Anders als erwartet ...

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L I S S Y

Lissy brachte die ganze Nacht kein Auge zu. Das Treffen mit Samu im gehobenen Helsinkier Restaurant "Juuri" sollte morgen stattfinden. Ella hatte sich glücklicherweise mit Freuden bereiterklärt Kimi ein letztes Mal zu nehmen, bevor sie abreisen würde. Ihre Zeit in Finnland war vorbei, doch die Ältere hatte bereits Kontakt zu mehreren Maklern aufgenommen, da sie das ohnehin viel zu große Haus in Deutschland verkaufen wollte, und sich, dem Beispiel ihrer Tochter folgend, ein neues Leben in Finnland aufbauen wollte. Oh Gott, ich bin so durcheinander. Ich kann ihm doch nicht einfach so verzeihen und so tun, als wäre nie etwas gewesen. Voller Zweifel ereilte sie schließlich in den frühen Morgenstunden doch noch der Schlaf, doch Träume blieben aus.

"Kati" murmelte Lissy verschlafen und trottete an den üppig mit Leckereien gedeckten Frühstückstisch. 

"Hyvää ... ach guten Morgen ... ich lerne noch immer ... Lissy du siehst aus als hättest du durchgemacht." 

"Ja so ähnlich war es ja auch, ich habe kein Auge zu bekommen bei diesem fürchterlichen Gedankenkarussell." 

Lissy streckte sich ausgiebig und stibitzte sich ein Brötchen aus dem Korb, den Kati ihr reichte. Die junge Frau sah wirklich verheerend aus mit ihren wild abstehenden Haaren und den bläulich anmutenden Schatten unter ihren Augen. 

"Süße, ganz ehrlich? Sei mir nicht böse, aber du brauchst einen Frisör. Die letzten Wochen sind nicht spurlos an dir verübergegangen. Was kein Wunder ist. Um dein Make-Up für heute Abend würde ich mich kümmern, wenn du möchtest" 

bot Kati an und biss beherzt in ihr Vollkorn-Knäckebrot. 

"Kati, bitte, ich bin müde und du überfällst mich hier schon wieder." 

"Hmmm" erwiderte Kati kauend, "schau mal in den Spiegel Süße, dann verstehst du was ich meine." 

"Oh mein Gott, wie sehe ich aus", rief Lissy verzweifelt und schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als sie ihr Spiegelbild erblickte. 

Kurzentschlossen vereinbarte sie daraufhin einen Termin mit dem Hair-Stylisten ihres Vertrauens, während sie vergeblich versuchte, ihre Haare in Form zu glätten und die Schatten unter ihren Augen zu kaschieren.

"Halt doch mal still, Süße, sonst verwackle ich deinen Lidstrich!" rief Kati und kniff dabei ein Auge zu, denn es erforderte ihre volle Konzentration, den Strich präzise aufzutragen. 

"Ich kann nichts dafür, dass ich so unruhig bin. Was ist wenn der mir sagt, dass er wieder mit ihr zusammen sein will?" drehte sich Lissy Katis Warnungen missachtend ruckartig um und ruinierte dadurch tatsächlich Katis Schminkarbeit. "Oder sie dann um die Ecke kommt und mir die beiden dann was vorknutschen, oder sogar noch mehr?" Lissys Stimme überschlug sich beinahe vor Aufregung. 

"Boah Lissy, echt. Wer macht denn sowas? Er ist doch kein Sadist." 

Kati war erstaunt über die Horrorvisionen ihrer besten Freundin. 

"Wie wärs damit: Ihr sprecht euch endlich aus, du bist zwar böse auf ihn, kannst aber seinem Anblick nicht länger widerstehen und schließlich verzeihst du ihm dann doch und ihr fallt euch freudestrahlend um den Hals, während das ganze Restaurant wegen eurem offensichtlichen Liebesglück applaudiert? Klingt doch schon besser oder?"

"So" Kati warf einen prüfenden Blick auf den zweifarbigen Lidschatten, den sie auf Lissys Augen gepinselt hatte und nickte zufrieden, während sie zum farblosen Lipgloss griff und mit dem Applikator einen verführerischen Schimmer auf die Lippen ihrer Freundin zauberte.

Eine Liebe auf Zeit (Eine Sunrise Avenue FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt