Offenheit

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Es sind einige Tage vergangen. Noch immer trägt Eliandro einen Verband um seine Schulter sowie um seinen Arm, um unkontrollierte Bewegungen zu vermeiden. Mittlerweile haben wir aber das Krankenzimmer verlassen und schlafen wieder in seinem Schlafzimmer. Anfangs war er schlapp, der Blutverlust hat ihm doch merklich zugesetzt. Jeden Tag aber hat er an Kraft zurückgewonnen und murrt täglich über den lästigen Verband. Meine Verletzung durch den Streifschuss verheilt genauso gut wie Eliandros Schussverletzung, der Arzt ist sehr zufrieden. Mittlerweile spüre ich kaum noch Schmerzen, wenn ich seitlich auf dem Arm liege. Endlich kann ich mich wieder dicht an ihn kuscheln, meinen Kopf auf seine linken Brusthälfte ablegen und seinem Herzschlag lauschen – genau wie jetzt. Eliandro wurde Ruhe verordnet, was er zwar nicht allzu genau nimmt, aber dennoch können wir länger Zweisamkeit genießen. Noch hat er mir nicht gesagt, was es für Veränderungen geben wird. Mir sind sie auch ehrlich gesagt egal, im Augenblick fühlt sich alles richtig an. Neue Träume, in denen meist Eliandro getötet wird, quälen mich jedoch nachts, lassen mich schweißgebadet aufwachen. Eliandro wacht dann ebenfalls mit auf und beruhigt mich mit Worten und Gesten. Allerdings scheint auch er unter Alpträumen zu leiden. Mehrmals wurde ich durch seine Unruhe geweckt, wobei er meist etwas Unverständliches genuschelt hat. Berührungen meinerseits reichten bis jetzt aus, um ihn zu entkrampfen. Natürlich habe ich ihn darauf angesprochen, doch er behauptet, er wisse von nichts. Dabei glaube ich, dass er genauso unter dem Angriff der gegnerischen Gang leidet wie ich und es einfach aus Stolz nicht zugeben möchte.

„Ich habe dir Veränderungen versprochen und es wird Zeit, dass ich dir ankündige, um welche es sich handelt", unterbricht er die angenehme Stille.

Ich hebe meinen Kopf überrascht an und schaue ihm erwartungsvoll in seine Augen.

„Bitte lass mich das nicht bereuen." Seine Stimme klingt unsicher, bittend.

Soweit es in meiner Stellung möglich ist, schüttele ich den Kopf. „Niemals."

„Ich werde dich nicht länger hier festhalten. Wenn..."

Erschrocken unterbreche ich ihn: „Willst du mich loswerden?"

„Nein, um Himmels Willen", wehrt er ab, spricht aber schmunzelnd weiter: „Wenn du nicht so ungeduldig wärst, wüsstest du jetzt, dass du hier ein und ausgehen kannst, wie du möchtest."

Mir fällt ein Stein vom Herzen. „Wie genau meinst du das?", hake ich nach.

„Dieses Haus soll nicht länger ein Gefängnis für dich sein, sondern unser Zuhause, wo du dich absolut wohl fühlst."

Ich strahle ihn an. „Unser Zuhause." Es freut mich unheimlich, dass er dieses Haus nicht als sein Zuhause ansieht, sondern als unsers. Es beweist, dass er eine Zukunft mit mir aufbauen möchte.

„Francesco oder ein anderer würde dich allerdings zu deinem Schutz begleiten, auch wenn ich weiß, wie gut du bist. Aber", jetzt stockt er und wirkt mit einem Mal unfassbar traurig, „ich habe dich auch entführen können, also ist es mit Bodyguard sicherer."

„Du warst das im Gebüsch?" Auch wenn ich schon gefühlsmäßig diesen Verdacht hegte, hatte ich nie eine Bestätigung.

Betroffen nickt Eliandro. „Es war falsch." Mit reuevollen Augen sieht er in meine und kommuniziert mir so stumm, dass es ihm unsagbar leidtut.

„Ja, es war falsch", schüre ich seine Schuldgefühle. „Du hättest mich wie jeder andere auch von dir überzeugen können. Aber ich verzeihe dir."

„Danke." Unbeholfen zieht er mich zu sich nach oben und küsst mich mit einem sehr gefühlvollen Kuss, der meine Sinne benebelt und doch seine Liebe zu mir deutlich macht. „Von mir aus kannst du auch deine Freundin anrufen", schlägt er mir vor, als ich mich wieder an seine Brust kuschele.

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