„Wer hat dir das angetan?", murmelt Eliandro, während er über meine Narbe am Rücken streicht.
Es ist das zweite Mal, dass er meine größere Narbe am Rücken sehen kann. Er kam heute Nachmittag in die Küche und wollte nach eigener Aussage nur zuschauen. Sara war darüber genauso überrascht wie ich, haben uns aber anfangs nicht stören lassen. Als er jedoch immer wieder unsere Tätigkeit kommentierte und teils ins Lächerliche zog, hat mich die Wut gepackt und ihm ein Ei an den Kopf geworfen. Eiweiß und Dotter verteilten sich gut in seinem Gesicht und auf dem Boden, was mich auflachen ließ. Natürlich hat er das nicht auf sich sitzen lassen und hat das nahestehende volle Wasserglas gegriffen und dessen Inhalt mit einem Schwung in meine Richtung geleert. Der Pullover triefte nur so und daher habe ich ihn noch in der Küche mit dem Rücken zu ihm ausgezogen. Zwar trage ich einen BH, wollte ihm aber diesen Blick nicht gewähren. Stattdessen hat er jetzt freie Sicht auf meine Narben am Rücken, wovon eine sehr stark ausgeprägt ist.
Auf seine Frage hin schlucke ich schwer, ich bin eigentlich noch nicht bereit, ihm darüber Auskunft zu geben.
Entweder merkt er nicht, dass ich mich bei seiner Frage anspanne, oder er ignoriert es einfach, denn er bohrt weiter: „Die Narbe ist schon einige Jahre alt, die Wunde wurde nicht richtig versorgt. Wer war es, Hela? Ich jedenfalls nicht."
„Es ist lang her", versuche ich seine Frage zu umgehen. „Ich würde mir gern wieder etwas anziehen."
„Ich würde dir ja mein Shirt geben, aber wenn ich das über meinen Ei-Kopf ziehe, klebt das gehörig. Da bist im Übrigen du dran schuld", meint er lachend.
„Ja ja, du hast genervt", murmele ich gespielt beleidigt. Dann drehe ich mich um und laufe schnellstmöglich in mein Zimmer, um mir einen neuen Pullover zu holen. Die Nähe zu ihm hat mich das erste Mal nervös gemacht, sicherlich wegen dem thematischen Hintergrund.
Nachdem ich mich umgezogen habe, gehe ich zurück in die Küche und helfe Sara weiter. Eliandro stößt einige Zeit später wieder zu uns, er hat geduscht. Sein herbes Duschgel verbreitet sich trotz der Paprika, die ich gerade schneide. Seine Präsenz neben mir, vernebelt mir mitsamt seinem Geruch meine Sinne. Ich bin froh, als ich mit den Kochvorbereitungen abschließen kann. Abstand zu ihm gewinne ich aber erst wieder nach dem Essen, da er bis heute Abend in seinem Zimmer noch arbeiten muss. Während ich gelangweilt nach draußen sehe, nehme ich im Augenwinkel wahr, wie Mia von irgendeinem Mann in Richtung Keller gebracht wird.
„Während du es dir hier gut gehen lässt, verhungern diese Mädchen", schaltet meine innere Stimme sich ein.
Eliandro hat mir zwar versprochen mehr für sie zu sorgen, aber Vertrauen ist gut, doch Kontrolle bekanntlich besser. Sara hat sich bereits nach dem Essen von mir verabschiedet, da sie zum Einkaufen fahren muss. Kurzerhand gehe ich in die Küche und fange an Pancakes und Apfelkompott zu machen. Etwa eineinhalb Stunden später bin ich fertig. Bewaffnet mit 16 Pancakes auf einem Teller und einer Schüssel Apfelkompott mit Löffel schleiche ich mich zur Kellertür. Unbemerkt gelange ich in den Keller und zu den vier Mädchen. Ihre Augen weiten sich vor Überraschung und Freude.
„Wir bekommen deutlich mehr und besseres Essen", erzählt Aurora, während sie genüsslich ihren ersten Pancake mit Apfelkompott ist. „Danke. Wir wissen, dass du dafür gesorgt hast."
„Gern geschehen", lächele ich. Ich bin wirklich glücklich im Moment, da ich zumindest den vier hier helfen kann. „Ich muss wieder nach oben, sonst könnte mein Verschwinden auffallen. Ich komme bald wieder", verabschiede ich mich von ihnen.
Gerade rechtzeitig schaffe ich es noch die Küche aufzuräumen, dann kommt auch schon Sara mit ihren Einkäufen zurück. Auch wenn ich ihr wieder helfen möchte, schickt sie mich weg mit der Aussage, ich solle mal etwas andere machen als in der Küche stehen und kochen. Würde das eine Mutter zu ihrem Kind sagen, wäre dieses hellauf begeistert und wüsste sofort eine andere Beschäftigung. Ich hingegen trotte lediglich in die Bibliothek in der Hoffnung ein weiteres gutes Buch zu finden, mit dem ich mich von der Realität ablenken kann. Ich finde tatsächlich eins und lese eine Weile, bis es schon wieder Abendessen gibt. Dieses verläuft entspannt, bis ein Typ Eliandro etwas auf Italienisch mitteilt.
DU LIEST GERADE
HELenA
Teen FictionKurz nachdem Helena entführt wurde, lernt sie ihren Entführer kennen - ein alter Bekannter. Sein Plan: sie zu verkaufen. Helena aber denkt gar nicht daran, den skrupellosen Menschenhändlern zu gehorchen, auch nicht dem, der sie kauft und nach Italie...