Im Dorf der Menschen

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Ich sitze am Feuer, welches wir entzündet haben, um einen Hasen zu braten, den ich auf unserem Weg geschossen habe. Jetzt brennt es nur noch spärlich, aber da bald die Sonne aufgeht, lege ich kein Holz mehr nach. Wir sind beinahe die ganze Nacht durchgegangen. Nach dem Zusammentreffen mit der Hexe, haben wir uns lange nicht dazu überwinden können, Rast zu machen. Jetzt schlafen Finn und Ikaron. Ich aber finde keine Ruhe. Eine gute Voraussetzung, um Nachtwache zu halten. Gedankenverloren starre ich in die Flammen, welche gierig an dem verkohlten Holz einer losen Wurzel lecken. Die Worte der Hexe machen mir noch immer Angst, auch wenn ich versuche mir einzureden, dass sie sich nur einen Spaß erlaubt hat. Ist es nicht das, was Hexen tun? Menschen in die Irre zu führen?

„Du siehst ziemlich böse drein, wenn du so in Gedanken bist." Ich drehe den Kopf. Ikaron hat sich aufgesetzt und sieht zu mir. Er lächelt ein wenig, was wohl dazu dient, mich aufzumuntern. Zögerlich lächle ich zurück. „Tut mir leid. Ich wusste ja nicht, dass du mich beobachtest." Da lacht er leise auf. „Erwischt." Kurz ist es still. „Schlecht geschlafen?", frage ich ihn schließlich. „Ziemlich.", antwortet er. „Du kannst dich hinlegen, wenn du willst, dann bekommst du noch etwas Schlaf." „Nein." Ich schüttle den Kopf. „Schon gut. Ich bin nicht müde." Da setzt er sich zu mir. „Die Hexe?" „Ja und nein. Mir geht einfach alles Mögliche im Kopf um." „Kann ich verstehen." Wieder ist es still. „Aber du brauchst keine Angst zu haben.", fährt Ikaron dann fort. „Wir passen alle aufeinander auf." Das entlockt mir ein Schmunzeln. „Danke, dass du mitgekommen bist, Ikaron. Ohne dich wären wir nicht halb so gut dran." „Nicht der Rede wert." Lächelnd sieht er mich an. „Ich habe jetzt schon mehr erlebt als in meinem ganzen bisherigen Leben." „Geht mir genauso.", antworte ich. „Wenn wir überleben, dann haben wir auf jeden Fall viele Erfahrungen gesammelt." Da verschwindet Ikarons Lächeln und sein durchdringender Blick trifft mich. „Wir werden nicht sterben Avalin. Daran darfst du gar nicht denken." Ein wenig beschämt senke ich den Blick. „Tut mir leid. Ich wollte Finns und deine Fähigkeiten damit auf keinen Fall anzweifeln." Da lächelt er zum Glück wieder. „Keine Sorge, so habe ich das nicht aufgefasst." „Finn und du... Ihr... ihr seid die besten Begleiter, die ich mir wünschen könnte." „Du bist auch nicht so übel.", antwortet Ikaron verschmitzt. Sofort merke ich, wie mir die Röte ins Gesicht schießt. Es ist völlig unsinnig, doch ich kann es nicht ändern. „D... danke." Wieder tritt Schweigen ein. Mein Blick fällt auf Finn, der zusammengerollt am Boden liegt. Er schläft tief und fest. Ein wenig beneide ich ihn schon dafür. „Finn hat dich wirklich gern." Ikarons Worte lassen mich überrascht zu ihm blicken. „Ja... Naja... Wir sind schon zusammen unterwegs, seitdem ich denken kann. Er ist wie ein Bruder für mich." Ikaron betrachtet Finn. „Denke nicht, dass er das genauso sehen würde." Ich blinzle verdutzt. „Was meinst du?" „Na, was denkst du wohl?" Die Frage klingt irgendwie herausfordernd. Natürlich weiß ich, worauf er hinauswill. „Finn ist nicht in mich verliebt." „Nein? Und wieso starrt er dich dann die ganze Zeit an? Weicht dir nicht von der Seite?" „Das..." Ich versuche die richtigen Worte zu finden. Mit seiner Behauptung, Finn sei in mich verliebt, hat er mich völlig unvorbereitet erwischt. „Das hat nichts zu bedeuten.", bringe ich hervor. „Du siehst das völlig falsch." Mir ist klar, dass diese Aussage schwach klingt. Aber ich bin verwirrt. Noch nie habe ich mir über Finns Gefühle mir gegenüber Gedanken gemacht. Noch nie habe ich uns als Liebespaar gesehen. Diese Blickweise könnte alles verändern. Energisch schüttle ich den Kopf. Ikaron grinst. Er weiß, dass er gewonnen hat. Am liebsten würde ich ihn anschnauzen, doch das würde ihm nur noch mehr Genugtuung verschaffen. Also ignoriere ich sein Grinsen und sehe stur geradeaus. Noch immer spüre ich Ikarons Blick auf mir. Mir ist dieses Gespräch verdammt unangenehm. „Ich lege mich doch noch ein wenig hin.", sage ich deshalb. Ikaron nickt. Wenn er etwas über mein Verhalten denkt, so behält er es für sich. „In Ordnung. Ruh dich aus. Ich halte solange Wache." „Danke." „Keine Ursache." Es tritt Schweigen ein, während ich versuche, mich so gut es geht hinzulegen. „Avalin?", fragt er dann plötzlich, als ich gerade eine einigermaßen gemütliche Lage gefunden habe. „Hm?" Ich drehe den Kopf. „Tut mir leid." Verdutzt hebe ich eine Augenbraue. „Was tut dir leid?" Irre ich mich, oder wirkt Ikaron mit einem Mal verlegen? „Dass ich das mit Finn und dir angesprochen habe. Es geht mich nichts an. Entschuldige." Er scheint es wirklich ernst zu meinen. Das bringt mich zum Lächeln. „Schon in Ordnung. Ich komme damit klar. Nur solltest du das alles besser nicht vor ihm erwähnen." Da lächelt auch er. Das sehe ich trotz der Dunkelheit. „Werd ich nicht. Schlaf jetzt, gute Nacht." „Danke. Ich werds versuchen." Also schließe ich die Augen. Hoffentlich plagen mich heute Nacht keine Albträume.

Fuchs unter WölfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt