Ich weiß nicht, wie lange ich so daliege und in die Dunkelheit starre. Mit der Zeit reguliert sich mein Herzschlag ein wenig. Doch wo bleibt Thion? Ist er im Lager? Hoffentlich hat er sich nicht auf einen selbstmörderischen Ausflug in den Wald begeben. Das Etwas, welches Majendron getötet hat, ist sicher noch da draußen. Ein Schauer läuft durch den Körper der Füchsin. Noch immer kann ich nicht glauben, was passiert ist. Vielleicht sollte ich es wagen und zu Finn laufen. Aber er würde mich nicht erkennen. Was die anderen wohl sagen werden, wenn sie erfahren, dass ich ein Fuchs bin? Sie würden mich noch mehr meiden. -Vielleicht jagen sie dich aus dem Lager.- Dieser Gedanke erfüllt mich so sehr mit Furcht, dass ich erneut am liebsten geweint hätte. Was ist bloß los mit mir? Wer bin ich? Die Gedanken wirbeln durch meinen Kopf und ich kann sie nicht ordnen.
Erschrocken fahre ich hoch. Ich muss wohl eingeschlafen sein. Helles Licht dringt durch die Ritzen der Holzwände unserer Hütte. Eilig sehe ich auf meinen Körper herab. Menschlich. Ich habe mich zurückverwandelt. Oder war das alles nur ein weiterer Traum? Nein, ich bin mir sicher, dass ich meine Verwandlung nicht geträumt habe. Zitternd setze ich mich auf und sehe mich um. Thion ist noch immer nicht da. Die Sorge um ihn ist beinahe so groß wie meine Angst vor mir selbst. Ich muss unbedingt mit ihm sprechen. Da ich es nicht wage, die Hütte zu verlassen, aus Angst ich könnte mich erneut unkontrolliert in die Füchsin verwandeln, bleibe ich auf meinem Schlafplatz sitzen. Mein Magen knurrt, doch das Fleisch vom Vortag rühre ich nicht an.
Endlich, es kommt mir vor wie eine Ewigkeit, geht die Tür zu unserer Hütte auf. Thion kommt herein, das Gesicht von Sorgenfalten durchzogen. So habe ich ihn lange nicht mehr gesehen. "Ah Avalin, du bist schon wach.", sagt er und setzt sich auf einen der Hocker. Ich starre ihn an. "Tut mir leid, dass ich so spät komme. Rhun und ich haben uns lange unterhalten." "Und wisst ihr, was Majendron getötet hat?" Mein Großvater schüttelt den Kopf. "Nein. Bei den Geistern, ich habe noch nie etwas dergleichen gesehen." Beinahe vergesse ich, warum ich eigentlich mit Thion sprechen wollte. "Was bedeutet das jetzt für uns?" Thion sieht zu mir. Sein gelbes Auge mustert mich eingehend. "Dass wir ab jetzt dreimal am Tag unser Territorium kontrollieren. Niemand verlässt mehr das Lager ohne Ansprache mit Folnor, Rhun oder mir und niemand geht alleine in den Wald." Ich beiße mir auf die Lippe. "Hast du das verstanden Avalin? Du wirst das Lager nicht verlassen ohne, dass ich davon weiß." "Ja Großvater." "Gut. Ich werde jetzt noch mit den älteren Kämpfern und Jägern sprechen. Wir sehen uns dann nachher." "Warte!" Jetzt bin ich aufgesprungen. Ehe mein Großvater gehen kann, packe ich ihn am Handgelenk. Thion hält inne. "Ich..." Ich stocke. Wie soll ich das bloß anstellen? "Großvater... Wer bin ich?" Der alte Mann hebt überraschend eine Augenbraue. "Avalin, was soll das? Du weißt, wer du bist. Denkst du nicht, jetzt ist der falsche Augenblick, um über deine Eltern zu sprechen?" "Ich habe mich verwandelt." Die Worte verlassen ungehindert meine Lippen. Thions Auge weitet sich. "Du hast die Gestalt gewechselt?" Irgendetwas sagt mir, dass er nicht damit gerechnet hatte diese Worte jemals von mir zu hören. Das macht mich wütend. Ich lasse ihn los. "Ja." "Avalin, das wist wunderbar! Hast du schon versucht es kontrolliert zu tun?" "Du verstehst das nicht!" Nun bin ich laut geworden. Mein Großvater sieht mich verwundert an. "Was? Was verstehe ich nicht?" "Ich bin kein Wolf, verdammt! Ich bin... Ich bin ein Fuchs."
Thions Auge weitet sich erneut. Er starrt mich plötzlich an, als wäre ich eines der Wesen im Wald. "Natürlich bist du das.", sagt er dann. Verwundert und noch immer wütend stemme ich die Hände in die Hüfte. "Was soll das heißen?! Thion, was geht hier vor?! Sag mir die Wahrheit!" Thion seufzt. Dann setzt er sich erneut auf den Hocker und deutet mir dasselbe zu tun. Ich geselle mich zu ihm. "Ich denke es ist an der Zeit, dir zu sagen, was ich weiß.", meint er ernst. Misstrauisch mustere ich ihn. Was jetzt wohl kommen wird? Thion faltet die Hände und legt sie ihn seinen Schoß. "Vor vielen Jahren, da suchte uns ein langer und kalter Winter heim. Das ganze Lager litt an Hunger und es war sehr schwer für alle, über die Runden zu kommen. Wir verloren viele gute Leute in dieser Zeit. Damals ging ich oft alleine auf die Jagd. Vermutlich, weil meine alten Knochen es noch erlaubten lange Strecken zu laufen, verließ ich unserer Territorium, um darüber hinaus nach Nahrung zu suchen. Und dort, weit entfernt vom Lager, da fand ich sie..." Er bricht ab. Ich grabe meine Fingernägel in das Holz des Hockers, auf welchem ich sitze. Mein Herz schlägt so schnell, als wäre ich auf der Jagd. "Wen?" "Eine Frau mit rotem Haar. Die Kälte hatte sie umgebracht.", antwortet mein Großvater. Er senkt den Blick, als könnte er es plötzlich nicht mehr ertragen mich anzusehen. "Sie hatte ein Kind bei sich. Es war noch am Leben, aber sehr schwach. Der Winter hätte es getötet." Ich starre Thion an. Eine Frau im Wald? Rotes Haar? "War dieses Kind...", stottere ich. "War ich das?" Thion nickt. "Ich brachte dich ins Lager und versorgte dich. Du erholtest dich schnell und wurdest zu einem munteren kleinen Geschöpf." Langsam hebt er wieder den Kopf. Ich blinzle ungläubig. Thions Worte wollen keinen Sinn ergeben. "Das kann nicht wahr sein! Du hast immer gesagt Mutter und Vater wären im Kampf ums Leben gekommen, als sie unser Lager verteidigt haben!" "Ja das habe ich, doch es war eine Lüge. Eine Lüge, um dich zu beschützen." "Aber..." Ich finde keine Worte. "Ich konnte dir nicht sagen, wer du bist, weil ich es lange Zeit nicht wusste." "Und jetzt weißt du es?" "Ich beginne zu verstehen." Er sollte weitersprechen, doch er tut es nicht. Stattdessen sieht er mich an. "Das bedeutet, du... du bist gar nicht..." "Nein, ich bin nicht dein Großvater. Ich hatte niemals Kinder." In meinem Herz macht sich ein Schmerz breit, den ich nicht verstehe. "Aber dann gehöre ich nicht hier her... Wer bin ich?! Thion, bitte sag es mir! Ich habe ein Recht darauf es zu erfahren!" Thion scheint mit sich zu ringen. Er weiß mehr, als er zugibt. "Es gibt in diesen Wäldern viele Dinge, von denen wir nichts wissen. Aber ich kann dir sagen, dass es einen Stamm gab, ebenso wie unseren. Nur waren diese Gestaltenwandler Füchse und keine Wölfe." "Waren?" Mein Herz beginnt noch mehr zu schmerzen. "Was heißt das?" Thion nimmt meine Hand. "Das bedeutet, dass sie ausgelöscht wurden. Sie sind alle tot."
So, eine kleine Überraschung für die, die das Buch noch in ihrer Bibliothek aufbewahrt haben. Dieses Kapitel war so spontan, wie kein anderes, das ich bis jetzt geschrieben habe. Heute Morgen bin ich aufgewacht und hatte Lust, die Geschichte weiterzuschreiben. Ich hoffe ihr seid mit dabei, auch wenn ich so lange nicht mehr dran gearbeitet habe.
Es wird so sein, dass ich das Buch nach Gelegenheit fortsetze. Noch immer habe ich einige Projekte, die einfach Vorrang haben. Aber ich werde mir Mühe geben, hier zu updaten, damit ihr weiterlesen könnt. Kurz und knapp bedeutet das, dass ich update, wenn ich Zeit und Lust habe ein Kapitel zu schreiben. Die Geschichte entsteht erst allmählich in meinem Kopf, also sie ist auch noch nicht fertig durchdacht.
Aber wenn ihr Lust habt, könnt ihr gerne mit mir erleben, wohin sich die Geschichte entwickelt. Danke für eure Treue,
Lauriss <3
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Fuchs unter Wölfen
FantasyMitteleuropa im Fünfzehnten Jahrhundert. Die Angst vor dem Teufel, der Hölle, schwarzer Magie und Hexen ist weit verbreitet. Menschen, die angeblich Hexerei ausüben, werden verfolgt, gefoltert und getötet. So auch in einem kleinen Dorf, nahe eines r...