Soziale Kontakte machen mich irgendwie nervös. Besonders dann, wenn ich die Person besonders toll finde. In der letzten Nacht konnte ich kaum schlafen, weil ich so aufgeregt bin. In zwei Stunden werde ich Becki zum ersten Mal sehen. In den letzten Tagen haben wir sehr viel miteinander geschrieben. Da meine Eltern sehr panisch sind, was die momentane Lage angeht, habe ich ihnen gesagt, dass ich mich mit Kate treffen werde. Deshalb kann mich Becki auch nicht zuhause abholen, sondern wir treffen uns auf einem Spielplatz. Als ich Becki sehe, muss ich anfangen zu lächeln und als ich sie umarme, fühlt es sich an, als würden wir uns schon seit Jahren kennen. "Du bist ja riesig.", bemerkt Becki, die wohl irgendwann einfach nicht mehr gewachsen ist. In diesem Moment fällt mir auf, dass ich tatsächlich ziemlich groß bin. Wir fahren zu ihr und sie quatscht die gesamte Fahrt. Ich komme kaum zu Wort, aber ich bin sowieso viel zu nervös, um etwas zu sagen. Schüchtern betrete ich die Wohnung. Becki zeigt mir stolz ihren Hobbyraum, mit dem ich nicht allzu viel anfangen kann. Wir kochen zusammen und ich muss feststellen, dass Becki wohl nicht so oft kocht, denn sie will die Zucchini und Auberginen schälen. Als ich sie auslache, schaut sie mich verwirrt an. Sie sieht so unfassbar süß aus.
Nach dem Essen zeigt sie mir ihren Lieblingsfilm und möchte mich in den Arm nehmen. "Wir hatten doch ausgemacht, dass wir das erst machen, wenn wir einen Horrorfilm schauen.", entgegne ich und bemerke nicht, dass ich ihr unbewusst einen Korb gegeben habe. Aber die Spannung zwischen uns ist deutlich zu spüren. Als nächstes schauen wir einen Horrorfilm. Wir machen alles dunkel und holen uns Decken. Von diesem Film bekommen wir allerdings nicht besonders viel mit, den schon in den ersten fünf Minuten kommen wir uns näher. Becki schaut mir tief in die Augen und es wirkt so, als würde die Zeit stehen bleiben. Normalerweise bin ich wirklich sehr schüchtern, aber der Moment wirkt so richtig, also küsse ich sie. Und sie küsst mich zurück. "Hast du nicht gesagt, dass du schüchtern bist?", fragt sie und ich werde knallrot. Becki findet das süß, aber ich schäme mich. Ein paar Minuten später kuscheln wir und ich würde eigentlich noch weiter gehen, was für mich wirklich sehr untypisch ist, gerade nach dem, was mir vor ein paar Jahren passiert ist. Aber Becki möchte das nicht. "Ich möchte das erst, wenn wir zusammen sind. Vielleicht kannst du das noch nicht verstehen, weil du so jung bist. Ich habe mich früher ausgetobt und jetzt suche ich nach der wahren Liebe.", erklärt sie. Obwohl ich mich nie ausgetobt habe, suche ich auch nach der wahren Liebe. Als sie mich abends nach Hause fährt, will ich gar nicht gehen, aber Becki verspricht mir, dass sie mich an meinem nächsten freien Wochenende wieder abholt.
Obwohl mich die Schule nervt und mehr als langweilig ist, komme ich nicht mehr mit. Vielleicht sollte ich nicht so oft an Becki denken. Wir schreiben ununterbrochen, auch wenn ich Unterricht habe. "Yael, das müssen Sie nächstes Mal besser machen.", teilt mir mein Lehrer mit. Wow, das hätte ich jetzt nicht gedacht. Die Klausur war verdammt schwer und dass ich eine fünf geschrieben habe, ist ehrlich gesagt auch kein Wunder. Auch die Klausur in der nächsten Stunde läuft nicht wirklich besser. Mir ist das unbegreiflich, denn in der Praxis bin ich total gut, das sagt sogar Nina. "Läuft es nicht so gut?", fragt mich meine Klassenlehrerin. Diese Frau geht mir mit ihrer immer gut gelaunten und fröhlichen Art sowas von auf die Nerven, ich hasse fröhliche Menschen, ich hasse Menschen generell. "Selbst ein Blinder mit Krückstock würde erkennen, dass es nicht gut läuft.", entgegne ich. "Man kann Ihre Nervosität bis nach vorne spüren und Sie sitzen in der letzten Reihe.", erwidert meine Lehrerin und grinst mich hämisch an. "Na also, was fragen Sie dann so blöd?", schieße ich zurück. "Yael, es reicht. Beruhigen Sie sich und schreiben Sie weiter.", fordert sie mich auf. Vor lauter Wut ist mir jetzt auch noch das letzte bisschen Konzentration flöten gegangen.
Zuhause läuft es auch nicht unbedingt besser. Ich streite mich fast täglich mit meinen Eltern. "Nur weil du meinst, trotz einer Pandemie, die weltweit Menschen tötet, in der Weltgeschichte herumreisen zu müssen, wollen wir uns keine Sorgen machen müssen. Entweder du beschränkst deine Kontakte auf das Minimum oder wir können nicht länger mit dir zusammen wohnen.", bemerkt meine Mutter. "Ich treffe mich doch nur mit Kate. Das könnt ihr mir nicht verbieten. In der Schule haben wir doch auch viel Zeit miteinander verbracht und sonst haben wir keine sozialen Kontakte. Wenn es nach deiner Logik gehen würde, dürfte ich auch nicht arbeiten gehen.", erkläre ich. "Du bist so ein kleines und egoistisches Kind, werde erwachsen, bevor du so respektlos zu uns bist.", mischt sich mein Vater ein. "Wo bin ich bitteschön respektlos und egoistisch? Kannst du mir das bitte erklären?", frage ich. Aber es hat keinen Sinn, mit meinen Eltern zu diskutieren. Sie sind toxisch und werden es vermutlich auch für immer bleiben. Eine andere Meinung akzeptieren sie nicht, denn für sie zählt nur ihre Meinung und alle anderen haben Unrecht. "Wie läuft es denn eigentlich in der Schule?", fragt meine Mutter. "Ganz okay.", antworte ich knapp. "Was soll das denn bedeuten?", mischt sich mein Vater ein. "Es läuft nicht schlecht.", entgegne ich. "Aber auch nicht gut.", erwidert meine Mutter. "Kann sein.", gebe ich kleinlaut zu. Jahrelang konnte ich perfekt lügen, aber mittlerweile habe ich diese Fähigkeit verlernt. Darauf folgt ein riesiges Donnerwetter von meinen Eltern. Im Nachhinein hätte ich wahrscheinlich doch besser lügen sollen, zumindest hätte ich es versuchen können.
Als es endlich Freitag ist und ich Feierabend habe, wartet Becki auf mich. Sie wollte mich unbedingt von der Arbeit abholen und ich finde das unfassbar süß. "Hey mein Schatz, wie war die Arbeit?", fragt sie, als ich einsteige. Ich erzähle ihr von meinem Tag und sie hört interessiert zu. Ich merke gar nicht, dass ich die gesamte Fahrt von über einer Stunde nur am erzählen bin. Trotzdem hört sie mir zu und stellt Fragen. Das liebe ich an ihr. Obwohl sie mit meinem Beruf gar nichts anfangen kann, interessiert sich dafür, was ich mache. Als wir ankommen, sind wir viel zu müde zum Kochen, also bestellen wir etwas zu essen. Danach schauen wir ein paar Filme und Becki trinkt das ein oder andere Glas Wodka. Ich trinke nicht mit, dann seit meiner ersten und hoffentlich auch letzten Alkoholvergiftung, kann ich Wodka nicht einmal mehr riechen. Becki scheint den Alkohol allerdings auch nicht allzu gut zu vertragen, denn sie bricht plötzlich in Tränen aus. Natürlich bin ich in dieser Situation für sie da und unterstütze sie. Ungefähr eine Stunde später hat sie sich wieder beruhigt, allerdings hat diese Stunde Spuren bei mir hinterlassen. Becki hat nach ihrer Exfreundin gerufen und mir hat es das Herz gebrochen. "Was soll ich denn machen?", frage ich Kate, als ich am nächsten Tag einkaufen gehe. "Mach Schluss. Das hat keine Zukunft, wenn sie noch an ihrer Ex hängt.", ertönt es aus meinem Handy. Aber ich will nicht aufgeben, denn Becki ist mir zu wichtig geworden. Ich liebe sie mehr, als ich irgendjemanden geliebt habe. Vermutlich liebe ich sie auch mehr, als ich Ellen geliebt habe. Aber das Kapitel habe ich endgültig abgeschlossen.
Als ich zurückkomme, ist Becki schon wach und hat Frühstück vorbereitet. Das finde ich besonders süß, denn das hat noch niemand für mich gemacht. Ihr scheint es tatsächlich wieder sehr gut zu gehen. Nach dem Frühstück gehen wir auf einen Flohmarkt und danach koche ich schon das Mittagessen. Becki ist ja leider keine allzu gute Köchin. Abends kommt ihr Nachbar Cosmo zu Besuch, der ein Haus weiter wohnt. Die beiden trinken wieder sehr viel und wir schauen einen lustigen Film. Ich finde Cosmo ziemlich cool und lasse mich von ihm überreden, auch ein bisschen zu trinken. Durch ein Trinkspiel lernen wir uns besser kennen. Becki und Cosmo übertreiben es allerdings wieder, sodass Cosmo nicht mehr nach Hause kann. Er schläft also bei uns und ich gehe früher ins Bett. Ein bisschen sauer bin ich schon, weil Becki wieder so viel trinkt, aber ich kann nichts dagegen tun. Am nächsten Morgen hat Cosmo für uns das Frühstück vorbereitet, weil er bereits um sieben Uhr wach war. Wir quälen uns gegen zehn Uhr aus dem Bett. Becki und Cosmo haben eine super Laune, aber ich habe einen gewaltigen Kater. Ganz toll, da trinke ich einmal etwas mehr und dann geht es mir am nächsten Tag so beschissen. Und die beiden Chaoten trinken jeweils eine Flasche Wodka und sind am nächsten Tag super gelaunt. Das ist verdammt unfair. Auch an diesem Abend kommt Cosmo wieder vorbei und das Ganze Chaos beginnt von vorne. Die beiden trinken wieder extrem viel, aber diesmal trinke ich nicht mit. Ich kenne meine Grenzen und außerdem habe ich Angst vor einem noch schlimmeren Kater. Der Sonntag ist komplett für den Arsch und als Becki mich nach Hause fährt, bin ich etwas enttäuscht von dem Wochenende. Ich hoffe, dass mein Urlaub besser wird.
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You're still my person | LGBTQ
Novela Juvenil"Kate, ich werde einsam sterben, das ist wohl offensichtlich!", rufe ich aufgebracht. Yael und Kate sind beste Freundinnen, aber als Yael wegzieht, entfremden sich die beiden. Yael hat zwar eine neue Freundin, doch da gibt es noch eine Person, die...