"Was? Warte, jetzt nochmal zum mitschreiben. Du hast jetzt Kontakt mit deiner ehemaligen Lehrerin und ihr habt euch geküsst? Was zum Teufel hast du dir denn dabei gedacht? Und was hat sie sich gedacht? Sie ist doch viel älter als du und ist sie nicht verheiratet?", bombardiert mich Kate mit Fragen, als sie aus dem Urlaub zurück kommt. Ich weiß gar nicht, was ich darauf antworten soll oder welche Frage ich zuerst beantworten soll. "Naja, das ist eine ziemlich komplizierte Geschichte.", entgegne ich. "Yael, ich bin nicht hirngeschädigt, versuche es einfach. Du kannst mir auch gerne die ganze Geschichte erzählen, ich habe Zeit.", stellt meine beste Freundin fest. "Ellen und ich haben uns zufällig getroffen. Ihr Sohn James wollte unbedingt Benjo streicheln. Und so-", beginne ich. "Ihr Sohn James? Sie hat ein Kind? Oh Yael, man kann dich ja nicht mal eine Woche alleine lassen. Und jetzt erzähl weiter.", unterbricht mich Kate. "Wir haben dann ein paar Mal telefoniert und uns getroffen. Als die Beerdigung von meinem Onkel Manoah war, haben wir uns auch getroffen. Ich weiß nicht, wie es passiert ist, aber wir haben uns geküsst. Und jetzt weiß ich nicht, wie es weitergehen soll.", erkläre ich. "Wie es weitergehen soll? Yael Rosenthal, du denkst doch nicht wirklich, dass das eine Zukunft hat? Du hättest mir direkt davon erzählen müssen! Du bist manchmal so naiv. Denkst du ernsthaft, dass sie etwas für dich empfindet? Ihr war wahrscheinlich nur langweilig. Wie schaffst du es eigentlich immer, dich in die seltsamsten Tussen zu verlieben?", fragt Kate. Darauf weiß ich keine Antwort.
Als ich zuhause bin, weiß ich nicht, wie es mit Ellen weitergehen soll. Im Endeffekt hat meine beste Freundin Recht. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Das kann doch gar keine Zukunft haben. Kate meint, dass Ellen zu hundert Prozent hetero ist. Darüber habe ich auch schon nachgedacht und eigentlich würde ich Kate zustimmen. Mal davon abgesehen, dass wir uns vor vier Jahren auch schon geküsst haben. Da war sie aber noch meine Lehrerin und wir mussten es geheim halten. Es lief auch nicht mehr zwischen uns und als sie der Klasse ein paar Wochen später erzählt hat, dass sie heiraten wird, hat es mir das Herz gebrochen. Ich war so verletzt und eifersüchtig. In meinem Wahn habe ich sie ein bisschen gestalkt. Nicht bösartig, sondern ich habe mir ihren Stundenplan aus dem Netz gezogen und bin ihr immer zufällig über den Weg gelaufen. Als ich dann meine erste Ausbildung begonnen habe, war sie schwanger, ich habe sie noch einmal gesehen, danach ging sie in den Mutterschutz. Sie hat mich erkannt, aber wir haben nicht miteinander gesprochen. Zu dem Zeitpunkt war ich gerade über sie hinweg, aber ich musste sie nur sehen und alles ging wieder von vorne los. Um mich von Ellen abzulenken, habe ich eine Affäre mit der Biolehrerin angefangen. Sie war ganz nett und wir hatten eine schöne Zeit zusammen, aber ich konnte Ellen nicht vergessen. Irgendwann kam ich dann mit Kelly zusammen, die mich betrogen hat. Einige Monate nach der Trennung kam ich mit Becki zusammen und als es mit ihr schwer wurde, habe ich wieder an Ellen gedacht. Ich habe Becki geliebt und sie war die erste Frau, durch die ich Ellen eine Zeit lang vergessen konnte. Aber Becki war in keinster Weise gut für mich. Ellen ruft mich fast täglich an, nachdem ich begonnen habe, sie auf WhatsApp zu ignorieren. Mir fällt das nicht leicht, aber Kate hat Recht. Das hat keine Zukunft und ich muss mich ablenken. Ich bin wieder auf Tinder unterwegs und innerhalb von zwei Stunden verabrede ich mich mit Vivi. Ich kenne sie nicht, aber sie wirkt sehr sympathisch. Am Abend treffen wir uns in einer Bar. Wir haben uns nicht viel zu sagen, also trinken wir etwas und nach ein paar Minuten fallen wir übereinander her. Sie zieht mich mit auf die Toilette und dort machen wir weiter. Vivi ist etwas übermütig und als wir fertig sind, zieht sie mich auf die Tanzfläche und wir feiern. Am nächsten Morgen fahre ich mit dem Bus nach Hause und denke ununterbrochen an Ellen. Vivi hat sich nicht einmal erkundigt, ob ich gut nach Hause gekommen bin, denn sie ist mit ihrem Auto gefahren und ist bereits zuhause. Ein paar Tage später treffe ich mich noch einmal mit ihr und möchte sie näher kennenlernen. Vivi hat allerdings kein Interesse daran, sondern sie möchte wohl nur mit mir schlafen. Ich kann ihr nicht widerstehen und ein paar Stunden später plagen mich wieder meine Schuldgefühle.
Als ich wieder mal auf dem Weg zum rauchen bin, werde ich plötzlich eingeholt. Es ist Ellen und sie sieht ziemlich besorgt aus. "Wie hast du mich gefunden?", frage ich erstaunt, aber ich habe schon eine Vermutung. Allerdings macht das absolut keinen Sinn, denn Kate würde wahrscheinlich eher versuchen, Ellen von mir fern zu halten. "Deine beste Freundin hat mir verraten, wo ich dich finde. Ich habe sie über Instagram gefunden und mich ein wenig mit ihr unterhalten. Sie kann mich zwar wahrscheinlich immer noch nicht richtig leiden, aber ich bin mir sicher, dass sie sich ziemliche Sorgen um dich macht.", erklärt Ellen. Manchmal verstehe ich Kate nicht. Widerwillig laufe ich neben Ellen her, die mir erklärt, dass sie sich Sorgen um mich gemacht hat. Ich sage nichts und als ich auf das Dach klettere, folgt sie mir. Ich fange an zu rauchen und sehe den Blick meiner ehemaligen Lehrerin. Sie kennt meine Geschichte mit gewissen Substanzen und sie scheint nicht allzu begeistert zu sein, dass ich rauche. "Muss das unbedingt sein? Ich hätte eigentlich gedacht, dass du stärker geworden bist.", flüstert sie. "Ich bin stärker geworden, immerhin rauche ich nur noch ab und zu. Außerdem habe ich sowieso vor, damit aufzuhören. Mein Dealer ist plötzlich moralisch geworden und ich vertraue sonst niemandem, was das Thema angeht. Das ist mein letztes Mal.", entgegne ich. Ellen lächelt zufrieden. "Yael, ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie es weitergehen soll. Auf der einen Seite ist es falsch und ich will dich nicht verletzen, aber auf der anderen Seite bist du mir so wichtig geworden.", erklärt mir meine ehemalige Lehrerin. "Ich weiß was du meinst, es ist eine verdammt schwierige Situation. Du bist mir auch wichtig und ich liebe dich, ich habe dich auch schon vor vier Jahren geliebt. Auch wenn ich immer wieder versucht habe, mich abzulenken, ich konnte dich nie vergessen.", flüstert ich kleinlaut." Ich weiß das. Aber Yael, damals war das verboten. Das verstehst du doch, oder? Und auch dir die Tatsache, dass ich dann geheiratet habe, es war einfach der falsche Zeitpunkt und ich war total verwirrt. Aber ich konnte dich auch nicht vergessen.", gibt Ellen zu. Wir beschließen, dass wir uns erst einmal Gedanken machen, was wir füreinander empfinden und dann noch einmal miteinander sprechen.
Zwei Tage später falle ich aus allen Wolken. Becki möchte noch einmal mit mir sprechen. Ich schreibe ein bisschen mit ihr, da ich gespannt bin, ob sie sich bei mir entschuldigt, aber darauf kann ich wohl lange warten. Meine toxische Exfreundin macht mir immer wieder Vorwürfe und teilt mir mit, dass sie noch ein paar Sachen von mir hat, die ich laut ihrer Meinung dringend benötige. Als erstes denke ich natürlich an die zweieinhalbtausend Euro, die ich ihr geliehen habe, aber das ist sehr unrealistisch. Als nächstes vermute ich, dass sie meine Lieblingstassen meint, die ich schon vermisst habe. Allerdings hat mir mein Vater versprochen, mir die gleichen Tassen noch einmal zu kaufen, denn er weiß, wie wichtig mir die Tassen waren. Ich ignoriere die weiteren Nachrichten von meiner blöden Exfreundin, da ich gerade mit Vivi in einem Restaurant bin. Becki schickt mir ein Bild, auf dem sich mehrere Scherben befinden, ich erkenne meine Tassen. Ich weine nicht, aber ich bin unfassbar enttäuscht von ihr, denn das hätte ich nicht von ihr erwartet. Als ich Vivi davon erzähle, lenkt sie das Thema direkt wieder auf sich und ihre Probleme. Ich fühle mich, als wäre ich im falschen Film. Nach dem Essen gehe ich direkt nach Hause und mache mit meinem Hund einen großen Spaziergang. Da Benjo in letzter Zeit gerne Bälle von den Nachbarskindern entführt, habe ich ihm zehn eigene Bälle gekauft und einen nehme ich mit. Normalerweise bin ich so spät abends nicht mehr im Dorf unterwegs, da es jemanden gibt, dem ich nicht unbedingt begegnen möchte. Benjo bemerkt, dass ich nervös bin und er passt mindestens genauso auf, wie ich. "Warum bist du so nervös? Hast du Angst?", ruft mir der Typ zu, den ich eigentlich nie wieder sehen wollte. Ich laufe immer schneller, aber ich bin nicht schnell genug. Er packt mich an der Schulter und ich verfalle in eine Schockstarre. Zum Glück habe ich Benjo dabei, denn er dreht sich um und beißt meinem Angreifer in sein rechtes Bein. Er schreit und Benjo reißt mich mit. Gemeinsam rennen wir, bis wir ihn nicht mehr sehen. Es fängt an zu regnen und wir verstecken uns auf einem Spielplatz. Dort breche ich zusammen. Er riecht noch genau wie damals, mir läuft es eiskalt den Rücken herunter. Benjo leckt mir die Tränen von den Wangen und ich beginne zu lachen. Nach ein paar Minuten rennen wir nach Hause. Ich bin so dankbar für meinen Hund, denn er hat mich gerettet.
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You're still my person | LGBTQ
Ficção Adolescente"Kate, ich werde einsam sterben, das ist wohl offensichtlich!", rufe ich aufgebracht. Yael und Kate sind beste Freundinnen, aber als Yael wegzieht, entfremden sich die beiden. Yael hat zwar eine neue Freundin, doch da gibt es noch eine Person, die...