Vor Entsetzen wage ich es nicht, auch nur einen Muskel zu bewegen. Ich starre auf das rötliche Fell, welches die Pfoten bedeckt. -Das ist ein Traum, Avalin.-, rede ich mir ein. -Du musst aufwachen.- Doch Etwas sagt mir, dass dem nicht so ist. Ich bin bei vollem Bewusstsein. Verzweifelt will ich nach meinem Großvater rufen, doch anstatt seines Namens, dringt ein seltsamer Klagelaut aus meiner Kehle. Langsam beginne ich zu begreifen. -Nein. Das kann nicht sein.- Gedanken wirbeln mir durch den Kopf, der erneut heftig zu schmerzen beginnt. Ich nehme all meinen Mut zusammen und komme auf die Beine. Auf vier Beine. Ich spüre die Kleidung nicht mehr auf meiner Haut. Sie haben dem roten Fell Platz gemacht, das mich nun bedeckt. Meine Nase ist viel feiner geworden. Sie nimmt weit schwächere und ältere Gerüche wahr. Zögerlich setze ich einen Fuß vor den anderen, überzeugt gleich darauf über meine eigenen Pfoten zu fallen, doch es klappt und ich komme bis zum Tisch. Ich muss Thion finden. Vor dem Hütteneingang verharre ich in meiner Bewegung. Nein, jetzt die Hütte zu verlassen, wäre töricht. Die Wachen würden mich nicht erkennen. Ein Fuchs, der sich im Lager umherstiehlt, könnte eine Bedrohung sein. Ich muss warten. Mit aller Kraft versuche ich mich zu konzentrieren und meine menschliche Gestalt anzunehmen, doch es gelingt mir nicht. Ich habe gehört, wie sich Finn mit einigen anderen darüber ausgelassen hat, dass die erste Verwandlung beinahe einen halben Tag lang andauert. Erst dann kann man sich zurückverwandeln und von da an kontrolliert die Gestalt wechseln. Aber ich bin nicht wie die anderen. Meine Gestalt ist kein Wolf. Sie ist ein Fuchs. Was, wenn ich mich nie wieder zurückverwandle? Wenn das hier ein Fluch und keine Gabe ist? Erneut werde ich panisch. Wenn Füchse weinen könnten, wäre ich wahrscheinlich in Tränen ausgebrochen. Ich trotte auf meinem Schlafplatz zurück und befehle mir ruhig zu bleiben. Zitternd setze ich mich auf die Felle und ringle den buschigen Fuchsschwanz um mich. -Ruhe bewahren, Avalin. Warte auf Thion.-

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Fuchs unter Wölfen
FantasyMitteleuropa im Fünfzehnten Jahrhundert. Die Angst vor dem Teufel, der Hölle, schwarzer Magie und Hexen ist weit verbreitet. Menschen, die angeblich Hexerei ausüben, werden verfolgt, gefoltert und getötet. So auch in einem kleinen Dorf, nahe eines r...