Alte Bekannte

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Seit Benjo in mein Leben getreten ist, geht es mir tatsächlich ein wenig besser. Mein fast vollständig gehörloser Hund ist ein Geschenk des Himmels. Benjo schaut permanent auf meine Bewegungen und kann diese sehr gut interpretieren. Beim spazieren gehen läuft er direkt neben mir und eigentlich bräuchte ich gar keine Leine, aber da hier leider Leinenpflicht herrscht, benutze ich eine. Auch damit hat mein kleiner Engel keine Probleme und ich habe noch nie einen unkomplizierteren Hund kennengelernt. Mein Vater, der eigentlich nie einen Hund haben wollte, muss äußerst widerwillig zugeben, dass auch er Benjo direkt in sein Herz geschlossen hat. Meine Mutter steht meinem kleinen Retter noch etwas kritisch gegenüber. "Warum hast du dir nicht einen gesunden Hund ausgesucht?", fragt sie nachdenklich. "Als ich depressiv geworden bin, hättet ihr mich auch nicht aufgegeben, oder? Benjo hatte es leider nicht so gut. Er hat sein Gehör fast vollständig verloren, weil seine Besitzer ihn mit Böllern beworfen haben. Danach haben sie ihn ausgesetzt und er wäre fast gestorben. Keiner will einen gehörlosen und traumatisierten Hund. Aber ich weiß, wie er sich fühlt und ich liebe ihn, egal was ihm passiert ist. Er hat mich gerettet und er hat genau so das Recht, geliebt zu werden, wie alle anderen.", erkläre ich meiner Mutter. Ab diesem Zeitpunkt akzeptiert sie meinen Hund. Ungefähr eine Woche später gehe ich mit Benjo spazieren und irgendwie habe ich ein komisches Gefühl. Plötzlich rennt ein etwa vierjähriger Junge auf uns zu. Da ich nicht weiß, wie Benjo auf Kinder reagiert, halte ich ihn kurz und augenblicklich setzt sich mein Hund hin. Vorsichtig schaut er zu mir und wartet auf weitere Anweisungen. "James, warte auf mich!", ruft eine Frau, die ich sofort und überall wieder erkennen würde. Die Frau rennt dem kleinen Jungen hinterher und hält ihn zurück. "Bei Hunden muss man vorsichtig sein, das habe ich dir doch schon erklärt. Er hat vielleicht Angst vor dir.", erklärt sie ihm. "Aber Mama, ich will ihn streicheln.", sagt der Junge und lächelt meinen Hund an. Ellen schaut vorsichtig von meinem Hund zu mir, als sie mich plötzlich erkennt. "Yael? Was machst du denn hier?", fragt sie verwundert. "Hey, ich bin wieder zurück zu meinen Eltern gezogen. Wie geht es dir?", frage ich nervös. "Schön, dass du wieder hier bist. Du hast dich total verändert. Mir geht es gut und dir?", entgegnet sie. Wir unterhalten uns noch ein bisschen, bis James anfängt zu quengeln. "Wenn du ganz vorsichtig bist, kannst du Benjo streicheln. Er hört nichts, deswegen musst du besonders vorsichtig sein.", erkläre ich dem kleinen Jungen. James kommt langsam näher und streichelt meinen Hund behutsam. Benjo bleibt brav sitzen und wirkt sehr entspannt. Wir unterhalten uns noch eine Weile und als Ellen sich verabschiedet, bricht mein Herz ein weiteres Mal. Ellen und ich haben eine gemeinsame Vergangenheit, die eigentlich schon zu Ende war, bevor sie überhaupt richtig angefangen hatte.

Eigentlich habe ich gedacht, dass ich nichts mehr von Becki hören werde, wir haben ausgemacht, dass ich noch meine letzten Sachen hole und ihr dann den Schlüssel in den Briefkasten werfe. Damit war eigentlich alles geklärt, zumindest für mich. Becki scheint es allerdings anders zu sehen, denn sie schreibt mir Dinge, über die ich mich wahnsinnig aufrege. Sie wirft mir zum Beispiel vor, dass ich die Beziehung absichtlich gegen die Wand gefahren hätte. Als ich ihr schreiben will, dass das garantiert nicht meine Schuld war, bemerke ich, dass sie mich blockiert hat. Dieses ständige blockieren, mich beleidigen oder mir Vorwürfe machen und mich dann wieder blockieren, bevor ich etwas entgegnen kann, zieht sie eine Weile durch. Damit ich wegen dieser blöden Kuh keinen Herzinfarkt bekomme, beschließe ich, sie auch zu blockieren. Danach geht der ganze Terror per SMS weiter und auch hier blockiere ich sie. Außerdem sage ich auch meiner Mutter, dass sie Becki blockieren soll. Meine nervige Exfreundin gibt aber noch lange nicht auf. Sie ruft mich mitten in der Nacht auf dem Festnetz an. Das ganze geht so weit, dass wir abends das Telefon von der Leitung nehmen. Als ich meiner besten Freundin davon erzähle, rastet sie fast aus. "Diese dumme Snitch, ganz ehrlich. Du hast ihr mehrere tausend Euro geliehen, warst immer für sie da und hast dich quasi komplett aufgegeben. Wenn sie nochmal sowas abzieht, fahren wir zusammen hin und klatschen die weg!", ruft sie wütend. "Hey, jetzt beruhige dich erstmal. Ich will mit dieser ekelhaften Person einfach nichts mehr zu tun haben. Für mich ist das Kapitel abgeschlossen und sie ist mir nur noch egal. Am Freitag hole ich die letzten Wochen aus der Wohnung und dann ist dieses Kapitel für mich eindeutig erledigt.", erkläre ich der aufgeregten Kate. Aber meine beste Freundin denkt gar nicht daran, sich zu beruhigen. "Warum bist du so ruhig? Sie hat dir das Leben zur Hölle gemacht und du willst sie nicht umbringen, das verstehe ich nicht! An deiner Stelle hätte ich mich um einen Auftragskiller gekümmert.", entgegnet meine beste Freundin.

You're still my person | LGBTQWo Geschichten leben. Entdecke jetzt