Hals über Kopf

70 7 1
                                    

Um sich den langen Fußweg zu ersparen, nutzte Peter seine Netz-Shooter. Leider musste er feststellen, dass diese nahezu leer waren und um neue, künstliche Netze zu machen, musste er entweder heimlich in die Schule und sie dort mischen oder in die Werkstatt des Towers, wo ihm allerdings einige wichtige Chemikalien für die Mischung fehlten. Trotzdem tendierte er eher zu zweiterem, irgendwie würde er die Sachen wohl zusammenbekommen. Wie auch immer- dem Teenager war klar, dass er den Rückweg wohl zu Fuß antreten musste.

Zwei Straßen vor seinem Ziel packte er die Netz-Shooter weg und joggte die letzten Meter. Als er schließlich an dem Baum ankam, bemerkte er, dass Michelle nirgends zu sehen war. Etwas verwundert darüber zog er sich an dem dicken Ast, auf dem sie das letzte Mal gesessen hatten, hoch und schaute sich um. Wo war sie?

"Happy Birthday, Pete!", rief da eine bekannte Stimme über ihm. Als er sich langsam, darauf bedacht, nicht das Gleichgewicht zu verlieren, umdrehte, hing MJ über Kopf von einem der höher gelegenen Äste, die Beine um diesen geschlungen. Ihr Gesicht war direkt vor seinem, ein breites Grinsen lag auf ihren Lippen.

Erschrocken über ihr plötzliches Erscheinen stolperte Peter ein paar Schritte auf dem Baum herum, rutschte ab und konnte sich noch, während er fiel, so gerade von unten am Ast festklammern, was alles in allem ein relativ schmerzhafter Prozess war. Seine Arme wurden durch die Rinde total aufgeschürft, sein Bein war hart auf dem Holz aufgeschlagen und seine Nase hatte er sich auch gestoßen. Jetzt hing er wie eine Fledermaus unter dem Ast und lugte vorsichtig zu MJ hoch, die sich erschrocken aus ihrer Position löste, zu ihm herunterkletterte und ihm wieder auf den Ast half. Als beide so nebeneinandersaßen, beäugte MJ ihn genau.

"Geht's dir gut? Deine Arme sehen nämlich gar nicht so aus...", merkte sie an. Ehe Peter ihr antworten konnte, sprach sie schon weiter: "Du blutest." Es war der gleiche, gelangweilte Ton, den er von ihr kannte und doch war etwas anders. Besorgnis spiegelte sich in ihren Augen wider. "Sieht echt nicht gut aus. Macht dich blass und so. Ich glaub ich gehe dir mal eben ein Tuch holen... "

Sie kletterte trotz den Widerworten ihres Kumpels schnell den Baum herunter und ging ins Haus. Ein wenig beeindruckt war er daraufhin schon. Natürlich wusste Peter, dass MJ sportlich war, aber dass sie so gut klettern konnte, so mühelos war bei dem was sie tat? Damit hatte er nicht gerechnet. Er grinste bei dem Gedanken, dass sie bestimmt auch eine gute Superheldin abgeben würde.

Nur wenige Sekunden später kam MJ wieder zurückgesprintet, in der Hand hielt sie eine Packung Taschentücher. Elegant und wieder in einem beachtlichen Tempo zog sie sich am Ast hoch, setzte sich neben ihren Freund und schaute ihn noch immer aus erschrockenen Augen an. Peter vernahm ein durchgehend geflüstertes 'Tut mir leid, tut mir leid, tut mir leid...' was er vermutlich gar nicht hören sollte, und sah im Augenwinkel, wie sie mit leicht zittrigen Händen versuchte, ein Taschentuch aus der Packung zu bekommen. Sie machte sich deutlich mehr Sorgen als sie musste, schließlich hatte Peter nur einen kleinen, blutenden Kratzer am Bein, der seiner Jeans trotzdem einen fiesen Rotstich verlieh. Allerdings tat ihm der schon fast nicht mehr weh, also war das kein Grund für MJ, so unentspannt zu sein.

"Gib mir doch die Taschentücher rüber, ich mach das schon...", versuchte Peter MJ zu helfen.

"Nein, ich mach das. Ist ja schließlich irgendwie meine Schuld...", erwiderte das Mädchen, wobei sie zum Ende hin immer leiser wurde und nur ein nahezu unverständliches Nuscheln von sich gab. Endlich hatte sie das Taschentuch aus der Packung gefummelt und forderte Peter auf, noch ein Stückchen näher zu ihr rüberzurücken. Peter kam ihrer Aufforderung nach und saß nun direkt neben ihr. Sie legte eine Hand in seinen Nacken, lächelte sanft und näherte sich vorsichtig seinem Gesicht.

"W-was wird das?", fragte Peter verunsichert, dem Blick aber standhaltend.

"Na was wohl?", kam prompt die Gegenfrage, "Ich werd dich jetzt wohl nicht küssen oder so, also entspann dich."

And if you'd be here.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt