immer länger unterhalte ich mich mit Sara, von der ich schon einiges erfahren habe: Sie ist schon seit Jahren Eliandros Haushälterin. Zuvor hat sie in einer Ehe gelebt, wo ihr Mann sie misshandelt hat. Eliandro hat sie selbst von dem Tyrannen befreit und bei sich eingestellt, da sie sonst völlig mittellos gewesen wäre. Ihre positive Einstellung zu Eliandro versucht sie auch mir zu übermitteln, aber der Hass in mir weicht nicht. Natürlich hat er auch mir in gewisser Weise bei Adrian geholfen, aber das war nicht die Hilfe, die ich mir gewünscht hätte. Statt mich einfach gehen zu lassen, war er es, der mich in der Vorratskammer entdeckt und wieder zurückgebracht hat. Dies verübele ich ihm bis heute. Auch aus meinen Leben habe ich Sara ein paar Dinge erzählt, jedoch niemals meine Freundin, Eltern oder sonstige wichtige Personen in meinem Leben erwähnt. Meine Sorge um Mina hat sich nicht geschmälert, aber ich bin mir sicher, dass sie entweder Daves Tod akzeptiert hat oder sich bereits umgebracht hat. Bei letzterem hoffe ich natürlich, dass Skyler genau das verhindern konnte. Wenn sie aber lebt, bin ich mir sicher, dass sie nach mir sucht. Vielleicht nutzt sie gerade im Moment ihre Kontakte zum FBI und weist sowohl Skyler als auch den IT-Spezialisten an, Spuren von mir zu finden. Wenn das der Fall sein sollte, wird Mina aber wieder die Person sein, die von Rache gesteuert wird und keine wirkliche Lebensfreude hat. Obwohl ich genau das nicht möchte, weiß ich, dass es nach Daves Tod unvermeidlich war, selbst, wenn ich zugegen gewesen wäre. Sie wird alles daransetzen, den Komplizen von Jackson zu finden und zu töten. Genauso wird sie endlich den Boss der Gang finden wollen, da sie nach wie vor den Tod ihrer Eltern rächen möchte. Durch Dave war das etwas in den Hintergrund gerückt, da sie dabei war, ihre eigene Familie aufzubauen. Durch ihn bekam sie wieder Lebensfreude, die Jackson und der Unbekannte ihr wieder genommen haben. Wenn ich so darüber nachdenke, juckt es mir in den Fingern, den Kerl umzubringen, aber ich bin gefangen. Vielleicht ist das aber auch die Strafe dafür, dass ich Jackson nicht gleich, nachdem ich erfahren habe, was für ein Schwein er ist, umgelegt habe. Hätte ich es getan, würde Dave noch leben und Mina wäre glücklich. Frustriert schlage ich mehrfach mit meinen Fäusten gegen die Wand, die natürlich keinen Millimeter nachgibt. Dafür mahlen sich kleine Blutflecken an der Tapete ab.
DU LIEST GERADE
HELenA
Teen FictionKurz nachdem Helena entführt wurde, lernt sie ihren Entführer kennen - ein alter Bekannter. Sein Plan: sie zu verkaufen. Helena aber denkt gar nicht daran, den skrupellosen Menschenhändlern zu gehorchen, auch nicht dem, der sie kauft und nach Italie...