Isolation

257 14 0
                                    

"Das Coronavirus verbreitet sich jetzt auch in Deutschland. Hamburg, Berlin, Bayern und Schleswig-Holstein haben bereits ihre Schulen geschlossen.", dringt es aus dem Fernseher. Ich sitze mit meinen Eltern vor dem Fernseher und eigentlich wollten wir einen Film anschauen. "Hoffentlich werden die Schulen auch bei uns bald geschlossen. Warum sollen denn nur die anderen etwas davon haben? Ich würde mich über zwei Wochen Ferien freuen.", bemerke ich. "Yael! Das ist eine sehr ernste Situation, darüber macht man keine Witze!", ruft meine Mutter aufgebracht. "Aber die Schule ist so langweilig.", entgegne ich. "Dann lern doch zur Abwechslung einmal Mathe.", schlägt meine Mutter vor. "Manche Menschen können eben kein Mathe. Nur weil ihr das könnt, muss es nicht unbedingt so sein, dass ich auch Mathe kann. Dafür bin ich super in Deutsch und Englisch.", entgegne ich. "Vielleicht solltest du weniger mit Kate unterwegs sein. Sie hat nicht einmal mehr eine Mutter, die auf sie aufpasst.", erwidert meine Mutter. Damit hat sie einen wunden Punkt getroffen. "Du lässt sofort meine beste Freundin in Ruhe! Bei ihr kann ich wenigstens so sein wie ich will und muss nicht euren perfekten Idealen entsprechen!", schieße ich zurück. "Yael Rosenthal, es reicht. Dafür ist mein Großvater nicht in Buchenwald gestorben!", mischt sich mein Vater ein. Mein Vater spricht immer dieses lästige Thema an, wenn er eine Diskussion beenden will. Genervt renne ich nach oben und rufe meine beste Freundin an. "Bro, du musst deine Eltern aber auch verstehen. Die sind in einer ganz anderen Zeit groß geworden, damals war das eben noch komplett anders. Wahrscheinlich wünschen sie sich, dass du irgendwann Leiterin der Sparkasse oder sonst irgendwas spießiges wirst und wenn sie herausfinden, was du wirklich machen willst, würden sie dich wahrscheinlich enterben.", entgegnet Kate. "Manchmal wünsche ich mir, dass meine Eltern auch in Griechenland wohnen würden und keinen Kontakt zu mir hätten. Die beiden gehen mir so sehr auf die Nerven.", beschwere ich mich. "Ob mein Vater in Griechenland lebt, weiß ich nicht, ich weiß noch nicht einmal, ob er überhaupt lebt und es ist mir ehrlich gesagt auch egal. Meine Mutter kann mir auch gestohlen bleiben, aber manchmal, ganz selten, da wünsche ich mir, dass ich nach Hause komme und meine Mutter hat für mich gekocht oder sie würde meine Sachen waschen oder einfach nur sagen, dass sie mich lieb hat. Deine Eltern haben dich lieb und sie machen sich nur Sorgen um dich.", erklärt meine beste Freundin und ich kann ihr nicht widersprechen.

Am nächsten Morgen teilt uns unsere Klassenlehrerin mit, dass unsere Schule weiterhin geöffnet bleibt, obwohl Grundschulen, Berufsschulen, Gymnasien, Realschulen und Hauptschule in anderen Bundesländern im Stundentakt geschlossen werden. "Wir können auch einfach Schwänzen, dann haben wir keinen Unterricht und wir infizieren uns auch nicht mit Corona.", schlägt unsere Klassenkameradin Franzi vor. "Das werden Sie garantiert nicht tun. Die Schule bleibt so lange geöffnet, bis wir sie schließen müssen.", entgegnet unsere Klassenlehrerin empört. In diesem Moment ertönt eine Stimme aus den Lautsprechern. Kate und ich wundern uns, dass die Lautsprecher überhaupt funktionieren. Vielleicht sollte ich an dieser Stelle erwähnen, dass ich diese Schule bereits länger kenne, als die meisten aus meiner Klasse. Denn ich musste meinen Realschulabschluss dort machen, da meine alte Schule ziemlich mies war. "Aufgrund der Tatsache, dass fast alle anderen Bundesländer ihre Schulen geschlossen haben, ist jetzt auch unser Bundesland betroffen. Ab Montag beginnt der Onlineunterricht. Wie genau wir das machen, teilen wir Ihnen per E-Mail mit, wir müssen uns erst ein gutes System überlegen. Bleiben Sie gesund und begeben Sie sich nicht unnötig in Gefahr.", ertönt es aus dem Lautsprecher. Alle dreiundzwanzig Schüler aus meiner Klasse, inklusive Kate und mir, freuen sich. "Geil, wir haben Ferien!", ruft Franzi begeistert. "Sie werden mit Sicherheit gar keine Ferien haben, denn Sie stehen kurz vor den Prüfungen. In zwei Wochen ist die Abgabe der Ausarbeitung Ihres Projektes. In einem Monat beginnen die Prüfungen. Vielleicht sollten Sie etwas Verantwortung übernehmen und diese Situation nutzen, um etwas mehr zu lernen, denn für einige Schüler dieser Klasse sehe ich schwarz für die Prüfungen.", entgegnet unsere Klassenlehrerin. "Na, habt ihr auch schon die fantastischen Neuigkeiten gehört? Es war ja nur eine Frage der Zeit, bis sie dieses Rattenloch schließen. Jetzt können wir uns erstmal zwei Wochen entspannen und dann gehen wir locker in die Prüfungen, wir werden natürlich alle bestehen und dann fängt unser Leben an.", empfängt uns Natalie in der Raucherecke und drückt uns jeweils einen Klopfer in die Hand. "Denkt ihr, dass diese Idioten es schaffen, uns bis Montag irgendwelche Aufgaben zu schicken?", frage ich nachdenklich. "Natürlich nicht, diese Schule ist so wahnsinnig unorganisiert. Wir haben jetzt erstmal zwei Wochen Ferien. Du kannst deine Eltern schon mal sagen, dass du in der Zeit bei mir bist.", entgegnet meine beste Freundin. "Seid ihr heute Abend wieder im Pub oder geht ihr direkt in den Club? Ihr wisst ja, heute kommen Frauen wieder kostenlos rein.", fragt Natalie. Kate und ich schauen uns an. "Das wissen wir noch nicht, wir können ja noch mal schreiben, aber ich denke, dass wir direkt in den Club gehen. Später ist es dann wieder nur unnötig voll und wenn es ganz dumm läuft, müssen wir nach Hause laufen.", antwortet Kate.

You're still my person | LGBTQWo Geschichten leben. Entdecke jetzt