Ich bin in einem Konflikt, ein Konflikt, den ich nicht zu lösen vermag. Als ich mit Eliandro das Zimmer mit dem eigenen Bad betrat, fand ich keine Spuren meines Selbstmordversuches. Alles war aufgeräumt, ein neues Zahnputzbecherglas stand dort, eine Zahnbürste mit neuen Batterien und eine neue Lampe ebenfalls. Es ist alles wie vorher, zumindest äußerlich. Eliandro hat mir den nötigen Freiraum gegeben, um mir mein Zimmer anzusehen. Es war, als käme ich zum ersten Mal in diesen Raum, dabei kenne ich ihn in und auswendig. Anschließend habe ich mit meinem Käufer über den Naturpark Drei Zinnen gesprochen. Es war das erste Gespräch, wo ich nicht überlegen musste, was ich sagen darf und was nicht, es war ungezwungen. Am Nachmittag musste Eliandro in seinem Büro arbeiten, der einzige Raum, den ich noch immer neben dem Keller nicht betreten darf. Also habe ich mich in die Bibliothek zurückgezogen und gelesen. Beim Abendessen aber hat Eliandro vorgeschlagen, einen Film im Wohnzimmer zu schauen, Avengers Endgame. Da dieser Film 3 Stunden dauert und ich mich noch immer schlapp fühlte, bin ich immer wieder kurz eingeschlafen. Mein Käufer bemerkte meine Müdigkeit und brachte mich in mein Zimmer. Nach einem kurzen Aufenthalt im Bad bin ich ins Bett gegangen, er wartete die Zeit über sitzend am Rand des Bettes. Sanft hat er mich zugedeckt und erhoben, um jetzt das Licht auszuschalten und den Raum zu verlassen. Allein schon der Gedanke, dass es gleich dunkel wird, bereitet mir Angst. Zwar sind die Rollläden geöffnet, aber der Himmel ist dicht bewölkt, kein Licht kann von außen mein Zimmer erhellen.
„Nicht", rufe ich daher reflexartig, bevor er den Lichtschalter berührt.
„Du willst bei der Beleuchtung schlafen?", fragt Eliandro verwundert. Sein Blick wird aber sofort verständnisvoll, als er mir meine Angst im Gesicht ablesen kann.
Ich zucke mit den Schultern. Es gibt bei dem Konflikt nur zwei Möglichkeiten: Entweder ich schlafe bei Licht oder bei Dunkelheit nicht allein.
„Hey, du kannst jederzeit das Licht einschalten. Natürlich konntest du nach dem Koma bei Licht schlafen, du warst einfach zu kaputt, aber jetzt..." Eliandro lässt den Satz in der Luft hängen, wohlwissend, dass ich den Rest selbst weiß. Mittlerweile hat er sich wieder zu mir aufs Bett gesetzt und streichelt beruhigend über meine Hand.
„Ich habe nicht mehr geschlafen, seit du den Raum verlassen hast", gebe ich leise zu und weiche seinem Blick aus.
Eliandro seufzt. „Was mach' ich nur mit dir?", murmelt er mehr zu sich selbst. „Soll ich bei dir bleiben? Ich kann mich auf den Stuhl setzen", bietet er mir an.
„Da kannst du nicht schlafen", widerspreche ich. Immerhin habe ich gesehen, wie er bereits die Hälfte der letzten Nacht auf einem unbequemen Stuhl verbracht hat. „Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob es helfen würde."
„Eine Idee habe ich noch. Deine neue Nachttischlampe hat eine Dimmfunktion. Schalte sie ein. Wenn irgendetwas ist, rufst du mich. Ich bin den Flur runter rechts."
Diese Möglichkeit erscheint mir in dieser Situation die Beste. Im Dunkeln kann ich nicht allein sein, aber mit Eliandro in einem Bett schlafen erscheint mir ebenfalls noch unmöglich. „Das könnte gehen." Dankend lächele ich ihn an und schalte die Lampe auf die niedrigste Stufe.
Eliandro löscht das Deckenlicht und verlässt mit Gute-Nacht-Wünschen mein Zimmer. Beruhigt durch das schummrige Licht, das nun den Raum schwach erhellt, kuschele ich mich in die Decke und schlafe ein.
„Ich bin an einem dunkeln Ort, ein Feuer brennt und erhellt die Umgebung leicht. Ich sitze vor diesem Feuer im weichen Gras und wärme mich. Plötzlich fängt es an zu regnen, das Feuer erlischt. Ich kann meine Hände vor den Augen nicht mehr sehen, so dunkel ist es. Verzweifelt versuche ich wieder ein Feuer zu entfachen, doch der Regen wird immer stärker. Die umgebende Dunkelheit rückt immer näher, sie bildet ein Kreis um mich herum mit mir als ihre Beute. Mein Wimmern, mein Schreien hilft nicht, ich sitze in der Falle. Ein Name schwirrt in meinem Kopf, der mich schon gerettet hat: Eliandro. Also rufe ich nach ihm, so laut ich kann."
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HELenA
Teen FictionKurz nachdem Helena entführt wurde, lernt sie ihren Entführer kennen - ein alter Bekannter. Sein Plan: sie zu verkaufen. Helena aber denkt gar nicht daran, den skrupellosen Menschenhändlern zu gehorchen, auch nicht dem, der sie kauft und nach Italie...