Love is Love

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"Hey Katie, hast du morgen vielleicht Zeit, um mit Frances Bean und Benjo spazieren zu gehen?", frage ich vorsichtig. Meine beste Freundin sagt sofort zu und ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich Kate von Ellen erzählen möchte und sie auch gleich mitnehme. Am nächsten Morgen bin ich total nervös. "Was ist, wenn sie total ausrastet und ich sie verliere? Sie ist immerhin meine beste Freundin und ich kann mir nicht vorstellen, wie es ist, ohne sie zu leben. Vielleicht ist es doch keine gute Idee, wenn wir ihr von uns erzählen.", gebe ich zu bedenken. "Kate ist doch deine beste Freundin, sie wird im schlimmsten Fall mich hassen.", versucht Ellen mich zu beruhigen. Auf dem Weg zu Kate wirkt meine Freundin allerdings auch etwas beunruhigt. "Wie war eigentlich deine letzte Beziehung?", fragt sie. "Ganz ehrlich? Am Anfang war es gut, aber schon nach wenigen Wochen war es die reinste Hölle und ich habe es nicht gemerkt. Oder besser gesagt, ich wollte es nicht merken, weil ich von dieser Person nach wenigen Tagen schon so abhängig war, das kann ich mir erst jetzt eingestehen. Ich war in dieser Beziehung gefangen und sie war in dieser Beziehung gefangen, wobei sie es sich immer gemütlich gemacht hat und ich habe gelitten.", antworte ich. "Wie ist es denn dann auseinander gegangen?", will meine ehemalige Lehrerin wissen. "Es war ein sehr schleichender Prozess, ich habe mal wieder gemerkt, dass sie mich eigentlich nur ausnutzt und in meiner Entwicklung hindert, aber ohne meine Freunde oder die, die ich für meine Freunde gehalten habe und natürlich ohne die Hilfe von Kate hätte ich es nie geschafft. Auch meine Eltern waren mir eine große Hilfe, obwohl ich das phasenweise nie zugeben würde. Sie haben mich wieder aufgenommen und mich aufgebaut. Die Trennung war wie ein Pflaster, das einfach nicht abgehen will. Aber es war nicht so schmerzhaft. Die Zeit danach war heftig, weil meine Ex mich terrorisiert hat und mich nur noch verletzen wollte.", entgegne ich wahrheitsgemäß, auch wenn mir die Situation ziemlich unangenehm ist. Ich will mit meiner großen Liebe nicht unbedingt über meine toxische Ex reden. "Ist Kate deswegen so schlecht auf mich zu sprechen?", fragt Ellen nachdenklich. "Sie hat wahrscheinlich Angst, dass ich wieder verletzt werde. Außerdem findet sie es ziemlich befremdlich, dass man Lehrer sympathisch findet. Aber sie wird ihren Frieden damit schließen, wenn sie merkt, dass ich endlich glücklich bin.", erkläre ich und nehme die Hand meiner Freundin.

Meine beste Freundin lächelt, das kann ich schon von weitem sehen. "Warum wusste ich, dass das kein normaler Spaziergang wird? Lasst mich raten, es ist total ernst zwischen euch und ihr wollt für den Rest eures Lebens zusammen sein? Wann ist denn die Hochzeit?", fragt Kate und grinst. Meine ehemalige Lehrerin lacht, aber ich finde das gar nicht so witzig, denn hinter dem Grinsen und den Worten meiner besten Freundin steckt auch ein kleines bisschen Ernst. "Ellen, meine beste Freundin ist eine der wenigen Personen, die mir noch etwas bedeuten. Sie verschenkt leider viel zu schnell ihr Herz. Ich freue mich natürlich für euch, aber ich werde aufpassen, dass du sie nicht unglücklich machst, denn sie bemerkt es viel zu spät. Du scheinst ja wirklich ganz nett zu sein, aber wenn du sie verletzt, wirst du mich kennenlernen.", stellt Kate klar. "Ich weiß das. Yael ist mir auch unfassbar wichtig und ich bin froh, dass sie eine beste Freundin wie dich hat. Ich werde alles dafür tun, dass Yael glücklich ist.", entgegnet Ellen. "Naja, zumindest scheinst du netter zu sein, als diese ganzen toxischen Weiber, in die sich Yael bisher verliebt hat. Das ist zumindest schon mal ein guter Anfang.", bemerkt meine beste Freundin. "Das hoffe ich.", entgegnet meine ehemalige Lehrerin und lächelt. Kate lächelt zurück und ich weiß, wie schwer ihr das gefallen sein muss.

Als nächstes kommt der schwierige Part, den ich aber auch schon einige Male hinter mich gebracht habe. Okay, einige Male war vielleicht etwas übertrieben, aber ich habe meinen Eltern schon zwei Freundinnen vorgestellt und bei beiden haben sie kein Drama veranstaltet. Meine Mama ist total begeistert von Ellen und bombardiert sie mit Fragen. Meine Freundin beantwortet jede einzelne Frage. Mein Vater ist wie immer etwas distanziert, aber auch er scheint meine ehemalige Lehrerin ganz nett zu finden. Natürlich erzählen wir nicht, dass wir uns schon von früher kennen. Meine Eltern denken, dass wir uns auf der Arbeit kennengelernt haben und sie sind total begeistert, dass ich jetzt eine Freundin mit einem stabilen Umfeld und einem festen Job habe. Von James haben wir sicherheitshalber noch nichts erzählt, ich will nicht, dass sie Ellen verurteilen. "Bist du glücklich?", fragt mein Vater, als er mich abends anruft. Das ist ziemlich untypisch für ihn, denn er ist kein besonders kommunikativer Mensch und die Gefühle von anderen interessieren ihn auch nicht wirklich. "Ich bin wahnsinnig glücklich. Mit Ellen fühlt sich alles perfekt an.", antworte ich. "Ich wünsche dir, dass du endlich glücklich wirst. Du musstest schon genug ertragen.", entgegnet mein Vater. Das hätte ich ihm niemals zugetraut. Die meiste Zeit wirkt es so, als wäre ich ihm egal. Auch das Outing auf der Arbeit verläuft problemlos. Das wundert mich, denn ich hätte eigentlich gedacht, dass der ein oder andere Kollege doch ein Problem damit hat. Aber scheinbar sind nicht alle Menschen so schlecht, wie ich dachte.

Am Samstag ist es endlich soweit und wir gehen endlich mal wieder auf einen CSD. Für mich ist es der erste CSD seit zwei Jahren und für meine Freundin ist es der erste überhaupt. "Du warst da wirklich noch nie?", frage ich schockiert. "Naja, bis jetzt hatte ich noch keinen Grund.", antwortet Ellen. "Schatz, jetzt mal ernsthaft, ich war auch schon auf dem CSD, als ich noch nicht geoutet war.", erkläre ich. Wie sehr ich es vermisst habe, kann ich eigentlich gar nicht beschreiben, denn der CSD war bis jetzt immer das Highlight meines Sommers. Ohne dieses fantastische Event fehlt einfach etwas und nach zwei Jahren ohne den CSD überfluten mich die ganzen Eindrücke. Es ist wieder so, als würde ich zum ersten Mal dort auftauchen. Dieses wahnsinnig tolle Gefühl von Zugehörigkeit und Heimat, das die meisten Menschen aus der Community von ihren Familien nicht bekommen, das ist hier sehr stark vertreten und genau deswegen fühle ich mich hier auch so unglaublich gut. In meiner absolut schlimmsten Zeit konnte ich auf den CSD gehen und meine Probleme zumindest mal für zwei Stunden vergessen. Meine Freundin ist total begeistert und möchte gar nicht mehr nach Hause. "Lass uns doch noch ein bisschen bleiben.", schlägt sie vor. Ich grinse meine Freundin an, die zwischenzeitlich voller Glitzer ist. Am Anfang war sie noch total schüchtern und sah aus, als würde sie nicht wirklich Spaß haben, aber zwischenzeitlich bin ich müde und sie ist noch total begeistert. "Komm schon, wir müssen pünktlich zu Hause sein und James von deiner Mama abholen.", erinnere ich sie. Wir laufen lachend durch die Straßen. Ich bin so unfassbar glücklich, aber wie schon so oft, soll es wohl nicht so sein.

"Hier bist du also. Stell dir vor, du kannst nicht komplett von der Bildfläche verschwinden. Dir hätte doch klar sein müssen, dass wir dich früher oder später finden.", ertönt eine allzu bekannte Stimme hinter mir. "Yael, wer ist das?", fragt Ellen. "Niemand von Bedeutung. Lass uns weitergehen.", entgegne ich angespannt. "Du kannst nicht vor deiner Vergangenheit davonlaufen, irgendwann holt sie dich ein.", ruft mir eine weitere bekannte Stimme hinterher. Natürlich erkenne ich ihn sofort, er hat meine Kindheit und Jugend zerstört, er hat mich so traumatisiert, dass ich jahrelang dachte, dass ich nicht in der Lage wäre, zu lieben. Ich nehme meine Freundin an die Hand und renne, aber sie sind uns dicht auf den Fersen. Leider bin ich nicht mehr so sportlich wie früher und nach ungefähr einer Minute haben sie uns eingeholt. Als ich die Gesichter sehe, werde ich sofort in meine Vergangenheit zurückversetzt und erstarre. "Du kannst dich nicht einfach so verpissen und deine große Liebe so verletzen.", erklärt Jelena, die mich festhält. "Große Liebe, willst du mich komplett verarschen? Er hat ganze dreimal versucht, mich umzubringen, das ist keine Liebe. Von den ganzen anderen Aktionen will ich gar nicht erst anfangen!", rufe ich aufgebracht. "Aber er liebt dich noch und ich werde garantiert nicht dabei zusehen, wie er unglücklich ist, nur weil du plötzlich auf die Idee gekommen bist, ihn zu verlassen. Du hast eine Verpflichtung.", flüstert sie mit einem gefährlichen Unterton. "Das ganze ist fünf Jahre her und was soll ich deiner Meinung nach tun, weiterhin unglücklich sein und alles dafür tun, dass er glücklich ist? Nein Schätzchen, das habe ich lange genug gemacht und du warst auch nie eine gute Freundin, du warst immer nur auf seiner Seite und als er mich geschlagen hat, mich physisch und psychisch zerstört hat, du warst immer auf seiner Seite, obwohl du angeblich meine beste Freundin warst.", schieße ich zurück. Im nächsten Moment habe ich eine Faust im Gesicht und ich spüre, wie mir das Blut aus der Nase schießt. "Komm schon, bring das zu Ende, was du damals nicht konntest.", flüstert Jelena meinem Exfreund zu. Plötzlich bin ich nicht mehr erstarrt, ich schaue ihm direkt ins Gesicht. Er packt mich an den Haaren und schlägt solange auf mich ein, bis ich auf dem Boden liege, dann tritt er mir noch in den Bauch. Ich drehe mich zu meiner Freundin um und erkenne, dass sie von Lara festgehalten wird. Aber auch diese ehemalige Freundin ist nicht so zimperlich, denn sie drückt meiner Freundin mit ihrer Hand direkt auf den Hals, dass sie weder Luft bekommt, noch schreien kann. In diesem Moment denke ich, dass alles vorbei ist, aber wie durch ein Wunder kommt die Polizei um die Ecke. Unsere Angreifer hauen ab und es ist mir total egal, ob sie gefasst werden, ich bin einfach nur froh, dass uns nicht viel mehr passiert ist. Noch in dieser Nacht nimmt die Polizei unsere Aussage auf und ein paar Wochen später stehen Jelena und mein Exfreund vor Gericht. Da beide momentan auf Bewährung sind und der Vater meines Exfreundes inzwischen tot ist und niemanden mehr bestechen kann, müssen beide für ein Jahr ins Gefängnis. Für das, was sie mir in den letzten Jahren angetan haben, ist das eigentlich viel zu wenig, aber ich bin froh, dass ich mir wenigstens ein Jahr lang keine Gedanken machen muss. Wobei ich mir eigentlich auch in Zukunft keine Gedanken mehr machen muss, denn zusätzlich wird ihnen noch auferlegt, dass sie sich Ellen, meiner Familie und mir nicht mehr als fünfzig Meter nähern dürfen. Endlich ist der Albtraum vorbei und ich kann wirklich in mein neues Leben starten.

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