Karten schreiben schwer gemacht

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Es war ein Video. Schnell drehte Peter die Lautstärke runter, damit Morgan trotz des Tons schlafen konnte. Dann widmete er sich der Aufnahme. Erst war der Bildschirm für einige Sekunden komplett schwarz. Peter spielte schon mit dem Gedanken vorzuspulen, verwarf diesen jedoch wieder, als ein Räuspern aus dem Lautsprecher zu hören war, gefolgt von einer Frage.

"Läuft die Aufnahme, Edith?"

Der Teenager drückte auf Pause, vergrub das Gesicht in seinen Händen. Er war sich nicht sicher, ob er das Video wirklich sehen wollte. Die Stimme war ihm nämlich mehr als nur bekannt. Es war Tony.

Peter hatte die Stimme seines Mentors seit Ewigkeiten nicht mehr gehört. Er hätte die Möglichkeit gehabt- Tony nahm sich des Öfteren selber auf- doch den Prozess, endlich richtig zu leben, die Vergangenheit ruhen zu lassen und optimistisch in die Zukunft zu schauen, hätte das wohl nicht beschleunigt. Für ihn war dieses Video der Beweis dafür. Denn die ganze Stärke, die mentale Stabilität, die er sich über die letzten Wochen aufgebaut hatte, waren mit einem Schlag zerstört. Da war nur noch dieses unerträgliche Ziehen in der Brust, welches ihm schon bekannt war und trotzdem jedes Mal aufs Neue erschreckend wehtat.

Nachdem sich der junge Avenger für ein paar Sekunden von dem Computer distanziert, sich ein Glas Wasser geholt und wieder vor den Bildschirm gesetzt hatte, fühlte er sich schließlich bereit, weiterzuschauen. Unsicher, ob das schlau von ihm war, drückte Peter auf Play.

"Ja, Sir", antwortete die künstliche Intelligenz auf die Nachfrage Tonys, "Soll ich nur eine Audiodatei erstellen oder wollen Sie auch bildlich aufgenommen werden?"

"Hm? Achso, bitte erstelle doch ein Video. Kamera aktivieren."

Angespannt hielt Peter die Luft an. Der Bildschirm flackerte etwas, bis das Störbild kurz darauf einer scharfen Aufzeichnung wich.

Zu sehen war Tony, der schief in die Kamera lächelte. Er saß auf der kleinen Couch in seinem Zimmer, ein Glas Whiskey mit Eiswürfeln in der Hand. Anders als gewohnt trug er für seine Verhältnisse sehr lockere Kleidung, seinen perfekt geschneiderten Anzug hatte er durch einen weiten Hoodie und eine Jogginghose ersetzt.

Obwohl das gesamte Zimmer zu sehen war, zog Tony mit seiner bloßen Präsenz die ganze Aufmerksamkeit Peters auf sich. Ab und zu nahm der Milliardär mal einen genüsslichen Schluck seines Getränkes oder rückte mal ein Kissen gerade, ansonsten tat er aber vorerst nichts.

Irgendwann meldete sich Edith zögerlich zu Wort: "Sir, soll die Aufnahme beendet werden?"

Tony stöhnte auf, nippte, ehe er ihn auf dem kleinen Couchtisch vor sich stellte, ein letztes Mal an dem Whiskey und fuhr sich frustriert durch die sowieso schon verwuschelten Haare.

"Nein, nein, nicht stoppen, ich... Ich weiß einfach nicht so richtig, wie ich dieses Thema ansprechen soll, ich... Warum ist das so schwer?"

Um seine Worte zu betonen warf er verzweifelt die Arme in die Luft, nur um kurz darauf aufzuspringen, die eine Hand in seiner Tasche zu vergraben und unruhig durch den Raum zu laufen. Nebenbei griff er mit seiner freien Hand auch wieder nach dem Whiskey, an dem er heute besonders hang, wie Peter feststellte.

"Wo liegt das Problem?", erkundigte sich Edith weiter, "Vielleicht kann ich helfen."

"Danke, aber ich denke, dass ich mein Problem allein bewältigen muss. Oder kennst Du dich mit Teenagern aus?"

Sofort kam eine Antwort: "Das Wort Teenager, verkürzt auch teen, stammt aus dem Englischen und bezeichnet eigentlich einen Menschen, der mindestens 13 und höchst-"

"STOP!"

Edith verstummte umgehend.

"Du sollst mir nicht den Wikipedia-Eintrag zu Teenagern vorlesen, du sollst... Es geht ja nicht um irgendeinen Teenager, es geht um Peter."

And if you'd be here.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt