Kuss? - Küsse!

90 3 0
                                    

Seit meinem Geständnis wirkt Eliandro nachdenklich. Immer wieder habe ich die Spannung gespürt, die zwischen uns lag, aber bis jetzt hat niemand den ersten Schritt gewagt. Natürlich frage ich mich, ob ich solche Gefühle gegenüber meinem Käufer hegen darf, aber ich komme zu keinem Ergebnis. Zwar hat er sich moralisch alles andere als richtig verhalten, aber jetzt bessert sich die Situation merklich. Hinzu kommt sein perfektes Aussehen, was mich ebenfalls daran hindert, ihn zu hassen. Der Spruch, dass sich Menschen nicht ändern können, trifft auf ihn definitiv nicht zu.

„Lorenzo war die längste Zeit mein Freund", teilt mir Eliandro am Abend in seinem Bett mit.

Obwohl er mit ihm im angrenzenden Raum telefonierte, konnte ich deutlich hören, wie er sich über sein Verhalten echauffierte. Lorenzo schien allerdings nicht minder wütend auf mich zu sein. Eliandro hat ihm jedoch unmissverständlich klar gemacht, dass er meine Rettungsaktion im Nachhinein unterstützt. Ich war beim ungewollten Lauschen überrascht, dass die beiden sich nicht auf Italienisch unterhalten haben, fand es natürlich besser. Es kommt äußert selten vor, dass ich lauschen kann, da ich zu meinem Missfallen nie etwas verstehe.

„Ich hoffe, Daria hat's geschafft nachhause zu kommen."

Ein verschmitztes Lächeln schleicht sich auf sein Gesicht, weshalb ich mich seitlich liegend mit dem Oberkörper aufrichte und ihn fragend anschaue. „Was weißt du?"

„Nichts", beteuert Eliandro wenig glaubhaft, wobei er sich noch provokativ zu mir wendet.

Dies veranlasst mich, die gleiche Frage nochmals zu stellen, jedes Wort einzeln betont.

„Es könnte sein, dass sie wohlbehalten zuhause angekommen ist."

„Woher weißt du das?", hake ich nach.

„Auch ich kenne Darias Akte, damit ihren Wohnort in Phoenix und lasse sie überwachen. Sie weiß zu viel."

Erschrocken schaue ich ihn an, immerhin weiß ich, was Mitwissenden blühen kann. „Was hast du vor?"

„Nichts", beschwichtigt er mich. „Einer unserer Männer hat sie nur darauf hingewiesen, absolut nichts zu sagen. Außerdem bewacht er sie, damit Aiden beziehungsweise Lorenzo sie nicht wieder entführen kann. Zufrieden?"

Wie das Hinweisen aussieht, kann ich mir lebhaft vorstellen, nicke jedoch, da ich an die letzte Möglichkeit gar nicht gedacht habe. „Wenn ich flüchte und zurückkehre, wird er mich finden! Und dann wird er die Verbindung zu Mina herausfinden!"

Ich muss wohl einen sehr erschrockenen Gesichtsausdruck gemacht haben, denn Eliandro beschwichtigt mich: „Daria wurde rein gar nichts angetan. Der Mann ist eher zu ihrem eigenen Schutz gedacht."

Noch immer meinen Gedanken nachhängend, reagiere ich mit einem lapidaren: „Okay."

Eliandro spürt, dass mich etwas beschäftigt, denn er streicht mir mit seiner Hand über meine Wange und zwingt mich anschließend ihn anzusehen. Seine Aufmerksamkeit mir gegenüber imponiert mir zweifelsohne. „Was ist los? Hast du dir erhofft, Daria würde deine Freundin informieren?"

Sofort schüttele ich mit dem Kopf. Natürlich habe ich daran gedacht, aber jedwede Verbindung zu Minerva wäre gefährlich und habe Daria selbst gebeten, niemandem etwas von meinem Verbleib oder überhaupt von den Geschehnissen zu erzählen.

„Was ist es dann? Bitte rede mit mir", fleht er schon fast.

Meine Gedanken kann ich ihm unmöglich mitteilen, aber sie rücken sowieso bei seinem durchdringenden Blick in den Hintergrund. Ich muss schlucken, da sich mein Hals plötzlich so trocken anfühlt, während ich in den tiefen seiner eisblauen Augen versinke, die mich nach wie vor besorgt mustern.

HELenAWo Geschichten leben. Entdecke jetzt