Als ich am Morgen nach der Skifahrt aufwache, liege ich nur noch in Unterwäsche in Eliandros Armen. Sein warmer Atem streift meinen Nacken, mit dem Rücken liege ich an seine starke Brust gepresst. So fühle ich mich wohl, geborgen, sicher. Küsse in meinem Nacken lassen den Schluss zu, dass auch Eliandro erwacht ist. Mit einem Lächeln auf meinen Lippen drehe ich mich zu ihm um, und küsse ihn. Fordernd streicht er mit seiner Zunge über meine Unterlippe, der ich natürlich Einlass gewähre. Unser Kuss endet in verbundenen Körpern. Ich gebe mich dem Mann vollendend hin, der mich nach Italien entführt, geschlagen und vergewaltigt hat. So widersprüchlich das auch sein mag, so groß ist aber auch der Wandel, den er vollzogen hat.
Nach dem berauschenden Morgen und einem anschließenden Frühstück hat sich Eliandro zusammen mit Francesco wieder in sein Büro zurückgezogen. Ich kümmere mich zusammen mit Sara um das Mittagessen, wobei ich mich immer wieder dabei erwische, wie ich verträumt aus dem Fenster sehe und an heute Morgen denke.
„Bist du glücklich?", fragt mich Sara und reißt mich damit aus meinen Tagträumen.
Ohne zu zögern, nicke ich, denn ich bin glücklich, auch wenn mir die Sache mit Minerva natürlich noch im Magen liegt. Sie ist meine beste Freundin und ich sollte ihr Bescheid geben, dass es mir gut geht. Meine Gewissensbisse mindern aber nicht meine Freude. Ich kann mich nicht erinnern, in den letzten Jahren jemals so glücklich gewesen sein. Natürlich sollte mich das schockieren, da mein Käufer diese Gefühle in mir hervorruft, aber nachdem, was ich in Phoenix und zuvor in meiner Heimatstadt Colorado Springs erlebt habe, ist das wiederum nicht mehr verwunderlich.
„Ich bin froh darüber, dass Eliandro wieder sein wahres Gesicht zeigt", seufzt Sara erleichtert.
„Wie meinst du ‚sein wahres Gesicht'?", hake ich nach.
Sie streicht sich mit der Hand über ihr Gesicht und scheint zu hadern, ob sie mir dies wirklich erklären soll – so deute ich jedenfalls ihren Blick. Schließlich entscheidet sie sich dennoch dazu: „Sein Vater wollte ihn zu dem perfekten Nachfolger erziehen. Gefühle dürfen bei der Mafia keine Rolle spielen. Einmal hatte er eine Freundin, die ist aber schnell wieder geflüchtet. Sein Vater sah Frauen als Gegenstände für die eigene Befriedigung an, mit denen man tun und lassen kann, was man möchte. Seine einzige Ausnahme stellte seine Ehefrau dar, die er abgöttisch liebte. Gleichzeitig war ihm bewusst, dass er sich so angreifbar gemacht hat. Er musste sie also beschützen. Das wiederum wollte er bei seinem Sohn vermeiden und präsentierte ihm entsprechend ein Mädchen nach dem anderen. Er hat also nie etwas anderes gelernt. Anfangs hat er sich gewehrt, aber sein Vater war..." Sara stockt kurz, als würde sie selbst leiden, bevor sie fortfährt: „Er war konsequent. Tief im Inneren wusste Eliandro aber die ganze Zeit, dass sein angelerntes Verhalten falsch ist. Du hast seine wahren Gefühle endlich wieder ans Tageslicht befördert."
„Ach du meine Güte", gebe ich geschockt von mir, während ich begreife, warum Eliandro mich anfangs so aggressiv behandelt hat. Gleichzeitig aber wird mir bewusst, dass er mich als Ware angesehen hat, auch wenn er mir sehr früh bereits versicherte, dass ihn etwas an mir fasziniert hätte. Außerdem bin ich froh, dass Daves Vater wohl nicht so über Frauen dachte, denn er konnte Mina ohne Probleme zuhause als seine feste Freundin vorstellen. Allein der Gedanke an ihn treibt mir Tränen in die Augen, die ich hastig wegwische. Zu meinem Glück ist Sara mit dem Brokkoli beschäftigt und hat davon nichts mitbekommen. Mein Blick schweift nach draußen zu den Bergen, genauer gesagt zum Helm. Über ihn sollte meine Fluchtroute verlaufen, doch jetzt wird mir erst so richtig bewusst, dass ich keine Fluchtpläne mehr ausarbeiten muss. Ich kann ein- und ausgehen, wie ich es möchte. Theoretisch könnte ich zurück nach Phoenix, seine Gangmitglieder könnten mich noch nicht einmal beschatten, wie sie es bei Daria wohl tun, da sonst auffallen würde, dass Eliandro gegen die Anweisungen dort gehandelt hat. Allerdings schmerzt mein Herz allein bei der Vorstellung, ich würde Eliandro verlassen und nie wiedersehen.
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HELenA
Teen FictionKurz nachdem Helena entführt wurde, lernt sie ihren Entführer kennen - ein alter Bekannter. Sein Plan: sie zu verkaufen. Helena aber denkt gar nicht daran, den skrupellosen Menschenhändlern zu gehorchen, auch nicht dem, der sie kauft und nach Italie...