Nur Fluchthelferin

63 4 0
                                    


Nach Darias Hilferuf habe ich sie über die Wachen im Haus ausgefragt. Wie es scheint, ist Lorenzos Anwesen bei weitem nicht so gut geschützt wie Eliandros. Ich habe sogar erwägt, Eliandro in meinen Plan einzuweihen, Daria zu helfen, aber es schnell wieder verworfen, immerhin ist Lorenzo ein guter Freund von ihm und könnte eventuell sogar Mafia-Mitglied sein. Auch wenn ich gegen eine überstürzte Flucht bin, ist das die einzige Möglichkeit Daria zu retten – wer weiß, wann Eliandro mich wieder zu ihr lässt. So schnell ich kann, baue ich einen Fluchtplan in meinem Kopf zusammen. Damit unsere Käufer keinen Verdacht schöpfen, gehe ich allein nach unten ins Wohnzimmer und bitte die beiden Herren um ein Kartenspiel, sie würden sicher noch länger sprechen wollen. Dabei lächele ich Eliandro ganz lieb an.

„Du hast Recht, wir haben einiges zu sprechen" spielt er mir in die Karten. Meine Euphorie muss ich wirklich zurückhalten, um nicht verdächtig zu wirken.

Lorenzo verlässt schwerfällig die Couch, nimmt etwas aus einem Schrank und drückt es mir in die Hand mit den Worten: „Lasst euch Zeit, ich wünsche keine Störung mehr."

Ich nicke ihm und Eliandro zu und mache mich auf den Weg zu Daria zurück. Ich bekomme aber noch mit, wie Lorenzo meint, ich sei ungezogen. Ich freue mich schon auf später, wenn er erkennt, dass Daria nicht mehr vor Ort ist.

Daria, die bisher ebenfalls ein schickes Kleid trug, hat sich bereits umgezogen: Strumpfhose, Jeans, Pullover. Auch wenn es heute etwas wärmer ist durch die strahlende Sonne als bei meiner Flucht, rate ich ihr dennoch einen zweiten Pullover anziehen. Außerdem finde ich in ihrem Schrank eine vergilbte Skihose, die sie ebenfalls noch überzieht. Passend dazu gibt es sogar eine relativ warme Skijacke. Nachdem sie auch noch eine warme Mütze und Stiefel angezogen hat, geht es los. Auch ich habe mich in der Zwischenzeit umgezogen: Leggings, Pullover und bequeme Schuhe. Da ich kämpfen werden muss, habe ich mich bewusst gegen eine Jacke entschieden. Natürlich habe ich darüber nachgedacht, ebenfalls zu flüchten, doch beim Anlegen des Halsbandes habe ich etwas gesehen, was mich stutzig werden ließ. Eine Art Chip, der wahrscheinlich als Ortungsgerät dient, wird meine Position durchgeben und damit den Standort von uns beiden verraten. Da ich Eliandros Gesellschaft als gar nicht mehr schlimm empfinde, sorge ich jetzt dafür, dass Daria in Sicherheit kommt. Ich selbst werde im Frühjahr bei einer besseren Gelegenheit die Flucht ergreifen.

Bevor wir schnurstracks durch das Haus in Richtung Hintereingang marschieren, mache ich noch einen Abstecher in die Küche und hole zwei Kaffee. Da Daria den beiden Männern dort schon öfter Heißgetränke bringen musste, kennt sie den Weg dorthin. Für den Haupteingang hätten wir an den beiden Käufern vorbeigemusst – ein absolutes Ausschlusskriterium. Als wir die Tür öffnen, bete ich, dass meine Kampffähigkeiten mich jetzt nicht im Stich lassen, da ich länger nicht mehr trainiert habe.

Wie abgesprochen öffne ich lächelnd die Tür und verkünde: „Kaffee."

Überrascht mustern mich die Männer, der dickere leckt sich sogar über die Lippen – einfach eklig.

Als der Rechte nach der Tasse greift, schütte ich ihm den heißen Inhalt direkt ins Gesicht. Auch wenn ich Angst habe, sein Geschrei könnte trotz der Entfernung zu Eliandro und Lorenzo durchdringen, war das meine beste Möglichkeit. Der Linke greift nach meiner Schulter und möchte mich wohl überwältigen, hat jedoch nicht mit meinen Fähigkeiten gerechnet. Die zweite Tasse lasse ich los, drehe mich blitzartig zu ihm um und schlage ihm mit der Faust ins Gesicht. Taumelnd geht er paar Schritte zurück und fällt auf seinen Hintern. Danach kümmere ich mich um denjenigen, der Kaffee ins Gesicht geschüttet bekommen hat. Leider war die Flüssigkeit nicht so heiß, dass Brandblasen hätten entstehen können. Mit der Kante meiner flachen Hand schlage ich gegen seine Halsschlagader, sodass er bewusstlos zu Boden sinkt. Der Dickere hat sich unterdessen aufgerappelt und attackiert mich von hinten. Ich schaffe es, mich aus seinem Griff zu wenden, ramme mein Knie in seine Genitalien und schlage seinen Kopf brutal gegen die Wand, sodass ein Blutfleck übrigbleibt. Damit habe ich Daria den Weg aus dem Haus freigeboxt. Ängstlich tritt sie nun durch die Tür ins Freie. Ein Lächeln malt sich auf ihrem Gesicht ab, doch mir ist zu kalt, um lange darauf zu achten. Ich schnappe ihr Handgelenk und schleiche mich mit ihr dicht am Haus entlang Richtung Tor. Die dortigen Männer gilt es auszuschalten, ohne dass unser Fahrer etwas davon mitbekommt – eine schier unmögliche Aufgabe. Das Glück liegt jedoch ausnahmsweise auf unserer Seite. Francesco, der uns hierhergefahren hat, betritt genau dann das Haus, als ich um die Ecke spähe. Er hat mir einmal erzählt, dass er bei der Kälte häufiger auf Toilette müsste, wenn er im Wagen warten soll, und verbleibt gerne längere Zeit dort. Im Auto werde es wohl trotz Standheizung schnell kühler. Daria lasse ich dort warten und presche auf die beiden Kerle zu. Sie stehen beide mit dem Rücken zu mir, sodass sie mich nicht sehen können – als Wachen sind sie also unbrauchbar. Da es sich bei dem einen Mann um einen sehr kleinen handelt, lege ich meinen Arm um seinen Hals und schnüre ihm somit die Luftzufuhr ab. Natürlich hat der Zweite meinen Angriff nun bemerkt und versucht mich, von seinem Kollegen zu lösen, doch ein Kick reicht aus, um ihr vorerst auf Abstand zu halten. Die wenigen Sekunden reichen aus, damit Wache Nummer eins bewusstlos zu Boden sinkt. Bevor dies jedoch geschieht, entnehme ich seine Waffe dem Holster und richte sie auf den zweiten Mann.

HELenAWo Geschichten leben. Entdecke jetzt