Die Wogen glätten sich, zumindest vorerst

205 13 10
                                    

Mir ist bewusst, dass ich meine beste Freundin in letzter Zeit sehr vernachlässigt habe und es tut mir wahnsinnig leid. Deswegen besuche ich sie heute und ich habe zwei Flaschen Wein in der Tasche. Frances Bean begrüßt mich stürmisch und wirft mich fast um. Ich habe dieses süße Wesen so wahnsinnig vermisst. Genau so vermisst habe ich übrigens auch meine beste Freundin. Am Anfang ist es ziemlich komisch und wir wissen nicht so wirklich, über was wir reden sollen, deswegen schauen wir einen Film und öffnen den Wein. Nach einer halben Stunde sind wir ziemlich angetrunken und es ist wieder genau so, wie noch vor ein paar Wochen. Ich habe meine beste Freundin wirklich vernachlässigt und es ist absolut verständlich, dass sie sich von mir distanziert hat und dass sie sauer ist. Als ich ihr das sage, umarmt sie mich. Kate umarmt normalerweise niemanden, da sie Menschen nicht besonders mag. Die einzigen Menschen die ihr etwas bedeuten sind ihr Freund und ich, deswegen habe ich einen besonders schlechtes Gewissen, weil sie mir vertraut hat und ich habe sie so vernachlässigt. Als nächstes reden wir über Becki. Ich mache mir Sorgen, weil sie auch unter der Woche mit Cosmo trinkt. Natürlich trinken Kate und ich auch, aber wir trinken nur Wein und wir trinken nicht jeden Tag. Außerdem kennen wir unsere Grenzen, aber Becki scheint es in letzter Zeit wirklich zu übertreiben. Meine beste Freundin rät mir, mit meiner Freundin zu sprechen und falls Becki wirklich ein Problem mit Alkohol haben sollte, sie zu verlassen, denn Kate will nicht, dass ich wieder in einer toxischen Beziehung lande. Bis jetzt hatte ich leider nicht wirklich Glück in der Liebe, mein erster Freund hat mich wie den letzten Dreck behandelt und Kelly hat mich monatelang betrogen und psychisch fertig gemacht. An diesem Abend sind wir richtig ehrlich zueinander und sprechen offen über unsere Gefühle. Auch das ist nicht typisch für Kate, denn sie versucht immer die Coole zu spielen und eigentlich lässt sie keine Gefühle zu. Der Tag mit meiner besten Freundin ist wirklich schön und wir reden so lange, bis ich letztendlich feststelle, dass ich heute nicht mehr nach Hause komme, da kein Bus mehr fährt und zu Fuß wäre ich ungefähr zwei Stunden unterwegs. Darauf habe ich wirklich keine Lust. Kate holt mir also Bettwäsche und ich schlafe auf der Couch. Frances Bean ist total aufgeregt, sie rennt die halbe Nacht zwischen dem Schlafzimmer und dem Wohnzimmer hin und her.

Als ich am nächsten Tag bei Becki bin, fühlt es sich fast so an, als wäre ich hier zuhause. Sie erzählt mir, dass Cosmo sich ein bisschen verknallt hat und dass sie ihn gerne verkuppeln möchte. Da mache ich natürlich sofort mit. Abends treffen wir uns also mit Cosmo und Tina. Zum Auflockern spielen wir ein paar Trinkspiele und ich muss zugeben, dass es sehr lustig ist. Tina ist ziemlich nett, aber ich habe das Gefühl, als wäre sie eher an einer Freundschaft mit Cosmo interessiert. Aber Cosmo ist über beide Ohren verliebt, das würde sogar ein Blinder sehen. Auch am nächsten Tag treffen wir uns wieder mit den beiden und es wird immer klarer, dass Tina kein romantisches Interesse an Cosmo hat. Becki und Cosmo haben sich allerdings total in die Idee verrannt, dass er irgendwann mit Tina zusammen kommen könnte. Sie tut mir irgendwie leid, weil sie offensichtlich wirklich kein Interesse an einer Beziehung mit ihm hat. Als wir uns eines Abends bei ihr treffen und sie mit ihrem Hund Gassi gehen muss, gehe ich mit, um mit ihr zu reden. "Du stehst nicht auf ihn, oder?", frage ich. Eigentlich wollte ich sie eher beiläufig fragen, aber ich bin doch ziemlich direkt, weil ich nicht weiß, wie man das Thema beiläufig ansprechen soll. "Merkt man das so sehr?", fragt sie. Ich kann nicht anders, ich muss lachen. "Ja, man merkt es. Aber die anderen sind wahrscheinlich entweder zu betrunken, um das zu merken oder sie wollen es einfach nicht wahrhaben.", entgegne ich. Wir reden noch eine ganze Weile, bis die Hündin von Tina keine Lust mehr hat, durch die Gegend zu laufen. Tina und ich beschließen, mit den beiden zu reden, allerdings werden wir das erst morgen tun, wenn wir alle nüchtern sind. Für Cosmo und Becki bricht eine Welt zusammen. Tina hat es ihm nämlich nicht persönlich gesagt, sondern ihm nur geschrieben. Sie kennt ihn schon von früher und sie hat mir gesagt, dass sie in diesem Moment besser nicht da ist. Sie hat mir prophezeit, dass er zusammenbrechen wird und das will und kann sie sich nicht mit ansehen. Als sich meine Freundin zumindest ein bisschen gefangen hat, trösten wir Cosmo. Er greift natürlich direkt wieder zum Alkohol und verleitet meine Freundin, mit ihm zu trinken. Als ich Becki zur Rede stelle, sagt sie mir nur, dass sie ihn in dieser Situation nicht alleine trinken lassen kann. Mir kommt das ganze recht Spanisch vor, denn gerade in einer solchen Situation würde ich als gute Freundin von Cosmo eher nüchtern bleiben, um auf ihn zu achten, um vollkommen für ihn da zu sein und um eher einen klaren Kopf behalten zu können. Also passiert es, dass Cosmo und meine Freundin bereits den fünften Tag hintereinander am Saufen sind. Mir passt das gar nicht und ich ziehe mich zurück, um mit Kate zu schreiben.

Am nächsten Morgen hat Becki einen Arzttermin und Cosmo kommt zum Frühstück zu mir. Wir quatschen über die Situation und langsam scheint er einzusehen, dass das eine ziemlich schlechte Idee war, sich direkt so in eine Idee hineinzusteigern. Nach einiger Zeit kann er sogar schon lachen und wir schauen einen Film, den außer uns wahrscheinlich niemand kennt. Cosmo ist ein echt cooler Typ und wir verstehen uns immer besser. Er ist ohne Vater aufgewachsen und bei den Frauen hat er leider nicht so einen Erfolg, deswegen hat er ein sehr geringes Selbstbewusstsein und die Abfuhr von Tina hat ihn auch deshalb so tief getroffen. Er hat wahnsinnige Verlustängste, aber auf der anderen Seite verliebt er sich sehr schnell. Auch er findet, dass Becki in letzter Zeit sehr viel trinkt und er hat auch ein schlechtes Gewissen, weil er weiß, dass er sie manchmal dazu animiert. Deshalb hat er sich vorgenommen, nicht mehr zu trinken, da er der Meinung ist, dass auch er zu viel trinkt und er möchte auch eigentlich gar nicht mehr jeden Tag trinken. Deswegen haben wir jetzt einen Deal, dass keiner von uns trinkt, um Becki klarzumachen, dass es nicht normal ist, jeden Tag zu trinken. Nach diesem düsteren Thema schauen wir allerdings wieder den Film und machen uns fast in die Hose vor Lachen.

Auch in den nächsten Tagen treffe ich mich öfter mit Cosmo, wenn Becki beim Arzt ist oder ihre Schwester besucht. "Ihr seid ja lustig drauf.", stellt sie fest, als sie nachmittags wieder nach Hause kommt. Cosmo und ich haben einen ziemlich starken Lachflash. "Nach was riecht es hier eigentlich?", fragt sie. "Nach Zigaretten, nach Öko-Zigaretten.", erklärt Cosmo lachend. "Die sind ein Naturprodukt und Bio.", ergänze ich. "Ihr habt ernsthaft gekifft? Tagsüber?", fragt Becki, die etwas sauer wirkt. "Na und? Du trinkst ja auch schon direkt nach dem Mittagessen.", bemerke ich. Becki sieht aus, als würde sie gleich ausrasten. Cosmo bemerkt das und verzieht sich nach Hause. Mich lässt er alleine mit meiner wütenden Freundin zurück. Becki macht mir eine Ansage, die sich gewaschen hat. Mittlerweile bin ich allerdings nicht mehr schüchtern, sondern gebe ihr auch ordentlich Kontra. Es ist nicht so, dass ich besonders angriffslustig bin, aber Becki macht mir Vorwürfe, die einfach nicht stimmen. Außerdem mache ich mir nur Sorgen um meine Freundin, denn es ist wirklich nicht normal, dass man erstens jeden Tag trinkt und zweitens, dass man bereits nach dem Mittagessen damit anfängt. Ich kenne das so nicht und mittlerweile ist es sogar so, dass sie bei jedem Einkauf mindestens vier oder fünf Flaschen Wodka kauft. Dazu muss ich sagen, dass wir alle drei Tage einkaufen gehen. Ich würde sagen, dass sie ein Problem hat, aber sobald ich sie darauf anspreche, wird sie total wütend und schreit mich an. Langsam verstehe ich die Welt nicht mehr, denn sie muss doch eigentlich selbst merken, dass das nicht normal ist. Ihr nächstes Problem ist, dass ich mich mit Cosmo so gut verstehe. "Du hast ihn mir vorgestellt und wir haben ziemlich viel Zeit miteinander verbracht und jetzt ist es plötzlich ein Problem, dass ich mich so gut mit ihm verstehe. Kannst du mir bitte erklären, was jetzt genau dein Problem ist? Eigentlich ist es doch super, wenn sich der beste Freund und die Freundin gut miteinander verstehen.", stelle ich fest. "Ihr versteht euch aber zu gut. Ich will nicht, dass ihr euch alleine seht. Wahrscheinlich steht er auf dich.", erklärt Becki. Wenn die Situation nicht so ernst wäre, würde ich eigentlich lachen. Das ist so absurd. "Zuerst mal glaube ich nicht, dass Cosmo auf mich steht, außerdem bin ich mit dir zusammen und ich liebe dich. Zufälligerweise stehe ich gar nicht auf Männer, was ich dir aber auch schon mehr als einmal erklärt habe. Du hast also absolut keinen Grund, eifersüchtig zu sein. Ich verstehe mich mit Cosmo einfach nur sehr gut.", versuche ich meine Freundin zu beruhigen. Sie lässt sich aber nicht beruhigen, denn sie ist der Meinung, da sie ein schlechtes Gefühl hat, muss auch etwas dahinter stecken. Ich bin mehr als enttäuscht und ich hätte niemals gedacht, dass Becki mir so etwas unterstellen würde. Ich habe sie ganz genau über meine Vergangenheit aufgeklärt und warum ich nicht auf Männer stehe. In diesem Moment bin ich richtig wütend. Als ich meiner besten Freundin davon erzähle, rät sie mir natürlich direkt, mich von Becki zu trennen. Aber Kate versteht nicht, dass ich Becki liebe, wie ich noch nie jemanden geliebt habe. Auch wenn sie manchmal mehr als nur schwierig ist und mich auch schon mehrmals verletzt hat, ich liebe sie und ich kann mir ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen.

You're still my person | LGBTQWo Geschichten leben. Entdecke jetzt