"Soll ich dir was verraten? Meine Familie kann dich immer noch nicht leiden, weil du viel zu ruhig bist.", erklärt mir meine Freundin Kelly am Telefon. Ich könnte ausrasten. Dass ich so ruhig bin, wenn wir bei ihrer Familie zu Besuch sind, liegt nur daran, dass ich kein einziges Wort verstehe, wenn sie miteinander nur Französisch sprechen. Aber das habe ich ihr mehr als einmal gesagt, natürlich habe ich auch versucht, Französisch zu lernen, allerdings befinde ich mich mitten in meiner Ausbildung und habe eigentlich keine Zeit, um einfach mal so eine neue Sprache zu lernen. Die Familie von Kelly kann sehr wohl Deutsch sprechen, allerdings ziehen sie es vor, untereinander auf Französisch zu sprechen, was für mich kein Problem ist, aber wenn ich mit am Tisch sitze, verstehe ich kein Wort und fühle mich ausgeschlossen. Außerdem haben sie mich auch öfter auf Französisch angesprochen und dann auf Deutsch zu mir gesagt, das es ja so schade wäre, dass ich kein Französisch sprechen könnte. Aber ernst haben sie das natürlich nicht gemeint. Ich mag zwar kein Französisch verstehen, dafür verstehe ich sehr viel von Menschen, die einem durch die Blume mitteilen, dass sie einen nicht leiden können. "Du bist kindisch und unreif, außerdem macht mich deine Eifersucht krank.", fährt Kelly fort. "Weißt du was, wenn ich dich so krank mache, bring mir doch bitte meine Sachen vorbei.", schlage ich ihr vor. In solchen Situationen bin ich ein typischer Steinbock, entweder die Leute lieben mich, oder sie hassen mich. Wenn sie mich im Leben nicht weiterbringen und mich noch an meiner Entwicklung hindern, haben sie keinen Platz in meinem Leben verdient und sie werden entfernt. "Das heißt, du machst Schluss? Ich bringe dir morgen deine Sachen vorbei, vielleicht können wir dann noch in Ruhe reden.", entgegnet Kelly. Ob ich wieder bei meinen Eltern einziehen kann, habe ich mit ihnen noch gar nicht besprochen, aber eigentlich sollte das kein Problem sein. Ich bin nicht wirklich traurig, denn in der Beziehung mit Kelly war ich eigentlich nur in den ersten drei Monaten richtig glücklich. Aber ich liebe sie, beziehungsweise habe sie geliebt, eigentlich weiß ich gar nicht, ob ich sie noch liebe. Jedenfalls tut es weniger weh, als ich erwartet hatte.
"Mama? Ich muss mit dir reden.", flüstere ich meiner Mutter zu. Wir dürfen nicht so laut sein, weil mein Vater gerade Nachrichten schaut und wenn man ihn dabei stört, kann er ziemlich wütend werden. "Was ist denn los mein Schatz? Ich muss gleich noch einkaufen gehen.", flüstert meine gestresste Mutter. Ich schließe vorsichtig die Tür und höre meinen Vater im Wohnzimmer laut schnaufen. "Ich muss dir etwas erzählen. Kelly und ich haben uns getrennt und ich würde gerne wieder zu euch ziehen. Ist das für euch in Ordnung?", frage ich nervös. Meine Mama nimmt mich sofort in den Arm und tröstet mich. "Natürlich kannst du wieder zu uns ziehen, eigentlich hatte ich auch schon Angst, dass sie dich nach Frankreich entführt und du dann in diesem schrecklichen Land dein Leben verbringen musst, ohne die Sprache zu sprechen.", erklärt meine Mutter. Am nächsten Tag bringt Kelly meine Sachen vorbei und wir sprechen über alles, was uns in der Beziehung gestört hat. "Ich weiß übrigens, dass du mich betrogen hast.", erkläre ich sauer. Aber meine Exfreundin kommt gar nicht auf die Idee, sich zu entschuldigen. "Woher weißt du das?", fragt sie stattdessen. "Weil du ständig mit ihr telefoniert hast, weil ihr dauernd geschrieben hat und weil du ein ganzes Wochenende dort warst und dich nicht ein einziges Mal bei mir gemeldet hast. Danach bist du kurz vorbeigekommen und bei uns lief nichts. Ich weiß nicht, ob du ein Gewissen hast, aber an diesem Tag hattest du definitiv ein schlechtes Gewissen und ich habe es gemerkt. Das klingt jetzt vielleicht verrückt, aber manchmal spüre ich die Gefühle von anderen Menschen, besonders wenn sie mir so wichtig waren wie du es warst.", antworte ich. Auch im weiteren Verlauf des Gesprächs entschuldigt sich Kelly nicht. Als ich mich dann von ihr verabschiede, möchte sie mich in den Arm nehmen, was will ich eigentlich gar nicht zulassen möchte, aber wegen des guten Willens, lasse ich es zu. Zum Abschied küsst sie mich dann tatsächlich. Ich bin so davon schockiert, dass ich gar nicht richtig reagieren kann. Als sie weg ist, schließe ich mich in meinem Zimmer ein und höre Musik. Ein bisschen traurig bin ich schon, aber mein innerer Steinbock kommt wieder heraus und erklärt mir, dass es besser so war, denn sie hat mich an meiner Entwicklung gehindert, sie hat mir Steine in den Weg gelegt und sie hat mich ausgenutzt.
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You're still my person | LGBTQ
Teen Fiction"Kate, ich werde einsam sterben, das ist wohl offensichtlich!", rufe ich aufgebracht. Yael und Kate sind beste Freundinnen, aber als Yael wegzieht, entfremden sich die beiden. Yael hat zwar eine neue Freundin, doch da gibt es noch eine Person, die...