Fairytale gone bad?

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  • Gewidmet Patricia Zigelski
                                    

Einige Zeit später ...

L I S S Y

"Sieh mal, Raksu, das ist besonders schön, wie die Sonne unsere Gesichter anstrahlt. Das macht den Anschein, als wären wir makellos."
Lissy klickte sich durch die vielen Bilder, die sich auf der Festplatte ihres Laptops befanden und nur darauf gewartet hatten, endlich bestaunt zu werden.
"Wirklich schön" stimmte Samu zu und fuhr mit seiner liebevollen Massage auf ihrem prallen Babybauch fort dabei verwöhnte er die gedehnte Haut mit duftendem Mandelöl. Lissy genoss diese wundervollen Berührungen sehr.
"Und hier, da waren wir doch auf diesem Glasbodenboot. Ich war so fasziniert von den majestätisch anmutenden Stachelrochen."
Samu grinste: "Mit denen sollte man möglichst keine Bekanntschaft machen. Erinnerst du dich an die Worte des Reiseleiters: Die sind so giftig, dass es einen sofort umbringt, sobald man mit dem Stachel in Berührung kommt."
Samu und Lissy hatten sich mit asiatischen Köstlichkeiten eingedeckt und werteten die vielen Fotos ihrer Hochzeitsreise aus. Dank einem Beamer, den Samu im Keller wiedergefunden hatte, konnten sie die Bilder vielfach vergrößert auf die weiße Wand werfen. Die Flitterwochen lagen zwar schon eine längere Zeit zurück, aber bis heute hatten die beiden es nicht geschafft, die Fotos zu betrachten.
"Samu, du wirkst bedrückt", stellte Lissy vorsichtig fest und verschränkte ihre Finger mit seinen.
"Dir entgeht nichts oder?" Lissy schüttelte den Kopf. "Ich habe Schiss vor diesem bescheuerten Termin beim Zahnarzt morgen früh. Aber .. er tastete mit seiner Zunge in seinen Mund herum ... da ist was rausgebrochen und er sollte einen Blick drauf werfen."
"Lass dir eine Spritze geben“, entgegnete Lissy, „Dann spürst du die Behandlung kaum. Kurz bevor wir uns kennengelernt haben, hatte ich eine Weisheitszahn-OP und die habe ich dank der Injektionen ganz gut überstanden."
"Das klingt ja fies", Samu verzog das Gesicht und griff sich an die Backe, da der lädierte Zahn bei Lissys Worten unerwartet zu schmerzen begann. "Ich begleite dich gerne, wenn du das möchtest" schlug Lissy vor.
"Das ist lieb von dir, aber danach muss ich zum Management von Osmo. Ich wollte mit denen über sein Engagement bei Sunrise Avenue auf der nächsten Tour verhandeln. Da langweilst du dich nur. Aber ich verspreche dir, dass ich mich beeile. Irgendwie beschleicht mich das Gefühl, dass Jukka bald raus will."
Er legte seine Hand auf den Bauch und sprach zu seinem ungeborenen Kind: "Hallo, hier ist Papa, dir wird es doch bestimmt bald zu eng in deiner Einzimmer-Wohnung. Mama und ich möchten dich endlich kennenlernen."
Lissy streichelte dem fürsorglichen Vater in spe über die Haare und kraulte seinen Nacken. Und wieder rührte sie es beinahe zu Tränen, wie sehr er sich auf das gemeinsame Baby freute. Der Kamin verbreitete eine wohlige Wärme, während es draußen immer ungemütlicher und kälter wurde. Schneeregen begleitet von starkem Wind peitschte an die Fensterscheiben.

"Lass uns zusammen in die Wanne steigen", schlug Samu vor und erhob sich vom Sofa, während er Lissy die Hand reichte um ihr aufzuhelfen.
"Das ist eine tolle Idee, bei der Kälte ist so ein warmes Bad genau das Richtige." Lissy war begeistert von Samus Einfall und verschwand im Badezimmer, um alles vorzubereiten. Sie ließ Wasser ein und gab duftenden Badezusatz hinzu, dann ließ sie Samus Hoodie auf den Boden gleiten, stieg aus ihrer Jogginghose, steckte ihre Haare hoch und ließ sich vorsichtig in das warme Wasser gleiten. Währenddessen wartete sie auf Samu, der noch ein wichtiges Telefonat mit der Plattenfirma führen musste, bevor er seiner Frau Gesellschaft leisten konnte. Wenig später stieß er zu ihr. Schnell schlüpfte er ebenfalls aus seinen Sachen, setzte sich zu Lissy und legte seinen Kopf auf den Badewannenrand. "Ahhh das ist einfach nur geil", schwärmte er, nahm Lissy bei der Hand und zog sie näher zu sich. "Kullanmuru, du hast etwas ganz Entscheidendes vergessen." Lissy blickte ihn fragend an, was ihn zum Lächeln brachte. Er betätigte einen Knopf an der Seite und sofort begann der Whirlpool wohltuend zu sprudeln. Lissy war hellauf begeistert.
"Warum hast du mir nie gesagt, dass das hier ein Whirlpool ist", schimpfte sie und blies ihm etwas Schaum ins Gesicht.
"Du hast mich nicht gefragt", lautete Samus lapidare Antwort und er lehnte sich noch weiter zurück.
"Das fühlt sich unglaublich an, vor allem ..."
"...im Schritt, stimmts? ergänze Samu und lächelte breit.
"Samu! Echt du bist..."
" Was bin ich? Komm her zu mir", bat er sie mit verführerischem Blick. Lissy schmiegte sich an ihn und begann vorsichtig seinen Hals mit vielen kleinen Küssen zu überhäufen. Der blonde Finne schloss die Augen, während er mit einer Fernbedienung das Licht dimmte und das Badezimmer in einem beruhigenden blaugrün erstrahlen ließ. Lissy staunte:
"Alle technischen Raffinessen hat unser Herr Haber in sein gemütliches Zuhause eingebaut. Das kannte ich auch noch nicht."
"Bitte mach weiter, wo du eben aufgehört hast, das war so wundervoll."
"Meintest du das?" fragte Lissy unschuldig und küsste erneut seinen Hals, während sie seine Silberketten durch ihre Finger gleiten ließ. Ihre Lippen suchten nun seine und es folgte ein inniger Kuss. Sein Atem beschleunigte sich und er seufzte leise in dieses sinnliche Zungenspiel, als Lissy mit ihren warmen Händen über seinen Körper streichelte. Die linke Hand streifte kaum wahrnehmbar die Innenseiten seiner Schenkel.
"So schön", schnurrte der blonde Finne und gab sich Lissys Zärtlichkeiten hin. Den Gedanken an den Zahnarzt hatte er so ganz schnell verdrängen können.

"Samu ist nicht da", flüsterte Lissy kleinlaut und musterte angestrengt Samus Exfreundin, die sich vor ihr aufgebaut hatte. Sie trug High-Heels und erschien Lissy nun noch bedrohlicher. In ihren Augen lag der pure Hass.
"Das macht nichts, ich wollte auch zu dir." Lissy erschrak und sofort beschlich sie ein mulmiges Gefühl, doch trotz heftigen Widerwillens ließ sie Vivianne in die Wohnung eintreten.
"Was willst du? Ich habe dir eigentlich nichts zu sagen", gab sich Lissy selbstbewusst und bot der schlanken Finnin einen Platz an.

"Das war einmal meine Wohnung und der blonde Kerl mein Mann", wetterte sie los. "Was fällt dir eigentlich ein? Ist das bei euch Scheiß Deutschen so, dass man anderen einfach so den Mann ausspannt, sich dann auch noch bei der ersten Nummer von ihm schwängern lässt, weil man zu blöd ist, die Pille zu nehmen und dann auch noch die bodenlose Frechheit besitzt bei ihm einzuziehen? Was willst du mit Samu Haber? Kannst du mir das mal erklären? Du bist eine einfache Person, die kein Mensch kennt oder kennen will und wirfst dich trotzdem in die Arme meines berühmten Freundes. Wie kann man nur so naiv sein. Denkst du allen Ernstes, dass er dich liebt? Träum weiter, du Flittchen"

Lissy ließ die Schimpftiraden stumm über sich ergehen und hoffte so sehr, dass Samu bald wieder von seinem Arztbesuch zurückkehren würde. Die Schwangere fühlte sich überhaupt nicht wohl und die aufbrausende Art von Samus Exfreundin verunsicherte Lissy immer mehr.

Vivi hatte ihren Monolog indes noch nicht beendet: "Aber mach dir keine Sorgen. Es hat sich für dich sowieso erledigt."
Lissy beäugte sie misstrauisch, sie hatte ihre Arme verschränkt um sich unterbewusst vor ihr und ihren Worten zu schützen. "Was meinst du damit", fragte Lissy unsicher und streichelte ihren Schwangerschaftsbauch. Mit Genugtuung stellte das Model fest, dass sie Lissy mehr und mehr in Panik versetzte.
"Ach, du weißt es noch gar nicht?"
"Was weiß ich noch nicht", warf Lissy panisch dazwischen und ihre Augen weiteten sich. Vivi lächelte bösartig und ließ die junge Frau weiter zappeln.
"Das soll er dir schön selber sagen", beendete Vivi das Gespräch und warf einen Blick aus dem Fenster. Der Himmel war weiß und kündigte wohl baldigen Schneefall an. Schließlich brach sie ihr Schweigen und funkelte Lissy triumphierend an:

"Samu wird dich verlassen, er ist schon längst wieder bei mir eingezogen. Was denkst du denn, wo er sich den ganzen Tag rumtreibt? Er ist doch nie zuhause, bist du so bescheuert und hast dich darüber noch nie gewundert. Er schreibt keine neuen Songs oder nimmt eine neue Platte auf, meine Liebe. Während du dich hier mit deinem dicken Bauch rumärgerst, liege ich in seinem starken Armen und lass mich von ihm verwöhnen. Jeden Tag. Er ist zu mir zurückgekehrt, weil er dich schon lange satt hat und er hat nur noch nicht geschafft, dich vor die Tür zu setzen. Er möchte noch warten bis dein Balg endlich auf der Welt ist, dann wird er auch diese alberne Ehe annullieren lassen."
Lissy musste sich setzen, ihr wurde schwarz vor Augen und sie kämpfte mit dem Brechreiz. Die grauenvollen Worte Vivis waren wie Nadelstiche. Lissy konnte und wollte nicht glauben, was sie da hörte und doch kamen ihr leise Zweifel. Samu war wirklich viel unterwegs. Ihre Eifersucht war ihr nie ein guter Begleiter gewesen, aber stimmte es tatsächlich was diese fürchterliche Person da von sich gab? Lissy schüttelte den Kopf und wünschte sich, dass sie endlich aus ihrem Blickfeld verschwinden würde.

Wie aufs Stichwort erhob sich Vivianne.
"So, ich muss jetzt gehen. Du solltest dich etwas hinlegen Saksalainen, du bist blass um die Nase. Aber mach es dir nicht zu bequem, es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis du gehen musst."
Lissy wollte nicht weinen, sie wollte ihr diesen Gefallen nicht tun und hielt mit größter Anstrengung die Tränen zurück, die in ihren Augen brannten. Sie schluckte schwer an einem dicken Kloß in ihrem Hals. Ihre ganze heile Welt drohte mit einem mal zusammenzubrechen.
"Dann heißt es für dich hier "Bye bye" warf sie Lissy an den Kopf und knallte die Wohnungstür hinter sich zu.
Lissy stand völlig verstört mitten im Wohnzimmer und war nicht in der Lage sich zu rühren. Der Besuch von Vivianne war einfach zu viel für sie. Sie konnte es nicht glauben, was sie da eben gehört hatte und musste Samu danach fragen. So etwas konnte man doch nicht erfinden, es sei denn man war sehr niederträchtig und eifersüchtig. Völlig verzweifelt stellte sie sich vor, wie Samu sich Tag für Tag mit seiner Ex in ihrer Stadtwohnung vergnügte, während sie sehnsüchtig auf ihn wartete. Es war für sie ein Stich ins Herz, als sich vor ihrem geistigen Auge abspielte, wie seine Lippen auf Vivis lagen und er ihren Namen hauchte, während er mit ihr schlief.
"Das ist nicht wahr", sprach sie zu sich mit zitternder Stimme und endlich kamen auch die Tränen, die sie so lange zurückhalten konnte. Es war später Nachmittag und bereits stockfinster zu dieser Jahreszeit in Finnland. Sie knipste die Lichter in der geräumigen Wohnung an und sofort wurden die Räume in warmes Licht getaucht. Lissy begab sich in die Küche und kochte sich einen Baldriantee. Ihr Herz raste noch immer und auch das Ungeborene spürte den seelischen Stress seiner Mutter. Kraftlos ließ sie sich auf einem der Stühle nieder und stellte ihre dampfende Teetasse vor sich ab, doch sie fand keine Ruhe.

Mehr als sonst konnte Lissy es nicht erwarten, dass Samu endlich nach Hause kam und tigerte aufgeregt in der Wohnung auf und ab. Sie musste ihn einfach zur Rede stellen. In der letzten Zeit lagen die Nerven von beiden etwas blank, was dem Umstand geschuldet war, dass die Geburt immer näher rückte. Hatte sie Samu damit zurück in die Arme seiner Exfreundin getrieben. Endlich hörte sie das wohlbekannte Schnurren des Motors von Samus BMW. Sie trat ans Fenster und sah hinaus. Samu stieg aus dem Auto, schnappte noch ein paar Tüten vom Beifahrersitz und schloss mit einem Piepsen das Auto ab. Vollbepackt schloss er schnell die Haustür auf. Augenscheinlich war es sehr frostig draußen.
"Fucking kalt ist es, meine Liebste", begrüßte Samu seine Frau, nachdem er die Wohnung betreten hatte. Lissy kam auf ihn zu, nahm ihm die Einkäufe ab und trug sie in die Küche. Samu wunderte sich sofort über Lissys Verhalten, denn normalerweise fiel die Begrüßung ganz anders aus. Liebevoll und aufrichtig.
"Lissy?" Er folgte ihr in die Küche. "Alles ok? Ich vermisse meinen Kuss", er ging auf sie zu, doch Lissy machte einen Schritt zur Seite und starrte verloren auf den Boden.
"Was hast du?" fragte Samu und kratzte sich am Hinterkopf. Er konnte sich absolut keinen Reim auf Lissys abweisendes Verhalten machen.
"Ich hatte heute Mittag Besuch", begann Lissy ohne ihren Blick von den Punkt abzuwenden, den sie fixierte.
"Und? Wer war es? Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen, Kleine."
"Deine Exfreundin war hier, Samu." Lissy schwieg, um ihren Worten mehr Gewicht zu verleihen und sah ihm direkt in die Augen. "Von ihr habe ich ein paar Dinge gehört, die ich nicht glauben kann und will." Samu trat einen Schritt zurück.
"Was hast von ihr gehört?" fragte er verwirrt und sein Tonfall war genervter als er es eigentlich beabsichtigt hatte.

Kati tappte nervös von einem Fuß auf den anderen und betätigte die Klingel zu Jukka Backlunds Penthouse. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und sie schwitzte trotz eisiger Kälte und starken Schneefalls. Es war ihr letzter Abend in der finnischen Hauptstadt und das vorläufig letzte Wiedersehen mit ihrem neuen Schwarm, der ihr Herz im Sturm erobert hatte. Kati würde sofort, wenn sie wieder zu Hause angekommen war, ihr Versetzungsgesuch für die vakante Stelle ihres Arbeitgebers in Finnland bei der Personalabteilung einreichen, um in Jukkas Nähe bleiben zu können, denn sie hatte sich schwer verliebt. Der Keyboarder betätigte den Türöffner und Kati trat ins Haus. Sie fuhr mit dem Lift bis ganz nach oben und wurde dort bereits sehnsüchtig erwartet.
"Hi Kati, schön, dass du da bist. Willkommen in meinem bescheidenen Reich." Kati schlüpfte aus ihren Stiefeln und schlich in Jukkas geräumige Wohnung. Der hellblonde Finne half ihr aus ihrem Mantel und dimmte das grelle Licht im Wohnzimmer. Kati kam sich vor als würde sie sich in einem Studio befinden. In der Mitte des Raumes stand ein großes Mischpult, drumherum ein Schlagzeug sowie Jukkas geliebtes Keyboard mit dem er am liebsten komponierte. Kati grinste:
"Tja das ist wohl die typische Musikerbude oder?“. Jukka zuckte mit den Schultern und ließ seine Hände in seinen Hosentaschen verschwinden. "Ich wusste, ich hätte aufräumen sollen", meinte er halb entschuldigend und setzte einen Hundeblick auf. Kati kam auf ihn zu und nahm ihn liebevoll in die Arme. Sofort vergrub er sein Gesicht an ihrem Hals. "Hmmmmmm, du duftest wunderbar."
"Kiitos", wisperte Kati, schloss ihre Augen und sog diesen wundervollen Moment in sich auf. Am liebsten würde sie ihn nie wieder loslassen. Jukka legte seine Arme um sie und sah ihr tief in die Augen, woraufhin Kati sofort errötete.
"Nun meine Schöne, was hast du heute noch vor?" fragte er und sein Atem streifte ihre Wange.
"Draußen liegt viel Schnee, lass uns in deiner Wohnung bleiben ... und ..."
"...Und was?" fragte Jukka und sein Griff um Lissys Freundin wurde fester.
Ihr Puls raste und sie war zu keinem klaren Gedanken mehr fähig.  Jukka lächelte, dann ließ er sie plötzlich los und verschwand in der Küche. Kurze Zeit später hörte Kati es klappern und fluchen.
"Fuck, ich hasse diese Küche. Immer fällt was runter." rief Jukka  trotzig. Er hatte auf der Suche nach einem Korkenzieher seine Schublade mit rausgerissen. Kati stand in der Tür und schmunzelte.
"Was denn? Das ist nicht lustig. Scheiß Ding."
"Reg dich nicht auf", beschwichtigte ihn Kati, schnappte die Flasche roten Burgunder sowie zwei Weingläser und tapste ins Wohnzimmer zurück. Sie nahm auf dem großen ledernen Sofa Platz und zog ihre Beine nach oben. Wenig später kam auch Jukka dazu und setzte sich im Schneidersitz neben sie. Kati entkorkte den Wein und goss den feinen Tropfen in die Gläser. Anschließend reichte sie dem hellblonden Finnen sein Glas und wollte mit ihm anstoßen.
"Auf ... Jukka überlegte einen Moment ... ja, auf was eigentlich?" murmelte er und blickte Kati fragend an. "Es ist dein letzter Abend hier in Suomi, das ist wirklich kein Grund zu feiern."
"Dann trinken wir darauf, dass ich so schnell es mir möglich ist zurückkehre", rief sie fröhlich. Die Gläser erzeugten einen lieblichen Klang, als sie aneinanderstießen.
"Ich habe mich in Finnland verliebt", fuhr sie fort und dann senkte sie ihren Blick. "Und auch in einen ganz besonderen Finnen." Jukka lächelte und hob ihr Kinn an.
"Aha, das klingt interessant. Kenne ich ihn?"
Sie blieb dem Finnen die Antwort schuldig und versank stattdessen in seinen geheimnisvollen Augen.  Kati öffnete leicht ihre Lippen. Jukka verstand die Einladung sofort, legte seinen Mund gefühlvoll auf ihren und stupste sie mit der Zunge. Sofort ereilte die junge Frau dieses unvergleichliche Kribbeln im Körper. Sie zog ihn näher zu sich und ihre Lippen gewährten Jukkas Zunge den Einlass, nachdem er sich so sehnte. Das verliebte Paar küsste sich leidenschaftlich im Schein der vielen Kerzen, während draußen das winterliche Helsinki immer mehr unter einer dicken Schneedecke versank. Aus den Boxen kamen gefühlvolle Balladen einer jungen, finnischen Musikerin, die Jukka unterstützte und förderte. Wiederwillig löste Kati den sinnlichen Kuss und wagte einen Blick aus dem Fenster.
"Ich fürchte, ich kann heute nicht mehr in mein Hotel zurück", seufzte sie und beobachtete die tanzenden Schneeflocken im Licht der Straßenlaternen.
"Ich hätte dich gar nicht mehr gehen lassen, meine Hübsche. Es ist viel zu gefährlich. Du kannst in meinem Bett schlafen. Ich mach es mir solange auf dem Sofa gemütlich."
"Ich danke dir, Jukka. Bitte weck mich spätestens um acht, ich darf meinen Flieger nicht verpassen."
"Das verspreche ich dir“, erwiderte Jukka. Kati hauchte ihr einen letzten Kuss auf seine Lippen und war kurz darauf in seinem Schlafzimmer verschwunden. Der hellblonde Finne blies die Kerzen aus und kuschelte sich auf sein Sofa.
Kurz darauf war er fest eingeschlafen.

Lissys Herz hämmerte wild gegen ihren Brustkorb und sie weinte leise, nachdem Samu sie allein gelassen hatte. Verloren saß sie auf dem Sofa und hatte sich noch nie so einsam gefühlt. Sie überlegte krampfhaft was sie tun sollte, aber sie hatte keine Idee. Mit zitternden Händen nahm sie ihr Smartphone in die Hand und wollte Samus Nummer wählen, doch das Display war schwarz. Wütend pfefferte sie das Gerät zurück auf den Tisch, schloss die Augen und rieb sich den kalten Schweiß von der Stirn. Ihr war schwindelig und auch ihre Übelkeit nahm immer mehr zu. Lissy spürte, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war und es ihr von Sekunde zu Sekunde schlechter ging. "Samu, wo bist du? Bitte komm zurück."
Ihre Worte waren kaum mehr als ein Flüstern und sie schleppte sich mit letzter Kraft Richtung Telefon, doch noch bevor sie dort ankam, verlor sie das Bewusstsein, schlug hart auf dem Boden auf und die Welt um sie wurde schwarz.

S A M U

Samu war es schon mehr als mulmig, als er in dem Zahnarztstuhl Platz nehmen und seinen Mund ausspülen musste. Er mochte wie die meisten Menschen Zahnärzte nicht besonders, bedeutete die Behandlung doch meist nicht unerhebliche Schmerzen. Samu begrüßte den Zahnarzt und schilderte sein Problem mit dem abgebrochenen Zahn.
"Es heißt ja, dass jedes Kind einen Zahn kostet, ich wusste nur nicht, dass das auch für die werdenden Väter gilt", scherzte der blonde Finne Der Mediziner hob eine Augenbraue.
"Gratulation, wann ist es soweit, wenn ich fragen darf?"
"Sehr bald", erwiderte Samu und ein unfassbares Glücksgefühl machte sich in ihm breit. "In wenigen Wochen", fuhr er fort. "Sie werden es lieben, das Vatersein. Die schwerste und zugleich schönste Aufgabe im Leben eines Mannes", schwärmte der Arzt und wendete sich nun Samus Zahnproblem zu.
"Also, bitte weit den Mund aufmachen, sehen wir mal nach." Samu nickte und tat wie ihm geheißen.
"Da ist ein Stück abgebrochen", stellte der Doktor mit fachkundigem Blick fest. "Sollen wir den Zahn gleich überkronen?"
"Wie lange wird das dauern? Ich habe im Anschluss noch einen wichtigen Termin."
"Das geht schnell, ich hole nur kurz meine Assistentin dazu und schon kann es losgehen."
Samus Backenzahn war schnell und dank modernster medizinischer Ausstattung schmerzfrei überkront worden.
Er war nun auf dem Weg zu Osmos Management um die Formalitäten über die Anstellung des Künstlers bei Sunrise Avenue auszuhandeln. Das war meist ein schwieriges Unterfangen und der blonde Finne war mehr als froh darüber, dass es heute doch recht schnell und ohne längere Diskussionen über die Bühne gegangen war.

Vivi stand nach einer kurzen Nacht auf und war hochmotiviert. Endlich hatte sie ihren perfiden Plan ausgeklügelt und wollte zur Tat schreiten. Aus zuverlässiger Quelle und eigener Erfahrung wusste sie von Lissys größter Schwäche und schreckte nicht davor zurück, diese für ihre Zwecke schamlos auszunutzen. Sie selbst wusste ebenfalls wie Samu übertriebene Eifersucht hasste und in die Flucht treiben konnte. Riku hatte bereits liebevoll den Frühstückstisch angerichtet und begrüßte seine Liebste mit einem innigen Gutenmorgen-Kuss.
"Hyvää Huomenta, Viv, hast du gut geschlafen?" Die blonde Finnin streckte sich ausgiebig:
"Morgen. Nein, ich konnte nicht einschlafen. Wenn ich nur wüsste, was mich immer so wachhält?"
"Setz dich", forderte Riku sie auf und rückte seine Geliebte an den Tisch, dann nahm er ebenfalls Platz und reichte Vivi den Korb mit den frischen Brötchen.
"Was hast du heute vor, Suosikki?" fragte der Gitarrist kauend zwischen zwei Bissen Rührei mit Speck. Vivianne reagierte ausweichend.
"Ich..äh..wollte heute Vormittag zur Kosmetikerin, das kann etwas dauern, äh und du?"
"Studio, wie immer", erwiderte Riku lässig. "Unser Album ist so gut wie fertig. Samu hat Urlaub."
Samu! Allein die Nennung seines Namens versetzte sie in Hochstimmung. Sie war so voller Hoffnung, dass ihr Plan aufgehen würde und dann wäre er endlich wieder bei ihr. Viviannes Meinung nach gehörte keine andere Frau an seine Seite.
"Kannst du mir vielleicht deinen Wagen leihen?" fragte Vivi zuckersüß und schenkte ihrem Lover einen Blick, dem er nicht widerstehen konnte.
"Na klar, aber bitte fahr vorsichtig. Mein neues Auto ist noch keine zwei Monate alt."
"Selbstverständlich", beruhigte ihn Vivi, während sie sich erhob um den Tisch abzuräumen.
"Also, dann sehen wir uns heute Mittag", verabschiedete sich die junge Finnin und schlüpfte in ihre High-Heels.
"Ja, bis dahin bin ich auch längst wieder zu Hause."
Der dunkelhaarige Finne setzte sich seine Wollmütze auf den Kopf und zog sie fest über die Ohren. Dann hielt er seiner Freundin die Türe auf und nach einem liebevollen Abschiedskuss trennten sich die beiden für den Moment.

"Samu", Lissy schnaufte hörbar und die Worte kamen ihr nur schwer über die Lippen:
"Stimmt es wirklich, dass du wieder bei ihr eingezogen bist? Und nicht wie du immer vorgibst an eurer neuen Platte bastelst? Willst du unsere Ehe annullieren lassen?"
Lissys Stimme war leise und drohte zu brechen:
"Antworte mir! Stimmt das was sie sagt? Bitte sei ehrlich zu mir!" flehte sie und erste Tränen bahnten sich ihren Weg über ihre blassen Wangen. „Kannst du mir nicht einfach sagen, dass du mich nicht mehr liebst oder bist du dazu zu feige?“ schrie Lissy ihn an und begann hemmungslos zu schluchzen.

Samu war sprachlos. Er wusste nicht ob er Lissy bedauern oder wütend auf sie sein sollte. Wie konnte ihm seine frisch angetraute Frau nur so misstrauen.
"Lissy, ich weiß jetzt nicht was ich sagen soll. Traust du mir das zu? Traust du mir das wirklich zu?" fragte Samu und seine Stimme wurde lauter. "Fuck Lissy, antworte mir, traust du mir das zu? Dass ich dich jeden Tag alleine zu Hause lasse und währenddessen meine Exfreundin vögle?"
Samu musste sich setzen. Er fingerte aufgeregt eine Zigarette aus seiner Hosentasche und zündete sie sich in seiner Wohnung an. Es war ihm völlig egal im Moment. Gierig zog er daran und blies den blauen Dunst in die Luft.
"Oh mein Gott. Ich kann nicht glauben, was ich da höre." Er erhob sich und trat ans Fenster

"Samu, ich ..."
"Samu, Samu, Samu, verdammt nochmal ich weiß, wie ich heiße" unterbrach er sie und zog  erneut an seiner Zigarette. "Du bist doch nicht mehr zu retten Lissy", er ließ seinem Frust freien Lauf.
Lissy vergrub ihr Gesicht in ihren Händen.
"Es tut mir so leid, aber sie hat mich gerade so fertig gemacht, ich liebe dich doch so und könnte es nicht ertragen, dass du mich verlässt. Bitte Samu."
"Du gehst mir langsam so auf die Nerven mit deinen Zweifeln und deiner Eifersucht, warum glaubst du ihr mehr als mir?" Samu war unendlich enttäuscht.

"Sie steckt mit deiner Mutter unter einer Decke. Die konnte mich sowieso noch nie leiden und hat mich bis heute nicht akzeptiert. Sie würde es doch begrüßen, wenn ich wieder verschwinden würde und Vivi endlich wieder an deiner Seite wäre. Wieso hast du mich überhaupt geheiratet, Samu?", schlug es ihm nun entgegen.

Samu hatte genug gehört. Er ballte seine Hände zu Fäusten und biss sich auf die Unterlippe.
"So denkst du also über mich?"
Er schluckte und Tränen sammelten sich in seinen Augen, sein Blick offenbarte Traurigkeit. Sie hatte ihn tief verletzt.
"Du bist so bescheuert. Willst du wirklich wissen, warum ich mich in letzter Zeit ein wenig zurückziehe?"
Samu wischte sich mit einer wütenden Geste die Tränen von den Wangen, als würde er sich dafür schämen. Dann begann er, diesmal mit festerer Stimme und seine Augen funkelten wütend:
"Ich kann jetzt jeden Moment Vater werden, ich freue mich unendlich und habe gleichzeitig eine Scheißangst davor. Du hast keinen Schimmer, wie ich mich fühle. Nicht nur dir als werdende Mutter geht es so, aber du denkst gerade nur an dich und willst dass ich für alles Verständnis aufbringe. Das tue ich gerne, aber ich erwarte auch ein wenig Verständnis für mich und nicht immer irgendwelche Vorwürfe oder Zweifel. Ich hab die Schnauze so voll von dieser ständigen Eifersucht“, schrie Samu und wandte sich zum Gehen.
Lissy wollte ihn festhalten doch der blonde Finne schüttelte ihre Hand ab.
"Warte nicht auf mich", rief er, schnappte seine Jacke und stürmte an der weinenden Lissy vorbei.

"Nein, bitte lass mich nicht allein." Lissy hielt ihn mit einer Hand an seinem Ärmel fest und umklammerte ihren hochschwangeren Bauch mit der anderen. Jede Bewegung war inzwischen mühsam geworden.
"Ich hab es nicht so gemeint. Olen Pahoillani, Raksu."
Samu drehte sich noch einmal zu ihr um, in seinen blauen Augen lag unendliche Enttäuschung.
"Es tut dir leid? Das bringt mir auch nichts. Du vertraust mir nicht und das tut verdammt weh.
Man, wann kapierst du das endlich, Lissy? Ich will nur dich, schon vergessen, es ist noch nicht sehr lange her, dass ich dich geheiratet habe. Ich tue mein allerbestes um dir zu zeigen, wie ernst ich es mit dir meine und das ist der Dank dafür?“. Samu sprach nun ruhig und in seiner Stimme lag so viel Schmerz.
"Lass mich jetzt bitte gehen, ich muss nachdenken."
Er lockerte sich aus ihrem Griff und hastete sich ohne nochmal umzudrehen zur Haustüre raus.
Vivi hatte mit ihrer Lüge ganze Arbeit geleistet.

Es war sehr kalt, denn der Winter stand unmittelbar vor der Tür. Ein eisiger Wind pfiff ihm ins Gesicht, woraufhin Samu seine rote Wollmütze aus der rechten Jackentasche fischte und sie auf seinen Kopf setzte. Dann ließ er schnell seine Hände in seinen Jackentaschen verschwinden und irrte gedankenverloren durch die Nacht. Eine einzelne Schneeflocke legte sich auf seine Nase, wo sie sofort schmolz.
"Es wird Winter", murmelte er in die Stille und sah auf zum Himmel. Immer mehr Flocken tanzten auf die Erde und verwandelten die Landschaft um ihn langsam aber sicher in einen weißen Wintertraum. Der Schnee dämpfte sämtliche Geräusche und die Welt um ihn herum war beinahe still. Er spürte wie ihm heiße Tränen über seine eiskalten Wangen liefen, denn er vermisste seine Frau schrecklich. Lissy hatte sich in den letzten Wochen immer mehr zurückgezogen. Sie war überhaupt nicht mehr glücklich und sehnte sich jeden Tag die Geburt von Jukka herbei. Leider ließ sie das auch Samu spüren. Sie hatte ihn immer wieder abgewiesen und wollte allein sein. Samu verstand seine Frau nicht, aber er konnte es auch nicht ändern. Seine eigenen Zweifel machten ihm zunehmend das Leben schwer. Er hatte Angst vor seiner Rolle als Vater und glaubte dieser nicht gerecht werden zu können. Er war so oft unterwegs, wie konnte er seinem Kind ein guter Vater sein? Der Streit mit seiner Mutter tat ihr Übriges, denn Samu hatte den Kontakt zu ihr seit geraumer Zeit abgebrochen, da sie keinerlei Anstalten machte, Lissy zu akzeptieren.
"Alles Scheiße", schniefte Samu und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Der Schneefall nahm nun merklich zu und Samu klappte seinen Kragen hoch um sich gegen die klirrende Kälte, die langsam in seine Glieder kroch, zu schützen.

"Was ist denn mit dir passiert", fragte Raul besorgt als er seinen völlig aufgelösten Freund vor seiner Türe stehen sah. "Hey, Haber?"
Samu blickte ihn aus verweinten Augen an und der Bassist wusste, dass etwas Schlimmes vorgefallen sein musste.
"Komm rein. Samu, du bist ja total durchgefroren."
"Ich...ich...danke...dir", schlotterte der blonde Finne. "Sie will mich zerstören, alles kaputtmachen, Fuck, ich kann nicht mehr", jammerte Samu los. Raul verstand kein Wort von dem was Samu mitteilen wollte.
"Setz dich erst mal, Samu und dann der Reihe nach, was ist passiert?"
Samu ließ sich auf einem der Stühle nieder, atmete schwer aus und erzählte Raul ausführlich von den Geschehnissen des Tages, wobei sein Zahnarztbesuch jetzt eindeutig das kleinere Übel für ihn gewesen war. Raul stellte Samu eine Tasse Glühwein vor die Nase, woraufhin Samu schnell seine klammen Finger um den Pott legte, um sie zu wärmen.
"Es ist gerade alles so beschissen, Raul." Samu legte seine Hand auf das Gesicht und schüttelte den Kopf.
"Komm erst mal runter. Meinst du nicht du hast vielleicht etwas überreagiert? Ich meine, ich kenne Lissy und du sie auch. Sie war immer schon etwas eifersüchtig und in der Schwangerschaft sind Frauen ja noch empfindlicher. Sie hat einfach Angst dich zu verlieren und sind wir mal ehrlich, ganz unbegründet sind ihre Zweifel ja nicht. Du hast Vivi verlassen wegen ihr und nun hat sie Angst du könntest wieder zu ihr zurückkehren. Auch wenn sie nicht direkt so zweifeln hätte müssen, hast du auch übertrieben und momentan sollte sie im Vordergrund stehen. Ich denke, du solltest dich entschuldigen. Sie wird dir sicher verzeihen. Sie liebt dich."
Samu hörte aufmerksam zu und kämpfte erneut mit den Tränen. Auch wenn er erwachsen und ein gestandener Mann war, schämte er sich deshalb nicht, denn er war wirklich verzweifelt und ließ seinen Gefühlen freien Lauf.
"Ich weiß, verdammt nochmal, ich bin so ein gottverdammter Wi ...", schluchzte er woraufhin Raul die Hände erhob und ihn unterbrach:
"Samu das bringt jetzt auch nichts. Trink in Ruhe aus und dann fahr ich dich wieder rüber, ok? Zu Vivianne fällt mir nichts mehr ein, außer dass sie sich vielleicht mal in psychologische Behandlung begeben sollte. Das grenzt ja an Stalking, was die hier treibt."

Samu nickte, putze sich die Nase und warf einen Blick aus dem Fenster. Helsinki lag bereits unter einer dicken Schneedecke und in den Lichterkegeln der Scheinwerfer erkannte er, dass es noch immer weiterschneite. Die Menschen, die noch unterwegs waren, hatten sich dick in ihre Mäntel und Jacken gehüllt und schienen noch immer zu frieren. Plötzlich erhob er sich ruckartig, schlüpfte in seine Jacke und wollte nur noch zurück zu seiner Ehefrau, die er über alles liebte und sich bei ihr entschuldigen. Sie halten und ihre Tränen trocknen. Das war jetzt das einzig Richtige.

Raul befreite den Wagen von den Schneemassen und kratzte die vereiste Windschutzscheibe frei, während er über seine Frau schmunzelte, die einfach noch immer nicht in der Lage war das gemeinsame Auto in der Garage zu parken. Die beiden Finnen setzten sich schnell in den fahrbaren Untersatz, legten ihre Gurte an und Raul startete den Motor. Aufgrund des Wintereinbruchs ging es leider nur schleppend voran und nur im Schneckentempo zurück zu Samus und Lissys Wohnung. Samu hatte ein sehr schlechtes Gefühl was Lissy betraf und äußerte Raul gegenüber seine Bedenken.
"Hoffentlich geht es ihr gut. Wenn ihr jetzt etwas zugestoßen  ist, werde ich mir das nie verzeihen." In Samus Stimme lag die pure Verzweiflung. Raul schüttelte den Kopf und bot Samu eine Zigarette an, die dieser dankend annahm. Er zündete sie sich an, kurbelte das Fenster runter und blies den blauen Dunst raus in die kalte Winternacht.
"Es geht ihr bestimmt gut, Haber. Mach dich nicht verrückt, wir sind gleich da und da kannst du sie wieder in deine Arme schließen."
"Kiitos Raul, für alles. Du bist ein wahrer Freund."
Raul setzte den Blinker und bog vorsichtig auf das Grundstück der Habers ab. Samu stellte erleichtert fest, dass in der Wohnung noch Licht brannte. Er hatte die Zeit völlig vergessen und staunte nicht schlecht über die Tatsache, dass es bereits fast Mitternacht war. Und noch immer schneite es. Samu verabschiedete sich schnell von Raul, wünschte ihm eine gute Heimfahrt und stapfte durch hohen Schnee zur Haustür. Mit zitternden Händen schloss er auf, streifte den Schnee von seinen Stiefeln und schlich die Treppe nach oben. Es war verdächtig ruhig und sofort griff das ungute Gefühl wieder nach ihm und ihm wurde flau im Magen. Vorsichtig betrat er die Wohnräume und sah sich um.
"Lissy?" fragte er vorsichtig und sein Herz hämmerte gegen seine Brust. "Lissy", wiederholte er, diesmal lauter.
Was er dann sehen musste, ließ ihn beinahe erstarren. Er fand seine Frau leblos auf den Boden liegend vor. Er ließ vor Schreck seinen Hausschlüssel fallen und stürzte zu ihr ihr. Sofort bettete er ihren Kopf in seinen Schoss und redete auf sie ein.
"Lissy?" Er rüttelte leicht an ihr, doch sie zeigte keinerlei Reaktion. "Lissy" versuchte er es wieder. "Baby mach kein Scheiß, wach auf", flüsterte er mit erstickter Stimme. Mit zitternden Hände wählte er die Notrufnummer und der Rettungswagen machte sich sofort auf den Weg.
"Fuck, Lissy, ich bin so ein Arschloch, wie konnte ich dich allein lassen?"
Tränen stiegen abermals in ihm auf und er schlug die Hand auf seinen Mund. Verzweifelt versuchte er, seine Frau mit sanften Worten ins Bewusstsein zurückzuholen, doch Lissy hörte ihn nicht mehr.

-tbc-

Eine Liebe auf Zeit (Eine Sunrise Avenue FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt